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Indien – Rajasthan

Indien – Rajasthan

Unsere Reise führt uns von Mumbai ins blaue Jodhpur, in die Wüste Thar und Bikaner, nach Delhi und Agras Taj Mahal. Sie endet in Varanasi – laut Lonely Planet „one of the most blindingly colourful, unrelentingly chaotic and unapologetically indiscreet places on earth“.

Indien stellt den Beginn einer einjährigen Weltreise dar. Ich, Anfang 20, verbrachte alle Familienurlaube an der deutschen und dänischen Ostsee. Besuchte nie einen türkischen Basar, streifte nie alleine durch die Londoner City. Menschenmassen meide ich; ohne Natur und Frischluft empfinde ich Urlaub als verschenkt. Ich sehne mich weder nach spiritueller Erleuchtung noch nach einer exotischen Liebschaft. Wieso ich in eine Maschine nach Mumbai steige? Weil ich niemals meinen Jahresurlaub in Indien verbringen würde – und dennoch das Verlangen habe, gegen meine eigenen begrenzten, westlichen Vorstellungen von Gesellschaft und Leben zu rebellieren.

„Slum“-Tour in Mumbai
Wir landen in Mumbai, ich erwarte einen Highway vom Flughafen zur Innenstadt oder wenigstens Schilder – vergeblich. Die nächtliche Fahrt gerät zur Odyssee über holprige Pisten, vorbei an Slums; nach endlosen Runden finden wir schließlich die richtige Adresse, wo uns Freunde herzlich empfangen.

Geführt von einem NGO-Mitarbeiter besuchen wir Dharavi, einen der größten Slums Asiens. Hier leben ca. eine Million Menschen auf knapp zwei Quadratkilometern – nur Legehennen haben weniger Platz. Die Grenzen zum „normalen“ Stadtgebiet Mumbais verlaufen fließend, die Gassen werden enger, die Häuser niedriger, die Luft stickiger. Ich bin geschockt ob der Lebensbedingungen, auch mein Partner wird ganz still. Der allgegenwärtige Müll lockt Hunde, Krähen und Ratten an, dazwischen Kühe, Ziegen, Menschen. Überall der Geruch von Verwesung, je nach Windrichtung unterschiedlich gefärbt, wir kämpfen gegen unseren Brechreiz. Abwasser mäandriert zwischen Wellblechhütten, vermischt sich mit Fäkalien jedweder Spezies, um schließlich müllbeladen ins Meer zu fließen. In einem Recyclinghof kochen Jugendliche Aluminiumschrott, der Rauch treibt uns Tränen in die Augen, der Guide mahnt zur schnellen Passage. Einige Jungs schweißen ungeschützt selbstentworfene Häcksler für Plastikmüll, manche sind schon erblindet. Dazwischen spielen Kinder Cricket. Wir passieren eine Gerberei, Ziegen knabbern an den siffenden Fellen ihrer toten Artgenossen – ich versuche, durch die Ohren ein- und durch die Nase auszuatmen.

Überraschend wird klar: Indische Slums sind kein Obdach bettelnder Almosenempfänger – wer hier lebt, fährt Tuk Tuk oder putzt, arbeitet im Straßenbau oder als Polizist, manch einer pendelt gar täglich aus den Vorstädten. Dharavi ist eine „Stadt in der Stadt“, mit Frisör und Fitness-Studio, Bäcker und Barbier, sogar medizinischer Versorgung und rudimentärer Rechtsordnung. Nur Pizza Hut liefert nicht mehr, um das 30-Minuten-Versprechen halten zu können. Der Slum ist ein riesiger Recyclinghof mit einem geschätzten Jahresumsatz von 650 Mio. Euro und zieht somit zahllose Glückssuchende an. Ein Ergebnis der Landflucht – allein Mumbai schluckt täglich ein- bis zweitausend Neuankömmlinge.

Kameramotive
„Yes Sir, fighting! Fighting Pakistan, fighting China!“. Mitunter werden wir von Scharen von Indern umzingelt, am Fort in Jodhpur etwa von einer Truppe euphorischer Rekruten der indischen Armee. Nicht nur in der „Blauen Stadt“ stehen wir häufiger vor als hinter der Kamera. Mein kurzer Spaziergang zum Wasserverkäufer wird begleitet von quietschenden Rikscha-Hupen, Fußgängern, die anhalten und starren. Und ich beschließe, keine weiteren Soloausflüge zu unternehmen.

