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St. John’s

St. John’s

Manchmal lässt sich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Im März dieses Jahres war ich in Neufundland unterwegs, auf einer Mischung aus Urlaubs- und Forschungsreise. Nachdem ich bereits in 2011 für acht Monate in St. John’s lebte und dort studierte, wollte ich seit geraumer Zeit wieder in den Nordosten Kanadas zurückkehren. Ein zufälliges Zusammentreffen mit dem neufundländischen Schriftsteller Michael Crummey entzündete die lange vor sich hinschwelende Glut zu einem regelrechten Feuer. Und so trieb es mich im März wieder nach St. John’s, in meine alte Heimat, einen Ort voller Musik, Poesie, farbenprächtiger Häuserreihen und zerklüfteter Küstenlinien. Und mit einigen der liebenswürdigsten Menschen, die man sich vorstellen kann.

Neufundland ist ein abgelegenes Fleckchen Erde oder vielmehr Fels. Nur wenige verirren sich auf den „Rock“, doch viele Besucher zieht es nach einem ersten Einblick immer wieder hierhin zurück. Ich weiß eigentlich auch nicht warum, denn es ist doch ziemlich kalt und eisig. Um nicht zu sagen: frostig, doch stehen die niedrigen Umgebungstemperaturen in einem starken Kontrast zur sprichwörtlichen Freundlichkeit der Neufundländer, die auch in Kanada als unfassbar gastfreundlich bekannt sind. Im Frühjahr und Sommer sind vor allem die Wale und Eisberge Anziehpunkte für Touristen, die meistens via Kreuzfahrtschiff in der Stadt landen. Das kleine St. John’s hat kulinarisch, artistisch und kulturell eine Menge zu bieten und ist trotz – oder gerade wegen – seiner kleinen Größe eine große Kleinstadt, die alles hat, was man von einer Provinzhauptstadt erwartet (und mehr). In Gros Mourne und entlang der Küsten gibt es erstklassige Wandermöglichkeiten. Insgesamt empfehle ich mindestens zwei Wochen als Urlaubszeit und mindestens 5 Tage für St. John’s. Es gibt viel zu entdecken und insbesondere im Sommer ist eine Menge los (wer Livemusik mag, dem sei das George Street Festival wärmstens ans Herz gelegt). Und wer Glück hat, kann vielleicht auch Russell Crowe auf den Straßen begegnen …

Kosmopolitisches St. John’s
Mit etwas über 100.000 Einwohnern ist St. John’s die Provinzhauptstadt von Neufundland und Labrador. Sie ist am Rand der Avalon Peninsula gelegen und es gibt hier eine Menge zu sehen und zu erleben: Als kleiner Mirkrokosmos ist St. John’s das Zentrum der neufundländischen Künstler-Szene. Hier pulsiert das Leben – auch oder gerade dann, wenn ein starker Sturm, wie etwa diesen März, ca. 80 % der örtlichen Stromversorgung flachlegt. Dann heißt’s eben: zum Nachbarn kuscheln geh’n. Die Stadt hat eine lebendige Szene; von den täglichen Konzerten in den zahlreichen Pubs abgesehen, gibt es haufenweise Festivals. In den letzten Jahren hat sich auch die Literatur teilweise von der ursprünglichen Romantisierung der Fischerdörfer emanzipiert und geht nun neue, mitunter kosmopolitische Wege.
Kulinarisch hat die Stadt richtig was zu bieten (Tipps siehe unten). Egal ob Fisch, Fleisch oder vegetarisch – die Zunge kommt hier stets auf ihre Kosten. Seit der kanadischen Crime-Serie „Republic of Doyle“ hat sich St. John’s zudem zu einem Hub der kanadischen Film-Branche entwickelt. Hier gibt es pro Quadratmeter wohl mehr Leute, die im Filmbusiness arbeiten als in jeder anderen kanadischen Stadt. Das gleiche gilt wohl auch für SchriftstellerInnen und vor allem Musiker.
Noch vor einigen Jahren ging es St. John’s dank des Öl-Booms so gut wie nie zuvor. Seit dieser Rohstoff aber eher wieder am Meeresboden liegt, hat die Stadt mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. So ist das Leben in St. John’s und in Neufundland generell definitiv ein zweischneidiges Schwert. Doch wer das Raue mag und an einem Einblick in eine irisch-britisch-kanadisch-neufundländische Kultur interessiert ist, dem wird es in St. John’s sehr gefallen.

