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Dolomiten: Unterwegs in der Brenta und der Adamellogruppe

Dolomiten: Unterwegs in der Brenta und der Adamellogruppe

Mitte September des vergangenen Jahres zog es uns wieder über den Alpenhauptkamm nach Norditalien. Die Wetterprognosen waren gut (man sollte sie allerdings auch am Tag der Abreise noch einmal hinterfragen). Neben der klassischen Brentarunde über Bocchette Alte und Centrali wollten wir aber auch den nicht so breit erschlossenen und deshalb lange nicht so überlaufenen Norden der Brentagruppe kennenlernen und dabei vielleicht einzelne Abschnitte des Dolomiti Expert Treks gehen. Leider hieß es im Vorfeld, dass der Constanzi-Klettersteig 2012 wegen ‚Bauarbeiten‘ gesperrt ist, was die Planung ein wenig erschwerte. Und wenn dann noch an der einzigen privat geführten Hütte der Brenta keine (genaue) Wettervorhersage zu bekommen ist, dann werden Pläne schnell Makulatur…

Zum Kettersteiggehen zieht es mich immer wieder zurück in die Dolomiten. Schroffe Spitzen, imposante Berge und karge Hochebenen im stetigen Wechsel mit immer wieder faszinierenden Tiefblicken. Auf der einen Seite Felsnamen, die uns zurück in die Sagenwelt der Kindheit führen, während im krassen Gegensatz zu dieser ‚Märchenwelt‘ Spuren aus den beiden Weltkriegen auch heute noch in den Dolomiten zu finden sind.

Es war meine 12. Reise nach Norditalien und ich wollte mal wieder die Abend- und Morgenstimmung in der Bergwelt genießen. Die Brentarunde gilt als hochalpine, anspruchsvolle Trekkingtour mit (freien) Klettereinlagen und gesicherten Wegabschnitten, sehr steilen Auf- und Abstiegen. Und im Hinterkopf auch immer ein Gedanke: Vorsicht bei Eis und Altschnee! Meine einzige Verletzung auf einer Klettersteigtour hatte ich mir 1999 durchs Wegrutschen am damals frei hängenden Stahlseilende an der Bocca d’Ambiez zugezogen, wobei die Schulterverletzung nicht so schwer war, dass wir unsere Tour hätten abbrechen müssen.

 

Bei schönstem Sonnenschein und Mittagstemperaturen um die 30°C ging es nach einer kurzen Seilbahnfahrt vom Passo Groste weiter zur Tuckett-Hütte über den Sentiero Benini. Der Weiterweg am nächsten Morgen begann mit einem Umweg – viele Klettersteiggeher kamen uns entgegen, hatten abgebrochen, da der Gletscher am Tuckett-Pass ohne Grödel und Steigeisen zu gefährlich sei. Wir hatten die Steigeisen zwar im Gepäck, umgingen den Gletscher trotzdem, um dann über die Bocchette Alte zum Rifugio Alimonta (das letzte Stück über den Sentiero Oliva Detassis) bei leider nur mäßiger Sicht weiterzugehen. Von der schlechten Sicht abgesehen meinte es der Wettergott immer noch gut mit uns. Im Rifugio Alimonta lag ein zwei Tage alter Wetterbericht aus – der Chef meinte nur: „Morgen? Naja, mit etwas mehr Wolken als heute, aber geht so.“…