Wüstenruhe
„Das Kamel will mich absichtlich ärgern!“, witzelt mein Freund, als sein Dromedar den Weg direkt durch den Dornenbusch wählt. Auf unseren „Wüstenschiffen“ schaukeln wir zusammen mit einem indischen Guide über die Sanddünen und Graslandschaften der Thar. Für zwei Tage und Nächte dürfen wir uns in ihrer Ruhe, hitzigen Schönheit und Weite endlich wohlfühlen. Innere Rast finden von dem städtischen Chaos Indiens. Die „Große Wüste“ ist Lebensraum unzähliger Echsen, fliegender Skarabäen, von Gazellen, Raubvögeln, Kühen der Nomadenvölker. Die Regenzeit liegt nur etwas mehr als einen Monat zurück, sodass sich die sonst karge Savannenvegetation in üppigem Grün zeigt. Wir reiten nie mehr als eine Stunde; Dromedartouren stellen sich als schmerzhafter für die Beine heraus als gedacht. Unser Guide beantwortet uns im typischen Hindi-Englisch alle Fragen zur Wüstenlandschaft, weiht uns in das Geheimnis der Chai-Zubereitung ein, bekocht uns am Feuer. Wir schlafen inmitten bizarr wellenförmiger Dünen unter dem Sternenhimmel – für mich ein einzigartiges Funkeln, mein Freund dagegen ist aus Fotogründen enttäuscht (irgendwie stimmt mit dem Mond etwas nicht…). Die Kühle der Nachtluft wirkt heilsam, bringt doch die Hitze des Tages unser Blut schier zum Kochen. Die Decke, die uns der Guide zum Schlafen gibt, dient tagsüber als Reitunterlage – fette Dromedarzecken krabbeln über den Stoff, wir frösteln lieber… Zurück in Jaisalmer befreien wir uns vom Wüstensand, waschen Schweiß- und Dromedargeruch von uns ab. Die neugewonnene Ruhe, der erste atemberaubende Natureindruck allerdings bleibt und verhilft uns, Indien lieb zu gewinnen.

Rattenverehrung 
Bei Bikaner erwartet uns ein besonderer Leckerbissen der indischen Kultur, der „Rattentempel“ von Deshnok. Mehr als 20.000 der Nager werden als heilig verehrt, gehegt und gepflegt. Wir waten durch Ratten- und Taubenmist, Müll und allerlei Ungeziefer – barfuß, sonst wird’s unrein. Drinnen ertrinken die Ratten in Süßigkeiten und Kokosmilch, draußen betteln die Kinder. Ich fluche.
Nichtsdestotrotz: Die Wüstenstädte Rajasthans, vorrangig ihre Stille und angenehme Wärme im Morgengrauen, verhelfen mir nach und nach zu mehr Sicherheit und Wohlgefühl. Ich überwinde allmählich den Kulturschock und freue mich, das Land endlich gelassener zu erkunden. Wir machen uns auf den Weg nach Neu Delhi, ein Visum für Myanmar muss beantragt werden. Die Hauptstadt zeigt sich überraschend „reinlich“, das Gandhi-Museum, der Ort seiner Kremation sowie der Lodhi-Park stellen sich als zumindest menschen„ärmere“ Orte heraus, die wir zu genießen wissen. Selbst der unüberschaubare Tumult des Basars, der unser Hotel umgibt, bringt uns nicht mehr allzu sehr aus dem gefundenen Gleichgewicht.

Das Taj Mahal – lohnender Umweg
Der schöne Plan meines Freundes, das Taj Mahal im weichen Licht des Sonnenaufgangs zu fotografieren, wird vom späten Monsun durchkreuzt: Es schüttet die ganze Nacht wie aus Eimern; Wiesen und Wege rund um das wohl „schönste Gebäude“ sind überflutet. Ein indischer Maharadscha erbaute es für seine verstorbene Frau. Ein schöner Liebesbeweis – mal sehen, ob mein Partner davon inspiriert wurde… Der „Umweg“ zum Taj Mahal lohnt sich! Auch wenn unweit des wunderschönen Marmorpalasts Müllberge die Stadt Agra zu ersticken drohen.

