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Unterwegs auf einem Kurztrip in den Waldkarpaten

Unterwegs auf einem Kurztrip in den Waldkarpaten

Nach ein paar Tagen Aufenthalt in Lwiw, eine Stadt, die vielen spätestens seit der Fußball EM als Lemberg im Gedächtnis geblieben ist, zog es uns in den Süden in die Karpatenausläufer an die ukrainisch-rumänische Grenze. Unser erstes Ziel war mit dem Hoverla der höchste Berg der Ukraine und dann wollten wir einfach mal sehen, ob wir noch eine Mehrtagestour im Biosphärenreservat Karpaten dranhängen können. Viel Zeit zur Vorbereitung und zum Sammeln von Informationen hatten wir im Vorfeld nicht. Machte aber gar nichts, denn so unerschlossen, so wegelos, wie es zunächst bei den Recherchen uns erschienen war, ist der Tschornohora-Nationalpark dann doch nicht.

Anfang September hatten wir lange beratschlagt und Wetterprognosen studiert. Dolomiten und Alpen würden in diesem Spätsommer wohl ins Wasser fallen, nicht viel besser sah es in der Tatra oder dem Slovakischen Paradies aus. Mist. Aber da gab es ja auch noch die Waldkarpaten. Da wollte ich schon immer mal hin. Nicht ganz so schroff, nicht ganz so hoch, dafür unendliche Einsamkeit in den Wäldern. Letztendlich gab dann neben der Wettervoraussage den Ausschlag, sich für den ukrainischen Teil der Karpaten zu entscheiden, unsere Reise in Lwiw beginnen zu können, eine Stadt mit einer extrem faszinierenden Geschichte.

Natürlich wurden wir mit vielen Fragen im Vorfeld konfrontiert: Was, jetzt wollt ihr in die Ukraine? Da ist Krieg beziehungsweise gibt es harte kämpferische Auseinandersetzungen. Da werden Flugzeuge vom Himmel geholt – Ihr wollt doch nicht wirklich dahin fliegen? Diese Fragen hörten auch nicht nach der Reise auf.

Wir hatten uns erst eine Woche vor Reiseantritt für die Karpaten entschieden, immer mit der Option, ganz kurzfristig aufgrund der politischen Lage nicht in den Osten Europas zu fahren. Und als Ausstiegsoption blieb im Hinterkopf das Wissen, dass man eigentlich nie weiter als 80 – 100 km weg von einer Grenze ist, sei es nach Polen, sei es nach Rumänien. Wir waren einfach optimistisch, dass im Westen der Ukraine das Leben so normal wie möglich weiter geht und das die Menschen dort, die vom Tourismus auch ein Stück weit leben, sich freuen würden, dass sie nicht ganz vergessen werden.

Wer hätte es gedacht, dass es mitten in Europa eine Stadt gibt, deren Antlitz nicht von Schäden des 2. Weltkrieges geprägt ist und die sich allen städtebaulichen Planungen zu sowjetischen Zeiten entgegenstemmen konnte, so dass die alten Herren- und Bürgerhäuser, die alten Hinterhöfe auch heute noch zu sehen sind. Zudem hat Lwiw im letzten Jahrhundert siebenmal die Nationalität gewechselt. Die Habsburger drückten der Stadt ihren Stempel auf, sie galt lange als vierwichtigste Metropole nach Wien, Budapest und Prag. 1918 wurde hier die Westukrainische Republik gegründet, dann gehörte die Stadt zu Polen. Im zweiten Weltkrieg waren zunächst die Russen, dann die Deutschen da und nach Kriegsende gehörte Lwiw zur Sowjetunion. Und nun kommt es einem so vor, als wäre die Stadt das eigentliche Zentrum der Ukraine.

Ich bin mit „offenem Mund“ durch die Stadt gelaufen, der Blick war fast immer nach oben gerichtet. Und ich weiß, ich möchte noch mehr sehen von der Stadt, noch tiefer eintauchen in ihre Gassen und Straßen.

