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„Wo bitte gehts denn hier zur schwarzen Mondlandschaft?“

„Wo bitte gehts denn hier zur schwarzen Mondlandschaft?“

Um der Kälte und Nässe zu entfliehen, beschlossen wir, eine kleine Finca in den Bergen am Ortsrand von El Rio gelegen zu mieten, um ein paar Tage im Sonnenschein mit Aussicht auch auf Bewegungen mit freiem Oberkörper (ja, das Auge klettert auch mit cheeky ) zu verbringen. Wir, das waren vier Sachsen, zwei davon mittlerweile nach Thüringen, einer nach Amerika ausgewandert, ein russischer Kasache aus Berlin, ein Schwabe, eine Thai und ein Kleinkind; durch die Vermittlung unserer Lodgebesitzerin kamen ein weiterer Schwabe und ein Hesse mit hinzu.

Im Vorfeld unserer Reise konnte niemand ahnen, wie kalt es in diesem Jahr wirklich schon im November in Europa werden sollte. Ursprünglich waren wir auch nur auf der Suche nach einem Kletterspot abseits von Regen und Nebel und wollten etwas Neues ausprobieren. Dummerweise sind aber eben jene Plätze im November nicht mehr wirklich mit einem Auto zu erreichen – deshalb bestiegen wir Mitte November einen Flieger.
Tenriffa ist ein Kletterparadies: ab dem 6. Schwierigkeitsgrad bleiben kaum Kletterträume offen, egal ob man auf scharfe kleine Löcher und Leisten, extreme Überhänge oder Reibung steht. Abends bleibt im November genügend Zeit, um am Pool zu sitzen und nach dem gemeinsamen Kochen den Tag gemütlich unterm Sternenhimmel beim Wein ausklingen zu lassen.

Ja, gibt es. Bei einer Einwohnerzahl von knapp 600.000 kommen zwischen 4 und 6 Millionen Besucher auf die Insel. Fährt man in den Teide-Nationalpark zum Plateau mit Touristeninformation und Seilbahn, erlebt man den Großteil der gerade anwesenden Urlauber. Da kann es schon mal passieren, dass zwei deutsche Touristen auf der Suche nach der „schwarzen Mondlandschaft“ uns Kletterern über loses Geröll einfach hinterher steigen. Sie konnten (oder wollten) nicht verstehen, dass wir nicht wie sie auf der Suche danach waren. Obwohl wir ihnen den Weg zum Vulkangestein zeigten und erklärten, ihnen versicherten, dass wir nur auf dem Weg zum gelben Kletterfelsen wären, stürzten sie uns hinterher. Wir bekamen es deshalb kurzzeitig mit der Angst zu tun, dass sie sich bei unserer Verfolgung verletzen würden…
Geht man stattdessen in den Norden / Nordosten, dann mag es dort nicht soviel zum Klettern geben, dafür ist es in diesem Teil der Insel eher ruhig – nur vereinzelte Wanderer sind unterwegs. Man kann die Insulaner beim gemütlichen Dorfplausch auf den Straßen treffen und niemand hupt, nur weil kurzzeitig die schmale Fahrbahn nicht passierbar ist. Zeit wird dabei relativ.

 

