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Radtour entlang der Via Claudia von Augsburg nach Italien und durch die Schweiz Richtung Zürich

Radtour entlang der Via Claudia von Augsburg nach Italien und durch die Schweiz Richtung Zürich

Der Weg führte von Augsburg stetig steigend Richtung Füssen, durch das malerische Tirol, anschließend nach Lermoss. Den Fernpass (1.215 m) hinter uns lassend passierten wir Imst, Landeck und schließlich den Reschenpass (1.507 m). Nach einem Ruhetag in Meran nahmen wir den Zug zurück nach Mals und radelten ins schweizerische Val Müstair. Wir überquerten den Ofenpass (2.149 m) bei Zernez, den Albulapass (2.315 m) zum Naturpark Ela hinab sowie den Lenzerheidepass (1.549 m) Richtung Chur. Einen Umweg über den Klöntaler See und Pragelpass (1.550 m) nehmend, gelangten wir schließlich nach Schwyz. Von hier an ging es herrlich flach Richtung Zuger See und bald zum Zielort Windisch, etwa 35 km nordöstlich von Zürich gelegen. Abzüglich dreier Ruhetage – aber inklusive ausgiebiger Siestas während der Mittagshitze – belief sich die reine Reisezeit auf zwei Wochen. Dabei legten wir ca. 880 km und knapp 9.000 kumulative Höhenmeter zurück.

Um unsere neuen Reiseräder ausgiebig zu testen, erschien uns eine ebenso anspruchsvolle wie abwechslungsreiche Tour über die Alpen ideal. Nach kurzer Internetrecherche stießen wir auf die Via Claudia, eine alte Römerstraße, die das Alpenvorland mit der Adria verbindet. Zwar wird heute der Brenner als Handels- und Reiseroute bevorzugt genutzt, Radfahrer weichen jedoch gerne auf den hervorragend beschilderten Radweg der Via Claudia aus, deren Beschaffenheit vom Familienradweg bis hin zur Mountainbike-Strecke variiert und den Reschenpass überquerend entlang des türkisblauen Reschensees führt. Da uns Freunde im nordschweizerischen Windisch erwarteten, verließen wir die Via Claudia in Südtirol – um uns radelnd voll und ganz von der abwechslungsreichen Schweizer Berg- und Tallandschaften einnehmen zu lassen.

Wild zelten mit Blick auf Schloss Neuschwanstein
„Worüber denkst du während des Fahrens eigentlich nach?“, frage ich meinen Freund, während ich mich an einem Tee frisch gepflückter Pfefferminze wärme. Er zögert: „Eigentlich an nichts … außer an die vielen Dinge, die uns beim Radfahren begegnen.“. Die ersten Kilometer unserer Radreise liegen noch nicht einmal zwei Tage zurück – und doch bin ich weit entfernt vom Dschungel der Stadt und Monotonie des Alltags. Das Hier und Jetzt auf dem Rad blockiert jeden Gedanken an Arbeit und Studium, lässt Erkenntnisse über sich selbst kaum zu. Knapp drei Wochen durch die Alpen mit voll beladenen Rädern, das sei doch „kein Urlaub“, hatten sich manche Kollegen gesorgt. Nun aber fällt meinem Hirn erstmals auf, dass es nicht in den üblichen Denkmustern ackert, sondern minütlich neue Eindrücke verarbeitet und meine Beine wie automatisch in die Pedale treten lässt. Wir sitzen auf einem Hügel mit uneinsehbarem Plateau, der Wind rauscht durch das herrlich weiche, trockene Gras, weit entfernt erahnen wir das beleuchtete Schloss Neuschwanstein, die Lichter Füssens durchdringen die Dunkelheit. Einem Bauchgefühl folgend haben wir die Räder hier hinauf geschoben – und genießen nun die Aussicht von einem der schönsten Zeltplätze der Tour.
Wir wissen: Wildes Kampieren ist unterhalb der Baumgrenze nicht erlaubt. Und vielfach fragen wir auch Bauern nach einem Fleckchen Almwiese für unser Zelt. Doch ab und an nehmen wir das Risiko einer Entdeckung in Kauf, wenn sich der Ausblick lohnt. Nicht nur Zelt, Schlafsachen und Kochutensilien gehören zu unserem wichtigsten Reisegepäck. Auch ein 10-Liter-Wassersack erweist sich als ungemein nützlich, verfügen wir mit ihm doch über genügend Wasser zum Kochen und Waschen fernab der offiziellen Zeltplätze. Die Radtaschen, inklusive umfangreicher Fotoausrüstung, beanspruchen Räder und Muskeln mit 30 bzw. 25 Kilogramm. Doch lassen wir es langsam angehen, schließlich erleben wir ein letztes Sommerhoch mit Temperaturen über 30 °C.