Das Konzentrat Indiens
Wir erreichen Varanasi per Nachtexpress, leider ohne mein Handy (…). Die heilige 3,5-Millionen-Stadt am Ganges, ein Schmelztiegel der hinduistischen Kultur, mittelalterliches Mäuseloch, bunt, laut, überfüllt – kurzum: das Konzentrat Indiens. Wir verbringen die Zeit schlendernd an den Ghats, sind fasziniert ob der Eindrücke. Tausende bunte Menschen bevölkern die Stufen, waschen Körper, Kleider, Kinder, Kühe. Für einen gläubigen Hindu ist es das größte Glück, hier beigesetzt zu werden, am Abend lodern die Flammen zahlreicher Scheiterhaufen. Kinder, Schwangere und Leprakranke werden direkt im Fluss bestattet. Ebenso die Armen, die sich eine Verbrennung nicht leisten können. So schluckt die „Heilige Mutter Ganga“ täglich viele Tonnen Abwasser, Müll, Leichen und Kadaver; der Anblick mancher Szenen erscheint grotesk… Wir haben uns an vieles in Indien gewöhnt, uns mit dem Land angefreundet, könnten Stunden hier sitzen und das bunte Treiben beobachten. Doch bald geht es nach Nepal, in die Einsamkeit der Berge. Viele sagen, Indien würde man entweder hassen oder lieben. Dazwischen gäbe es nichts. Bestätigen können wir dies nicht. Wir verlassen das Land mit Hassliebe – und sind nun gewappnet für viele weitere Länder dieser Reise. Fernab der Ostsee.

Anreise:
Direktflüge führen in etwa 7 bis 8 Stunden von Deutschland in alle indische Metropolen wie etwa Delhi und Mumbai.

Visum:
Deutsche Tourist*innen benötigen neben dem Reisepass ein Visum. Dieses kann online beantragt werden und erlaubt einen Aufenthalt von bis zu 30 Tagen. Reguläre Touristenvisa, beantragt bei der indischen Botschaft, sind dagegen bis zu 6 Monate gültig. Ein Visum on arrival am Flughafen gibt es nicht.

Sprache:
Indiens 1,2 Milliarden Einwohner sprechen etwa 780 unterschiedliche Sprachen, die Zahl variiert jedoch. Neben Hindi zählt auch Englisch zu den indischen Amtssprachen.

Geld:
Indische Rupie, wobei 1 Euro derzeit etwa 75 Rupien entspricht.

Beste Reisezeit:
Rajasthan bereist man am besten von Oktober bis März, sowohl um die extreme Hitze als auch den Monsun zu umgehen.

realitytoursandtravel
Seit 10 Jahren führen die Guides von Reality Tours durch Mumbais Dharavi, sie selbst wuchsen im Slum auf. Etwa 10 € kostet die Tour pro Person, die Gelder fließen in lokale Bildungsprojekte. Pro und Contra einer solchen Tour (Hilfe vs. Armutstourismus) gilt es abzuwägen.

amnesty-indien
In Jodhpur trafen wir auf eine Gruppe von Frauen mit verbrannten Gesichtern und Händen – Opfer der noch immer populären Brautverbrennung. Eine Organisation kümmerte sich um die Ausgestoßenen. Amnesty International vermittelt einen Überblick zu Gewalt gegen Frauen, Kastendiskriminierung, Kinderrechten und weiteren Schwerpunkten der Menschenrechtslage vor Ort.

Schlafsackinletts: für wohligen Schlaf in jeder Umgebung.

  • Lange, luftige Kleidung: auch um gierigen Blicken so wenig Haut wie möglich zu bieten.
  • Die Fähigkeit, auf Fleisch verzichten zu können – spätestens beim Marktbummel wird klar, weshalb… Die vegetarische indische Küche war für uns dennoch das Geschmackshighlight der Weltreise.
  • Geduld: am Flughafen, am Zugticketschalter, beim Handeln, beim Neinsagen, …
  • Reiseplan: Im indischen Alltagschaos verleiten Agenturen schnell dazu, sich eine komplette Rundreise für deutlich mehr Geld zu buchen. Wer individuell das Land erleben möchte, sollte wissen, wohin er möchte – um vor Ort penetranten Touristenfängern ein entschiedenes „Nein“ entgegnen zu können.

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