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Nordchile

Nordchile

Jahreszeitlich bedingt konzentrieren wir uns auf den trockenen Norden des 4300 km langen Landes. Mit dem Nachtbus reisen wir zunächst von Santiago nach Calama, von dort aus weiter mit dem Mietwagen nach San Pedro de Atacama mit seinen umliegenden Attraktionen: das Valle de la Luna, Geysiere, Vulkane und surreale Lagunen. Auch nehmen wir die mehr als lohnenden 800km pro Strecke in den Parque Nacional Lauca auf uns, den nördlichsten Nationalparks Chiles.

Vor allem mein Partner, ein leidenschaftlicher Nachtfotograf, fiebert diesem Höhepunkt unserer Weltreise entgegen. Die trockene, klare Luft und einsame Dunkelheit fernab leuchtender Städte stellen wahnsinnig gute Bedingungen für die Nachtfotografie dar. Hinzu kommt eine bizarre, surreale Landschaft als passender Vordergrund der Sternmotive. So etwa das Valle de la Luna nahe San Pedros, benannt nach seinem Mond-ähnlichen Erscheinungsbild. Wind und seltene Niederschläge haben das spröde Gestein im Laufe der Zeit sonderbar geformt und Canyons in das mitunter pure Salz gefräst. Wir ergattern die Genehmigung in diesem Naturreservat zu zelten und mein Partner fotografiert trotz klirrender Kälte die halbe Nacht.

Zelten zu gefährlich?
Um weitestgehend ungebunden zu reisen, setzen wir auf Mietwagen und Zelt – nur bedarf es für dieses Unterfangen einiger Recherche. Die Empfehlungen der Einheimischen reichen von „Kleinwagen“ bis „selbst fahren unmöglich“, von „wildcampen total safe“ bis „Überfallgefahr durch Drogenschmuggler“. Schließlich mieten wir an Calamas Flughafen einen Pickup und fahren nach San Pedro, touristische Oase inmitten der Atacama-Wüste. Diese zieht sich über 1200km durch den Norden Chiles; die Anden im Osten bilden eine natürliche Barriere für die feuchte Luft des Amazonasbeckens, und der kalte Humboldtstrom an der Westküste lässt die Bildung von Regenwolken nicht zu. Es gibt Orte, an denen es seit Beginn der Wetteraufzeichnung noch nie geregnet hat – dagegen ist selbst das Death Valley ein Feuchtgebiet.

Reisen unter Extrembedingungen
Gleißende Sonne, salzige Winde, knochentrockene Luft und enorme Temperaturschwankungen zwischen heißen Tagen und eisig kalten Nächten: wir kämpfen mit rissigen Händen, brennenden Augen, Nasenbluten und fühlen uns wie Dörrobst im Ofen. Dazu gesellen sich Symptome der Höhenkrankheit, Kopfschmerzen, Schlafapnoe. Doch schier unglaubliche Landschaftseindrücke versetzen uns in eine andere Welt, lassen jegliche körperliche Strapazen vergessen. „New Zealand is beautiful, Patagonia is beautiful, Iceland is beautiful – but the Atacama and the Altiplano are unique“, schwärmte ein Chilene in Santiago. Als ich an den Ufern der Lagunas Altiplanicas stehe, denke ich an seine Worte. Und gebe ihm Recht.

Von wegen trockenster Ort: gefangen im Schneesturm 
Nach ausreichender Akklimatisierung machen wir uns auf zu den Tatio-Geysiren, dem höchsten geothermalen Feld weltweit, und zelten in der Nähe der Parkverwaltung auf 4300m. Nachts peitscht Schnee gegen das Zelt, die Temperaturen fallen auf eisige -10°C, aber dank entsprechender Ausrüstung bleiben wir kuschelig warm. Am nächsten Morgen weckt uns ein Polizist und mahnt, rasch ins Tal zurückzukehren, ein Sturmtief sei im Anmarsch. Doch ist der Dieselmotor eingefroren und auch die Starthilfe des Park-Pförtners bleibt erfolglos. Schließlich rollen wir den Wagen in die Nähe des Geysirfeldes, wo der Motor schnell auftaut – und los geht’s! Nach etwa 10km gewinnt der Sturm an Kraft und wird zum White out – Himmel und Erde verschmelzen zu reinem Weiß und wir verlieren völlig die Orientierung. Nun stecken wir fest, in einem Blizzard irgendwo im Nirgendwo, etwa 80km von San Pedro entfernt, und wissen nicht, ob und wann Hilfe kommt. Mein Freund versucht noch den Wagen mit den Händen frei zu graben, aber der Wind peitscht ihm Sand und Eis wie Nadelstiche ins Gesicht. Nach anfänglicher Panik und Verzweiflung beschließen wir, die Sache auszusitzen – Wasser, Nahrung und Spiritus für den Kocher sollten für ein paar Tage reichen. Einige Stunden später legt sich der Sturm etwas, die gleichen Parkangestellten passieren uns und schaufeln den Pickup schließlich frei!
Wir verabschieden uns in verschiedene Richtungen und entdecken wenig später im Straßengraben einen Bus voller Touristen, die verzweifelt versuchen, das Gefährt wieder auf die Straße zu schieben. Die Tagesausflügler haben keine Verpflegung oder Thermokleidung dabei, eine brenzlige Situation in Anbetracht der nächtlichen Temperaturen. Wir sacken die Reiseleiterin ein und erreichen die nächste Siedlung, in der sie Hilfe organisieren kann. Zurück in San Pedro tobt ein Sandsturm – wir gönnen uns ein Hotel, Restaurant und gehen feiern…! Am nächsten Tag schneit es selbst im Atacama-Becken – ein einzigartiges Naturphänomen, das selbst gestandene Chilenos zu Kindern macht: überall suhlt man sich im Schnee, baut Schneemänner auf Motorhauben, gibt‘s exzessive Schneeballschlachten. Die Bilder des Tages in den chilenischen Nachrichten!