Dass die Stadt trotz ihrer mehr als 750 jährigen Geschichte, trotz ihre abblätternden Fassaden und Kuppeln und Türmchen in der heutigen Zeit angekommen ist, dafür sprechen mehr als 150.000 Studierende, die die Straßen, Plätze und Höfe bevölkern und das Bild der Stadt deutlich mit prägen. Auffallend auch, dass die Stadt nicht weiter verfällt, obwohl auch dass seinen ganz eigenen Charme hätte. Es war nicht zu überhören und überall zu sehen, dass auch zwei Jahre nach der Fussball-EM weiter gemacht wird, Häuser und die Plätze saniert werden.

Also, einsam war es wirklich nicht. Während wir beim Frühstück im Hostel noch überlegten, wie wir näher an den Eingang des Nationalparkes kommen können, erzählte uns ein ukrainisches Pärchen, dass um 11 Uhr ein Bus in den Nationalpark fahren würde zu einer gemeinsamen Besteigungstour auf den Hoverla. Mit Bergführer für die Sicherheit. Platz war nicht wirklich mehr im Bus, aber das sollte kein Problem sein. Wir bekamen Holzhocker in den Gang gestellt und waren nach einer Stunde Fahrzeit am Bergfuß angekommen.

Während ungefähr 40 bis 50 Leute sich sofort auf den Weg zum Gipfel machten (der Auf- und Abstieg dauert ca. 5 Stunden), begleitet von ihren Tourguides, begaben wir uns auf die Suche nach einem Nachtquartier. In der meteorologischen Station empfahl man uns einen anderen Zustiegsweg auf den Gipfel, sodass wir den Hoverla überschreiten konnten. Zu diesem Zeitpunkt trafen wir auf vielleicht noch 15 Leute am Gipfelkreuz. Doch der Müll auf dem Plateau spricht seine eigene Sprache. Heißt, mal vom Symbolcharakter abgesehen, ist die Gipfelbesteigung unlohnend. Es sei denn, man ist sowieso in der Gegend und läuft auf dem Kamm entlang.

Die Karpaten im Tschornohora-Nationalpark werden von Fichtenwäldern und einem Mischwald aus Buchen und Fichten dominiert. Da der Altweibersommer noch nicht Einzug gehalten hatte, leuchtete alles noch intensiv. Ich habe lange nicht mehr so viele unterschiedliche Grüntöne nebeneinander gesehen (was wahrscheinlich daran liegt, dass es mich sonst eher in kargere Gebirgsgegenden zieht).

Da wir so schnell und unkompliziert in den Nationalpark gekommen waren, beschlossen wir, wie auch ursprünglich geplant, den Tschornohora-Kamm zu überqueren und ins Rachiwer Gebiet zu wandern. Auf der Worochtaer Seite sind uns viele Wanderer, auch auf Tagestouren, über den Weg gelaufen. Die Rachiwer Seite war deutlich menschenleerer. Das liegt wahrscheinlich daran, dass der Zustieg auf den Hoverla von Worochta aus einfacher und kürzer ist und es viele Ukrainer auf den Berg zieht.

Am Ende wollten wir noch den Petros besteigen (2.020 m). Da hatte uns dann aber doch der Herbst mit Sturm und heftigen Regenschauern eingeholt. So zog es uns eher ins Trockene nach Jasinja.

Abgesehen davon, dass es im ukrainischen Fernsehen immer wieder Thema ist, hat man in der Westukraine nicht das Gefühl, dass der Krieg den Alltag beeinflusst. Auch die Einheimischen, die wir unterwegs getroffen hatten und mit uns in englisch reden konnten, erzählten uns eher von den unruhigen Zeiten auf dem Maidan, die gottseidank vorbei wären. Einige bedauerten, dass sie in diesem Jahr keinen Urlaub auf der Krim machen konnten.