Da der Wettergott ein Einsehen hatte, uns mit Sonnenstrahlen und blauem Himmel verwöhnte, zog es uns trotz einstündiger Kurvenfahrt immer wieder zum Teide-Plateau hinauf. Dort gab es für alle Klettergenuss pur bei teilweise mäßiger Absicherung (Friends und Keile hingen nicht nur zum Posen und für Fotos am Gurt). Beim Klettern am Vulkangestein weiß man zwar auch vorher, dass der Fels sehr scharfkantig ist. Aber selbst Tape an den ersten Fingergliedern half nach ein paar Tagen auch nicht mehr weiter, weil unsere herbstlichen kletterhallenverwöhnten Fingerspitzen solche Belastungen gar nicht mehr gewöhnt waren.
Doch Teneriffa hat mehr für den Kletterer zu bieten und so ging es zur Schonung der selben ins sogenannte Loch (El Hoyo – das Klettergebiet ist leider im neuen Kletterführer von 2010 nicht mehr enthalten). In dieser Schlucht gibt es jede Menge runder Griffe und Tritte. Das hieß, viel klemmen und stemmen und wenig an den geschunden Fingern ziehen.
Na ja, und wenn man wie ich das erste Mal auf Teneriffa ist, kann es auch mal auf den Teide selbst gehen. Vor allem nach ein paar Tagen klettern kann man so gut einen Kletterruhetag verbringen. Gerüchte besagen, dass der Streckenrekord auf den Teide bei 1:30 min liegt (laut Wanderführer bis zu 4,5  Stunden Aufstiegszeit). Okay – wir waren im Urlaub und nicht im Trainingscamp: wir wollten in aller Ruhe uns an den Aufstieg machen. Aber: der Blick ins Internet vor Ort zeigte, dass alle Permits bereits vergeben waren. Die gibt es eh nur von 9 bis 17 Uhr und wenn wir schon mehr als 1000 Höhenmeter auf uns nehmen, wollen wir den berühmten Sonnenaufgang über Cran Canaria auch erleben. Nachdem alles entscheidenden Tipp im Kletterladen von Granadilla: „…so lange ihr vor 9 Uhr das Tor passiert, hält Euch keiner vom Gipfelbesuch ab“, gab es kein Halten mehr. Zeitiges Aufstehen (kurz nach 3, das hat dann schon an Alpen-Touren erinnert) und kurz vor dem Erreichen des Refugio de Altavista in 3.200m Höhe ging die Sonne langsam über dem Meer auf. Einfach nur schön!
Den Gipfel samt Sturm und Schwefelgeruch hatten wir komplett allein für uns, da die Ersten, die den Sonnenaufgang von ganz oben betrachtet hatten, schon wieder weg waren, während die Permitinhaber und Nutzer der ersten Seilbahn uns im Abstieg entgegenkamen. Die Ersten überrannten uns fast bei dem Versuch, als Erste ganz oben zu stehen – einige drängelten regelrecht auf dem schmalen Weg mit der Enttäuschung im Blick, doch nicht ganz die Ersten des Tages zu sein…
Am Ende der Kletterwoche ließen wir dann doch noch für einen Tag das Klettern Klettern sein. Nach einem Bad im Meer an einem kleinen, eher unbekannten Strand abseits der Touristenburgen, nahmen wir uns das Auto, um auf die andere Seite der Insel zu fahren, von der wir bisher nur gehört hatten. Im Nordosten der Insel gab es in den dichten, steilen Wäldern auch endlich wieder die Farbe Grün zu sehen und die Tour hat Lust auf mehr gemacht – die Insel einmal nicht nur als Kletterer, sondern auch per pedes zu erleben.

Wir haben uns gegen das Zelten und für eine Finca entschieden. Die hatte, gruppiert um einen gemeinsamen Innenhof drei kleine Häuser oder Anbauten und lag am Ende des Dorfes. Nur der Hahn, der Morgen für Morgen um kurz nach 3 eine halbe Stunde krähen musste, störte unsere Ruhe.

 

Abgesehen von der Autobahn, die relativ geradlining an der Küste entlangführt, sind die Straßen eher eng, verwinkelt, jedes Seitental mitnehmend, gebaut. Es gibt einen öffentlichen Busverkehr, der nicht nur die Dörfer, sondern auch den Nationalpark anfährt. Aber um in das gros der Klettergebiete zu kommen, benötigt man ein eigenes Auto. Doch aufgepasst: Karten sollte man lesen können! Das war bei den Straßenkarten, die wir zur Verfügung hatten, v.a. bei Nebenstraßen als Einfahrt zu den Barancas, nicht ganz einfach