Darauf vertrauend gingen wir weiter auf dem Hauptkamm der Brenta – eigentlich auf dem (!) Klettersteig in der Brentagruppe: Via Delle Bocchette Centrale. Es ist wirklich der schönste Abschnitt mit faszinierenden Weitblicken und dem Balkon gegenüber dem Campanile Basso (Gulia), an dem es sich gut rasten und die Kletterer bewundern lässt. Nebel und Wolken verbargen gut, was auf uns zukommen sollte und uns beim Umrunden der Gulia auch erreichte: Aus leichtem Nieselregen sollte ein fettes Gewitter werden, das einer Kaltfront vorauseilte. Mitten in unsere Überlegungen hinein, ob weitergehen oder aussitzen, fanden wir – man soll es nicht glauben – eine Boofe. Wir rasteten gemeinsam mit zwei Berlinerinnen, die froh waren , nicht mehr allein bei dem Wetter unterwegs zu sein und warteten. Das Gewitter kam (zunächst) nicht wirklich näher, der Regen ließ aber auch nicht nach. Es wurde kalt und so beschlossen wir, uns nicht wärmer anzuziehen, sondern auf unser Glück zu vertrauen und weiterzugehen. Sturzbachartig kam der Regen die Felswände hinabgeschossen und wir waren innerhalb weniger Minuten komplett durch. Nach 1 1/2 Stunden entdeckten wir voller Freude: Die Pedrotti-Hütte hatte einen beheizten Raum im Keller…

Nach dem Wettersturz – die Temperaturen waren über Nacht unter den Gefrierpunkt gerutscht – erwartete uns wieder blauer Himmel, eine grandiose Weitsicht und die Temperaturen stiegen in den nächsten Tagen wieder auf moderate 20°C und mehr an. Die Steigeisen kamen bei zwei Gletscherquerungen dann doch auch noch zum Einsatz. Je weiter wir uns vom Hauptkamm weg bewegten, desto einsamer wurde es – in den Hütten trafen wir kaum mehr als 2 oder 3 Leute, was sich erst wieder änderte, als wir zu Rifguio dei Brentai Maria e Alberto kamen – einem beliebten Ziel nicht nur für Klettersteiggeher, sondern auch für Kletterer und Wanderer. Wir beschlossen, zwei Tage dort zu bleiben, um bei bestem Wetter noch einmal die Boccette Centrali zu gehen – mit Ausblick vom berühmten ‚Balkon‘ auf die vielen Seilschaften an der Gulia. Am letzten Tag ging es über den Sentiero SOSAT und den Giro del Brenta wieder zurück zur Seilbahn.

Da es nach wie vor keine verlässlichen Informationen zum Constanzi-Klettersteig gab, beschlossen wir kurzerhand, zum Lago di Tovel zu fahren und uns mitten ins Bärenland zu begeben. Der Tovelsee, auch Lago Rosso genannt, ist der größte Natursee im Adamello-Brenta-Naturpark, wobei die Algen, die zur Namensgebung beigetragen haben (‚roter‘ See) heute nicht mehr auftauchen und der See jetzt eine typische Gletscherseefarbe hat. Macht nichts. Nach den kargen Bergen war diese Mischung aus grün und Dolomitgestein genau das, was unsere Italien- Tour richtig schön abgerundet hat. Tagsüber trifft man direkt am See auf viele, v.a. italienische Besucher. Am Abend wirkt es am Lago di Tovel im September fast ausgestorben. Mit dem ersten Schnee ’schließt‘ der See und hält bis zum Frühjahr Winterschlaf.

Wir hatten uns einen Rundweg zusammengestellt, stiegen früh am Morgen vom See wieder auf, gingen einen Teil der 10. Etappe vom Malga Flavona bis zur Agritus Malga Tuena, um in einem Bogen, teilwiese auf der 9. Etappe (Malga Spora – Malga Flavona) wieder zum See zurückzukommen. Ein kühlendes Fußbad in der Abenddämmerung war genau der passende Abschluss unserer Dolomitentour.