In den Städten gab es Sammel- und Spendenaktionen für die Soldaten. Einige Geschäfte verwiesen darauf, dass es bei ihnen keine russischen Produkte mehr gibt und Lokale baten darum, mit der Rechnung 1 Grwina zusätzlich zu kassieren, der an die Armee weitergeben wird. Für mich ist es auch nach der Reise schwer, Stellung zu beziehen. Wir sind medial in Deutschland so mit Informationen zugeschüttet worden, dass es schwerfällt, objektiv zu bleiben. Und so haben wir von uns aus auch nicht weiter nachgehakt, wenn das Gespräch auf das Thema Ostukraine gekommen ist. Wir hatten zudem auch nicht das Gefühl, das es von Seiten unserer Gesprächspartner gewollt war.

Ich wünsche mir für die Menschen, dass es bald eine Lösung im Konflikt gibt, auch wenn ich mir derzeit nicht vorstellen kann, wie dieser aussehen soll. Der Winter kommt und wenn es sich nicht ändert, wird er nicht nur wetterbedingt lang und hart werden.

Beste Reisezeit:

Spätes Frühjahr oder der Spätsommer. Im Frühjahr soll es im Karpatenvorland ganz viele Wiesen geben mit verschiedenen, teils seltenen Blumen. Im September ist das Wetter einfach stabiler als im Hochsommer, vor allem sinkt die Gewitterneigung.

Anreise:

Wir sind mit Eurolines ab Leipzig mit dem Bus nach Lwiw gefahren. Das sind keine 1000 km Busfahrt und ohne die drei Stunden, die wir an den beiden Grenzen warten durften, wären wir in 11 Stunden da gewesen. Mit dem Zug kommt man auch gut hin, durch das Umsteigen aber nicht unbedingt schneller und deutlich teurer. Zurück sind wir mit WizzAir geflogen. Die fliegen einmal am Tag Dortmund an. Ansonsten erreicht man Lwiw ab München mit der Lufthansa im Direktflug. Die Option über Kiew zu fliegen hatten wir von vorneherein ausgeschlossen.

Für die nächste Reise würde ich die Tour eher als Rundreise planen. Mit dem Bus über Prag nach Rachiw, von dort in die Karpaten, dann weiter mit dem Zug nach Lwiw und mit dem Bus wieder zurück. Möglich ist auch die Einreise mit dem Zug über München, Wien weiter nach Chop beziehungsweise nach Uschhorod. Je nachdem, wo man seinen Trek starten will. Dauert aber länger als die Busreise.

Einreise:

Aktuell benötigt man als deutscher Staatsbürger nur einen Reisepass, der noch mindestens 6 Monate gültig ist. Dann kann man sich 90 Tage pro Halbjahr ohne Visum in der Ukraine aufhalten. Wir wurden weder bei der Ein- noch bei der Ausreise stärker kontrolliert, unsere ukrainischen Mitreisenden dafür umso intensiver.

Sprache:

Ukrainisch. Im Ukrainischen werden zwar die gleichen kyrillischen Buchstaben verwendet, wie man sie aus dem Russischen kennt. Es erscheint einen vieles vertraut. Doch es gibt nur ein paar Wörter, die in beiden Sprachen gleichermaßen vorkommen.

Gerüchte besagen ja, dass man zumindest in den Städten mit Englisch und wenn gar nichts anderes funktioniert, noch mit Russisch weiterkommt. Es sind wohl nur Gerüchte, wir haben es anders erlebt. Mit Englisch kam man selbst in Lwiw nicht sehr weit. Und in den kleineren Städten schon gar nicht.

Russisch zu sprechen erzeugte bei mir ein komisches Gefühl, also die Sprache der Nation zu nutzen, gegen die im Osten der Ukraine gekämpft wird. Bei den Basics haben wir immer versucht, ukrainisch zu fragen oder zu antworten. Aljona aus Kiew bat mich daher, ihre Handynummer einzuspeichern, damit wir, falls es im Notfall einmal echte Verständigungsprobleme gäbe, sie anrufen könnten.