Pickup aufgeknackt!
Wir wollen weiter gen Norden, kaufen noch fix in Calama Notwendiges ein – und finden den Wagen schon für uns geöffnet vor. Trotz Parkplatz mit Sicherheitspersonal haben Diebe den Pickup geknackt, glücklicherweise aber nur die Rucksäcke mit allerhand Kleidung gestohlen. Tablet, Handy und Hilleberg-Zelt waren den Einbrechern wohl nichts wert… Kamera, Kreditkarten und Pässe hatten wir zwar vorsorglich am Mann, sind uns aber nicht sicher, ob sich Kopien aller Dokumente (inklusive der Kreditkarten) in den Rucksäcken befanden. Sicherheitshalber sperren wir deshalb sämtliche Reisekonten. Es folgen Polizeiprozedere, Wagentausch und die komplizierte Organisation neuer Kreditkarten. Die werden uns hoffentlich nach Bolivien geschickt…

Liegestütze im Schlafsack
Wir sammeln alle unsere (Nerven)kräfte und fahren weitere 800km in den Lauca-Nationalpark. Der Parinacota, ein 6300m hoher Bilderbuch-Vulkan, liegt an einem der höchsten Seen weltweit. Hier auf etwa 4600m stoßen wir mit unserer Zeltausrüstung an Grenzen. Ich zittere und mache Liegestütze im Schlafsack, um Wärme zu generieren. Derweil fotografiert mein Freund in Eiseskälte – denn so eine Milchstraße gibt‘s in Leipzig nicht. Mittlerweile wissen wir mit dem Pickup umzugehen und parken den Wagen abends immer gen Osten. Und während die Morgensonne den Motor auftaut, genießen wir unsere Haferflocken mit Blick auf eine Lamaherde und dem schönsten Vulkan, den wir je sehen durften.

Abenteuer pur!
Zurück in San Pedro organisieren wir unsere Überfahrt nach Bolivien. Chile raubte uns nicht nur aufgrund der Höhenlage den Atem. Die Farben- und Formvielfalt der Atacama, die Tiere des Altiplano sowie wunderschöne, teils aktive Vulkane ließen uns beständig staunen. An Herausforderungen mangelte es ebenso wenig. Klima, Blizzard und Diebstahl zehrten an unserer Substanz – und zeigten erneut, dass man mit Willenskraft und Zusammenhalt auch schwierige Herausforderungen meistert.

Beste Reisezeit:
Von Oktober bis Mai. Im südamerikanischen Winter von Mai bis September fallen die Temperaturen in höher gelegenen Gebieten weit unter den Gefrierpunkt.

Anreise:
Mit dem Flieger nach Santiago de Chile, von dort aus per Nachtbus nach Calama oder direkt San Pedro de Atacama. Tur Bus und Pullman Bus gelten als die sichersten und komfortabelsten Unternehmen. Auch die Anreise via Jeeptour von Bolivien aus über den Salar de Uiuni und das Altiplano wird häufig genutzt. Zudem gibt es Busverbindungen von Brasilien, Argentinien und Peru.

Visum:
Für Touristen, die bis zu 90 Tagen im Land verbringen wollen, genügt der Reisepass.

Sprache:
Auch in touristisch stark frequentierten Gebieten ist englischsprachiges Personal keine Selbstverständlichkeit, grundlegende Spanischkenntnisse sind daher von großem Nutzen.

Geld:
1 Euro entspricht circa 700 Pesos. Die Ausgaben sind für südamerikanische Verhältnisse recht hoch, die Lebenshaltungskosten liegen nur etwas unter dem deutschen Schnitt.

sernatur
Homepage der offiziellen chilenischen Tourismusbüros, vorhanden in allen wichtigen Reiseregionen. Auch via Mail werden Anfragen zügig beantwortet.

merkblatt_erdbeben
Chile zählt zu den wohl am stärksten von Erdbeben gefährdeten Ländern der Welt. Die Südamerikanische und Nasca-Platte bewegen sich mit einer Geschwindigkeit von 8 cm im Jahr aufeinander zu. Besucher sollten sich unbedingt vor der Abreise mit Verhaltensregeln im Falle eines Erdbebens vertraut machen.

lonelyspeck
Informationen rund um die Nachtfotografie in einer der weltweit am besten geeigneten Regionen für Aufnahmen des Nachthimmels.

Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor (mind. 50) und Sonnenhut
auch die Trockenheit der Wüste hinterlässt Spuren: Pflegecreme für spröde Lippen und aufgesprungene Hände
Bikini fürs obligatorische Bad in der Laguna Cejar
Fahrzeuge lassen sich am besten in Calama mieten – für die allermeisten Abschnitte reicht ein Wagen mit viel Bodenfreiheit, für ausgedehnte Touren ist ein Allradfahrzeug natürlich besser. Unbedingt auf einen überholten Zustand, ausreichend Öl und Frostschutzmittel achten.
Zeltwütige sollten in Schlafsäcke mit einem Komfortbereich bis -15°C investieren.
Funktionskleidung sowohl für heiße Wüstentage als auch superkalte Nächte und Altiplano-Touren einpacken.

Lonely Planet, 2013, South America n a shoestring, 12th edition. Mit Überblickcharakter. Für Abenteuerlustige, die Nordchile selbst im Mietwagen oder auf dem Fahrrad erkunden wollen, eindeutig zu wenig Infos.

Trekking Chile, 2015, San Pedro de Atacama Landkarte, 6. Auflage. Kartenmaterial für Individualreisende.

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