Da hat jeder wohl seinen eigenen Maßstab. Körperlich anstrengend fand ich die Klettersteige nicht. Da gibt es schwierigere, weil trittlosere Steiganlagen. Auf den langen Tagesabschnitten sind eher Ausdauer und Wille gefragt. Schwindelfreiheit ist, wenn man die Bocchette Alte und Centrali machen möchte, definitiv von Vorteil, denn gerade die vielen schmalen Wege sind nicht immer mit Seil abgesichert. Es geht auch über viele schmale Felsbänder (mit Seilsicherung) – Tiefblicke inklusive. Daneben sollte man auch Leitern mögen – wir haben aufgegeben, sie alle zu zählen. Aber es gibt ja auch die Möglichkeit, den Gebirgskamm eine Etage ‚tiefer‘ zu umrunden. Die Wege dort sind nicht ganz so ausgesetzt. Sie sind auch dann eine Alternative, wenn das Wetter ein Weitergehen über den Hauptkamm verhindert.

Schwierig wird es, wenn das Wetter umschlägt und keine Sicht auf die Wegeinstiege oder den weiteren Wegverlauf gegeben ist. Nicht immer dient eine Trittspur zur Orientierung oder helfen Steinmännchen weiter. Schon bei guter Sicht sucht man u.U. in 100 m Entfernung an einer Steilwand die Markierung oder das Seil (ein gutes Fotoobjektiv kann da gut zweckentfremdet werden!).

Ich fand den einen oder anderen Abschnitt auf der Boccette Alte und Centrali etwas spärlich gesichert. An einigen Stellen, gerade am Regentag und dem Tag nach dem Wettersturz, als die schmalen Felsbänder oftmals  mit einer dünnen, aber festen Eisschicht belegt waren, war ich sehr froh über die gereichte helfende Hand. Wir hatten auch ein kurzes Seilstück mit, das wir nur 1x ausgraben mussten. Das war am Ende des Abtieges zur Vedretta d’Ambiez, als ein italienischer Bergfreund es partout ohne Steigeisen auf dem Gletscher probieren wollte. Wir sicherten ihn am Seil wieder zurück…

Wir sind die Nacht durchgefahren und hatten unser Auto an der Seilbahn in Madonna di Campiglio abgestellt. Willkommen im Süden Europas: Deren Mittagspause überraschte uns – diese Wartezeit hatte wir nicht mit eingeplant, denn wir wollten noch bis zur Tuckett-Hütte über den Sentiero Alfredo Benini. Die Tuckett-Hütte hatten wir als Einstieg unserer Tour telefonisch eine Woche im Voraus reserviert. Den Rest der Trekkingrundtour durch den Südteil und das Herz der Dolomiten hatten wir uns offen gelassen. Das funktionierte auch, ohne morgens telefonisch eine Hütte weiter anzufragen (geht über die Hüttentelefone), da wir am Saisonende unterwegs waren. Nur freitags und samstags könnte es sein, dass es (sehr) eng wird mit freien Plätzen – da lohnt sich eine Anfrage, auch wenn alle Hütten bis auf die Alimonta-Hütte von der CAI – SAT Trento verwaltet werden. Gerade das Rifudio dei Brentei Maria e Alberto, neben der Pedrotti und der 12 Apostelhütte meine Lieblingshütte in der Brenta, war zum Samstag Abend komplett voll – inklusive Winterraum und Schläfern im Gastraum. 

Für die Reservierung im Vorfeld braucht man keinen DAV-Ausweis – und ich weiß auch nicht, ob die Gastraumschläfer auch ohne DAV- OeAV – oder CAI-SAT-Mitglied zu sein, wieder weggeschickt worden wären. Man bezahlt mit Ausweis aber deutlich weniger, wenn es um die Übernachtung und/oder das Bergsteigermenü geht, wobei die Ausweise auch immer kontrolliert worden sind.

 

Mal abgesehen von einer Infotafel am Lago di Tovel, die darüber aufgeklärt hat, was man tun sollte, falls man ihm begegnet, haben wir weder einen Vertreter, noch irgendwelche Spuren von ihm gesehen. Einzig ein paar freche Murmeltiere begleiteten uns auf der Runde um den See.