Geld:

Griwna oder Hryvnja ist die ukrainische Währung und die ist leider gerade im Tiefflug. In Deutschland hätte man ihn lange vorbestellen müssen, da die meisten Banken den Handel mit der Währung zunächst einmal auf Eis gelegt haben. Ist aber kein großes Problem, da selbst am Busbahnhof gleich drei Bankautomaten darauf warteten, uns Geld zu geben. Die EC-Karte wird an vielen Automaten nicht anerkannt. Man reist flexibler mit einer Kreditkarte (VISA oder Mastercard).

Übernachten:

In Lwiw gibt es unzählige Möglichkeiten: vom einfachen Hostel mitten in der Stadt, über alte, beschauliche, in die Jahre gekommene kleinere und größere Hotels bis hin zu postsowjetischen Hotelkomplexen. Die Preise gehen bei umgerechnet 10 – 15 Euro los. Man kann auch privat unterkommen oder ein Appartement mieten.

Im Süden wird es schon etwas schwieriger. Die Waldkarpaten gelten in der Ukraine als aufstrebendes Wintersportgebiet. Der Sommer gehört zur Vorsaison. Einige der Hotels, Hostels oder Appartmenthäuser haben geschlossen. Für sie lohnt es sich nicht.

  • Wer in den Karpaten wandernd unterwegs sein will, der sollte sich seine Infos von Willis Karpatenseite holen. Doch Vorsicht: Die Seite weckt definitiv Fernwehsehnsucht!
  • Wer noch auf der Suche nach einem echten Abenteuer ist, wem Wege wie der PCT oder der Appalachian Trail schon viele zu erschlossen sind, der sollte die Via Carpatica in seine Überlegungen mit aufnehmen: Die Überschreitung des kompletten Karpatenbogens. Camilo hat sie auf seiner Seite vorgestellt.
  • Urwälder im Zentrum Europas ist eine Publikation der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, die ich leider erst unterwegs gelesen habe. 2003 veröffentlicht vermittelt sie viele Informationen zu den einzelnen Nationalparks, die zu den ukrainischen Waldkarpaten gehören.
  • Infoseite mit vielen Unterkunftsmöglichkeiten in den Karpaten
  • Angesichts der aktuellen Ereignisse in der Ukraine, sollte man auch immer einen Blick auf die Empfehlungen des Auswärtigen Amtes werfen.
  • Express Map: Stadtplan von Lwow (1:10.000) mit einem Plan von der Westukraine auf der Rückseite (1:500 000)
  • Kartografia (ukrmap): Karpatu Rachiwskyi Rajon (1:75.000) von 2008
  • Kartografia (ukrmp): Karpatu Yaremtsche-Worochta (1:50 000) von 2007
  • In der Touristeninfo am Markt in Lwiw gibt es einen Flyer zu einem Stadtrundgang durch die Altstadt, der einen guten Einstieg und damit eine bessere Orientierung gibt.
  • In der Touristeninfo gibt es auch einen Flyer zu den Straßenbahnen und Trolleybussen in der Innenstadt.
  • Schulze, Brigitte: Lemberg. Einfach köstlich. Ist ein Reiseführer, geschrieben im Vorfeld der EM 2012. Orientiert sich sehr an den Habsburger Wurzeln der Stadt. Bietet einen guten Einstieg, allerdings haben wir festgestellt, dass unsere Favoriten keine Erwähnung im Buch fanden.
  • Klijanienko, Ania: Lemberg. Der Reiseführer aus dem Trescher-Verlag soll in seiner 3. Auflage im Januar 2015 erscheinen.
  • Ukraine – der Westen: Reiseführer für individuelles Entdecken

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