„Eisbad“ im Reschensee
Nach einer ausgiebigem Nachmittagsrast wollen wir den ersten Pass nehmen, doch stellt sich der Fernpass als anspruchsvoller heraus als erwartet. Wir verfahren (und -laufen) uns auf den ungeteerten Pisten und haben doch recht arg mit dem geschotterten, steilen Abstieg im Dämmerlicht zu kämpfen. Belohnt werden wir mit einem frisch gemähten Modellflugplatz nahe des verträumten Nassereiths, ein ungewöhnlicher Lagerplatz. Tirol zeigt sich auch hier von seiner schönsten Seite: traditionsbewusst, aufgeräumt, idyllisch. Seit Jahrzehnten bewirtschaften die Bauern ihre Felder, halten Milchvieh und Pferde, obwohl viele Familien heute davon kaum mehr finanziell profitieren. Anders als in Deutschland hält sich die Landflucht in Grenzen; in manchen Alpenregionen beobachten Wissenschaftler gar eine Stadtflucht und die Rückkehr von Mittelstandsfamilien in teils entlegene Alpgemeinden.
Schon bald erreichen wir den Fuß des Reschenpass, dessen 11 Kehren – wie motivierend – nummeriert wurden und trotz Gepäck und Hitze doch recht entspannt peu à peu zu überwinden sind. Oben angekommen, entschädigt der Anblick des türkisblauen Reschensees für die Mühen des Anstiegs. Eingesäumt von vergletscherten Bergriesen, an deren unteren Hängen die Bauern das Heu einbringen, können wir einem Bad nicht widerstehen. Doch das Wasser ist eiskalt, es bleibt bei einem kurzem Abtauchen. Am Abend gönnen wir uns die erste richtige italienische Pizza der Tour, mit kühlem Weißwein und Blick auf den Ortler (3.905 m). Nach Pizza Nummer zwei, Apfelstrudel und noch mehr Weißwein fällt der Aufstieg aufs Rad doch etwas schwerer … Unser Zelt schlagen wir an einer Anhöhe unweit des Sees auf, noch lange nach Sonnenuntergang genießen wir die Stille der Berge, über deren Gipfeln die Sterne zu tanzen scheinen.

Das Vinschgau – Dschungel aus Apfelplantagen
Die Abfahrt ins Südtiroler Meran birgt zwei Überraschungen: zum einen unerwartet starken Gegenwind, der wie in einem Schornstein die warmen Hänge nach oben strömt; zum anderen die langwierige Suche nach dem geeigneten Zeltplatz. Im Trockental des Vinschgaus nutzen über 2.000 Familien die sonnigen Bedingungen zum Apfelanbau. 200.000 Tonnen, 5 Milliarden Äpfel werden jährlich geerntet: Obstplantagen soweit das Auge reicht. Wir zelten im Vorgarten eines Bauern inmitten des Apfeldschungels. Gegenüber liegt Schloss Juval, Sommerresidenz von Reinhold Messner.
Im „klimatischen Winterkurort” Meran legen wir den ersten Ruhetag ein. Gelegen in einem Talkessel, bieten die Gebirgszüge der Alpen Schutz vor kalten Nordwinden; an etwa 300 Tagen pro Jahr lacht hier die Sonne. Und wo einst Kaiserin Sissi im mediterranen Klima Erholung fand, tun wir es ihr nach! Auf dem „Sissi-Weg“ bummeln wir durch die Gässchen der Stadt, laben uns am Pensionsbuffet und italienischen Eis.

Südtirols Kampf um Autonomie
Allerdings scheint es vermessen, von „italienisch“ zu schreiben, wurde doch das vormals österreichische Tirol nach dem Ersten Weltkrieg geteilt und die Region südlich des Brenners Italien zugesprochen. Die deutschsprachigen Südtiroler gerieten zu einer Minderheit, die im Zuge einer zwangsweisen Italienisierung unter Mussolini arge Unterdrückung erfuhr. Deutsch wurde verboten, Schulkinder, Richter, Verwaltungsangestellte durften über Nacht einzig Italienisch sprechen. Italiener wurden angesiedelt, um die Südtiroler selbst in ihrer Heimat zu verdrängen. Auch ein Autonomie-Abkommen 1946 brachte faktisch nicht die gewünschte Unabhängigkeit. Erst 1992 schufen Österreich und Italien mit der „Europaregion Tirol-Trentino-Südtirol“ einen grenzüberschreitenden Wirtschaftsraum. Südtirol zählt heute zu den ökonomisch stärksten Regionen Italiens und verfügt über weitgehenden Autonomiestatus, auch in der Gesetzgebung. Öffentliche Stellen werden unter Berücksichtigung jeder Sprachgruppe der Bevölkerung besetzt, über 60 % der 500.000 Einwohner sprechen Deutsch, knapp 25 % Italienisch, 4 % gehören der ladinischen Sprachgruppe an.