1999 wurde das Projekt Live Ursus ins Leben gerufen, nachdem die Braunbär-Population in der Brenta fast komplett ausgerottet worden war. Heutzutage geht man von mehr als 45 Tieren aus – Tendenz weiter steigend. Bleibt zu hoffen, dass keiner von ihnen wie ihr Vetter Bruno nach Deutschland auswandern will…

  • Anreise: Wir haben uns gegen den Zug und doch fürs Auto entschieden. Über den Brennerpass bis nach Madonna di Campiglio – unserem Ausgangspunkt. In die Brentarunde einsteigen kann man aber auch an allen anderen Hütten auf der Runde: Hier bietet sich das Rifugio Vallesinella an, von dem man aus sowohl zur Brentei (2 1/2 Stunden), als auch zur Tuckett-Hütte (2 Stunden) kommt. Auch die beiden Hütten im Süden der Brenta (12 Apostel und Agostini) lassen sich in 3 – 4 Stunden gut aus dem Tal heraus erreichen.
  • Sprache: Die Brenta liegt im Süden der Dolomiten. D.h., Landesspache ist italienisch, wobei wir auf den Hütten gut mit Deutsch bzw. Englisch weitergekommen sind. Man sollte deutsche Sprachkenntnisse aber nicht voraussetzen.
  • Bezahlung auf den Hütten: Italien ist Euroland. In einigen Hütten konnte man auch mit ec-Karte, teilweise auch mit Kreditkarte bezahlen. Die Übernachtungspreise lagen mit Halbpension als DAV-Mitglied bei knapp 50 Euro. Man sollte dabei aber seine Tour so planen, dass man zu den Essenszeiten auch an der Hütte ist. Getränke kann man auch später noch bekommen, die Küche wird pünktlich geschlossen.
  • Wettervorhersage: Auf den Hütten in der Regel gut – einige Gäste zückten dennoch am Morgen ihre Smartphones – immer auf der Suche nach genügend Empfang für den Alpenwetterbericht (meist in der Nähe des Hubschrauberlandeplatzes)
  • diverse Topos und Infos rund um Klettersteiganlagen in Italien: Via ferrata und Klettersteige.de und Klettersteige.com
  • Informationen zum Dolomiti di Brenta Expert Trek – einer mehrtägigen Rundtour um die Brenta herum mit einigen Abschnitten, die im Norden durch die Heimat der Braunbären führen
  • leider nicht von mir 🙂 – dennoch ein sehr schönes Video: Impressionen aus einer faszinierenden Bergwelt

Wie beliebt die Dolomiten als Klettersteig- und Tourengebiet geworden sind, zeigt die weiter ansteigende Anzahl an Klettersteigführern. Wir waren auf dieser Tour unterwegs mit:

  • Klettersteigführer Dolomiten – Südtirol und Gardasee. Alle lohnenden Klettersteige in den Dolomiten, in Südtirol, am Gardasee und in der Brenta (Alpinverlag – 2011)
  • Rother Klettersteigführer – Band: Klettersteige Dolomiten-renta-Gardasee. 80 Klettersteigtouren zwischen Sexten und Riva (2012 neu aufgelegt)
  • Schon etwas antiquiert, aber das kleine Buch aus dem Bergverlag Rudolf Rother enthält Toureninformationen und Detailbeschreibungen, die ich in den neuen Klettersteigführern teilweise vermisst habe: Brentagruppe – Gebietsführer für Wanderer und Bergsteiger von Helmut Pitsch 1. Auflage 1987
  • Tourenführer (Rother Wanderführer) Brenta mit Adamello, Presanella und Paganella. 52 Touren (überarbeitet und neu aufgelegt im Juni 2012)

Kartenmaterial:

  • Wir waren unterwegs mit der Tabacco Karte, Blatt 053 Dolomiti di Brenta (1:25.000) (von 2011)
  • und der Übersichtskarte aus dem besagten alten Wanderführer
  • es gäbe aber auch noch die DAV Alpenvereinskarte Nr. 51 Brentagruppe 1 : 25 000 (von 2011)

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