Mal abgesehen vom reinen Klettern – der Ausblick vom Pico del Teide (3.718m) ist genial und selbst wenn Gesundheit oder Kondition einen Aufstieg auf den höchsten Berg Spaniens verhindern, ist die Gondelfahrt mit anschließender leichter Wanderung zum Aussichtspunkt  empfehlenswert – einziges Manko: Man ist dabei definitiv nicht allein. Wer sich konditionell gut fühlt, für den ist der Aufstieg auf den Pico del Teide kein Problem – der Weg (Sentero 7) ist anfangs breit, eher ein Fahrweg bis unter die Montana Blanca, bevor er zu einem schmaleren Pfad wird. Im hellen Mondlicht musste keiner von uns seine Stirnlampe auspacken. Darüber hinaus gibt es kleinere Wandergebiete, sowohl um den Teide herum als auch im Norden der Insel.
Santa Cruz de Tenerife hat sich nicht nur mit seinem Wahrzeichen „Auditorio de Tenerife“ zu einer, architektonisch gesehen, modernen Stadt entwickelt und ich hätte gern mehr Zeit gehabt, in den Altstadttrubel der ehemaligen Inselhauptstadt La Laguna einzutauchen. Auch Arico mit seinen typischen weißen Häusern (mit grünen Fensterläden), Granadilla mit seiner lebendigen Altstadt und Villaflor – nomen est omen für die höchstgelegene Siedlung Spaniens – sind kleine sehenswerte Städte im Norden der Insel. Mehr haben wir nicht gesehen, denn im Kletterurlaub ist immer viel zu wenig Zeit, das Leben in den Gemeinden zu erkunden, erst recht, wenn die Woche über die Sonne lacht. Um Playa de las Americas und Los Cristianos würde ich persönlich eher einen Bogen machen.
Faszinierend sind auch die Gegensätze, die sich wetterbedingt ergeben – der Norden mit dichten, urwüchsigen Wäldern und steilen Tälern, der Süden eher karg mit Kakteen und staubbedeckten, steinigen Terrassenfeldern und den Barancas.  Während es mich wieder in den Norden ziehen würde, empfand ich den Anblick der großen Gewächshäuser und der kleinen Industrieanlagen in Küstennähe im Süden eher als hässlich.

Sonne satt hatten wir – gemäßigte Temperaturen und ohne den Wind an einigen Tagen hätten wir immer im T-Shirt klettern können. Hätten wir unsere Reise eine Woche später angetreten, würde keiner von uns vom ganzjährig ausgeglichenen Klima sprechen. Sturmwarnung  (Alarmstufe lila für die Surfer in El Medano) und starke Regenfälle führten zur Sperrung mehrerer Bergstraßen und Annulierung von Flügen. 24 Stunden nach Abflug hätten wir festgesessen auf der Insel und auch das ist Novemberwetter auf Teneriffa.

Beste Reisezeit:
Ganzjährig, je nachdem wie warm es auf Reisen werden soll – Traumhaft im Herbst, um den trüben Novembertagen zu entkommen und erst recht im Winter, wenn man lichthungrig ist. Und im Frühjahr, wenn es um den Pico del Teide gelb blüht (Ginster) und der Gipfel selbst noch weiß unter blauem Himmel erstrahlt, weil er noch mit Restschnee bedeckt ist.

Anreise:
Mit dem Flieger ab jeder größeren Stadt. Der internationale Flughafen befindet sich im Süden der Insel in der Nähe von Santa Cruz (Aeropuerto Tenerife Sur Reina Sofia). Der kleiner, lokale Flughafen, der viel von Madrid aus angeflogen wird, ist nördlich von La Laguna (Aeropuerto Tenerife Norte Los Rodeos).  Darüber hinaus gibt es Fährverbindungen  zwischen den Inseln.

Einreise:
EU-Gebiet: d.h., Personalausweis reicht

Sprache: Spanisch (hilfreich im Landesinneren) – Deutsch und Englisch eher in den Touristenzentren

Geld: Euro

  • Fincas und mehr: Nicht nur unkomplizierter Ansprechpartner für die Unterkunft – Penny hat uns auch geholfen, als Gepäck fehlte (man kann „lost and found“ auf dem Flughafen nur von einem spanischen Netzanbieter und nicht von einem deutschen Handy mit spanischer Vorwahl anrufen), vermittelt Kletterpartner, wenn jemand allein auf die Insel kommt und Anschluss an Gleichgesinnte sucht und hat auch sonst ein offenes Ohr für Alles
  • Klettern auf Teneriffa: um einen ersten Eindruck über die Klettergebiete auf der Insel bekommen zu können
  • Teide-Nationalpark: Seite mit vielen Informationen rings um den Teide und der Möglichkeit der online-registrierung für das Gipfelpermit
  • Teneriffa-Seite: als Einstieg und um einen Überblick zu gewinnen, ohne gleich eine Buchung vornehmen zu müssen.
  • Topo: Tenerife Escalada deportiva – Kletterführer 2010 erschienen, für 20 Euro in Granadilla zu erwerben; in Deutschland kostet er 24 Euro.
  • Im „Tenerife Outddor“ Shop in Granadilla kann man sich den alten Führer ausleihen, um auch mal in der Loch klettern gehen zu können.
  • Teneriffa: Die schönsten Küstenund Bergwanderungen. 70 Touren aus dem Rother Verlag (8.Auflage 2009)

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