Pässe stemmen in der Schweiz
Letztere begegnet uns ebenso an der schweizerisch-italienischen Grenze in Graubünden: Werbetafeln und Ortsschilder heißen Besucher in einer für uns seltsamen Mixtur aus Italienisch, Französisch und Spanisch willkommen, denn Ladinisch zählt zu den rätoromanischen Sprachen. Wir radeln entlang saftig grüner Almwiesen und gepflegter Dörfchen durch das wundervolle Val Müstair. Den doch recht steilen und verkehrsreichen Ofenpass hinter uns lassend, führt der Weg durch den Schweizerischen Nationalpark bis nach Zernez. Mit recht müden Beinen passieren wir das Hochgebirge des ebenso schönen wie rauen Albulapasses – glücklicherweise von La Punt aus kommend. Wählt man die entgegengesetzte Westanfahrt von Filisur, zieht sich der Aufstieg statt 9 anstrengende 22 Kilometer! Unentdeckt zelten wir an einem Grillplatz des Palpuognasees. Aufgeregt pocht hier das Fotografenherz meines Freundes: Die meisten Fotos der Tour entstehen an diesem grünblauen Idyll zwischen Nadelwald und Gebirgsmassiv.
Nach dem überschaubaren Lenzerheidepass stellen wir uns einer Herausforderung der besonderen Art: Auf Empfehlung eines Freundes schlagen wir einen Umweg über den verkehrsarmen Pragelpass ein – allerdings mit Magen-Darm-Infektion. Zu leichtfertig hatten wir zuvor Wasser aus einem Gebirgsbach getrunken, der jedoch eine Almwiese durchlief und von Kühen verunreinigt wurde … Anders ist dieses Malheur nicht zu erklären.

Am Zuger See stellen wir im dreischenden Regen unser Zelt auf und fallen in einen 12-stündigen Tiefschlaf. Tags darauf sind wir dankbar, ein Plätzchen auf einer privaten Anhöhe ergattert zu haben – nicht nur spendiert der Gartenbesitzer eine Tasse dampfend heißen Kaffees, auch sind alle umliegenden Wiesen überschwemmt. Während des gesamten Ruhetages hämmert der Regen auf unser Lager, erneut beweist das Hilleberg Nallo 2 GT seine Tauglichkeit.

Schweizer Kuchengenüsse
Herrlich flach und perfekt ausgeschildert geht es nun im Sonnenschein nach Windisch. Am Ziel empfangen uns unsere Schweizer Freunde aufs Herzlichste, zeigen uns den Weinberg der Familie und laden ein zum Wähen-Essen, ein saftiger, typisch schweizerischer Obstkuchen. Abend für Abend Zeltplätze mit Panoramablick, fast ausnahmslos sonniges Wetter, die Kraft und Qualität der neuen Reiseräder, welche uns durch herrlich abwechslungsreiche Gebirgslandschaften und Almwiesen mit Postkartendörfchen führten … „Wie war die Radtour?“, fragt ein Kollege einige Tage nach unserer Rückkehr. „Der schönste Sommerurlaub, den wir je hatten!“, finde ich und strahle.

Anreise:
Sowohl die Bahn als auch Fernbusse bieten kostengünstige Fahrten inklusive Radtransport nach Augsburg an. Da wir frühzeitig buchten, profitierten wir von einem günstigen Angebot der Deutschen Bahn, das nicht nur preislich die Fernbusse unterbot.
Auch die Fahrzeit gestaltete sich um einige Stunden (!) kürzer…

Geld:
1 Schweizer Franken entspricht derzeit etwa 93 Cent. Die Reisekosten sind in der Schweiz um einiges höher als in Deutschland (etwa das Doppelte).

Beste Reisezeit:
Zum Radfahren ideal sind Früh- bis Spätsommer. Die Alpenpässe sind teils bis in den Mai hinein verschneit.

viaclaudia
Hilfreiches Informationsportal zu Geschichte, Routen, Kosten und Veranstaltungen entlang der Via Claudia. Auch für Fernwanderer und Autoreisende!

veloland.ch/de/regionale-routen
Ermöglicht Radreisenden eine individuelle Routenplanung durch die Schweiz.

landschafts-schutzgebiete oder map.geo
Wer wild kampieren möchte, sollte sich einen Überblick über Wildschutzgebiete und Nationalparks verschaffen. Hier ist Zelten strengstens untersagt und die Buße empfindlich hoch.

  • Sonnencreme gegen die zu starken Strahlen
  • warme Kleidung, denn morgens und abends wird es recht frisch, teils unter 0 °C
  • Wasserfilter, das Wasser sollte vorm Trinken sauber sein
  • Wassersack, damit lässt sich das Wasser für den Tag prima aufbewahren, wenn keins in der Nähe ist.

bikeline Radtourenbuch (2015) „Via Claudia Augusta: Von der Donau über die Alpen an die Adria“.
Wie bei bikeline üblich, verfügt der Radführer über präzises Kartenmaterial (1:75.000), ist reiß- und wetterfest. Übernachtungstipps und GPX-Tracks inklusive.

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