The Battery & Signal Hill
Egal wie viel oder wenig Zeit man in St. John’s verbringt: Es lohnt sich immer, Signal Hill und die Battery zu besuchen. Letztere ist der Name für eine kleine Ansammlung farbenprächtiger Häusern unweit des Hafens der Stadt. Durchquert man die Battery, gelangt man zu einem kleinen Steig, der einen in einer ca. 45-minütigen Wanderung hinauf auf Signal Hill führt. Dort erwarten einen die ehemalige Bastion und Cabot Tower, von dem aus 1901 das erste Telegramm-Signal von Europa aus empfangen wurde. Auf diesem kurzen Wanderweg kann man Neufundland in aller gepfefferten Würze erleben: Starke Winde pfeifen einem durchs Ohr, riesige Öl-Versorgungsfrachter passieren die enge Hafeneinfahrt, Möwen kreischen, und vielleicht kann man sogar das Weißkopfseeadler-Paar erblicken, das sich vor Kurzem in der Nähe niedergelassen hat. Vielleicht sieht man aber auch gar nix – und das wäre auch sehr typisch: Nebel gibt es oft und dann ist es durchaus gefährlich, auf dem Signal Hill Trail unterwegs zu sein. Generell gilt hier dasselbe wie in Schottland: Ist das Wetter schlecht, einfach warten, es wird sich schon sehr bald wieder ändern. Ist das Wetter klar, kann man vom Signal Hill aus eine herrliche Sicht auf St. John’s und den Atlantik genießen. Danach dann die Wanderung im nahen Quidi Vidi Village ausklingen lassen, wo lokales Bier gebraut wird. Eine wirklich schöne Wandermöglichkeit nur wenige Schritte von der Innenstadt entfernt.

Für Foodies und Connoisseurs
Für Gourmets und den Connoisseur von Welt ist St. John’s ein wahrgewordener Traum. All jene, die mit dem meist gigantischen Restaurant-Angebot einer Großstadt á la Toronto oder Vancouver vielleicht etwas überfordert sind, werden sich über das komprimierte kulinarische Angebot der Stadt freuen. Auf Duckworth und Water Street tut sich ein kulinarischer Mirkokosmos auf, der einem das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Hier ist für jeden etwas dabei: Raffinierte vegetarische Gerichte finden sich in der Sprout, bei Pi sind die Pizzen nicht nur gigantisch groß sondern wirklich origiginell und erfrischend anders. Kaffeeliebhaber schauen bei der Rocket vorbei, das neben koffeinhaltigen Spezialitäten auch hervorragende Sandwiches, Suppen und vor allem hervorragende Fishcakes anbietet. Dienstags finden sich zur Mittagszeit stets ein paar Musiker ein und veranstalten hier eine kleine Kitchen Party. Sehr cool. Viele Künstler hängen seit Neustem auch bei fixxed ab: starker Espresso, großartige Brownies. Viele ‚Apfel-Laptops‘.
Vor allem Fisch-Liebhaber kommen in St. John’s natürlich auf ihre Kosten; Fisch gibt es in den Supermärkten auch frisch zu kaufen. Und der ist wirklich frisch, der Fisch. Fish & Chips gibt es häufig, wohl ein Überbleibsel des britischen Einflusses. Wo es die besten gibt? Darüber lässt sich streiten. Ches’s ist mein persönlicher Favorit, bei anderen wird der Duke of Duckworth ganz hoch gehandelt. Was dahingegen außer Frage steht, ist, dass es beim G’overner einfach unfassbar leckere Elch-Burger gibt.
Dabei sei angemerkt, dass der Elch in Neufundland ursprünglich gar nicht heimisch war und erst vom Menschen eingeführt wurde, der etwa parallel dazu den heimischen Wolf ausrottete. Seither bereichern Elche immer wieder die Speiseplatten der Neufundländer, da es einfach sehr viele Elche gibt. Es sei abschließend bemerkt, dass nicht alles, was gut ist, auch teuer sein muss. Viele der lokalen Geheimtipps (International Flavours: indisch, einfach köstlich) bieten große Portionen für faire Preise.

Tagesausflugsziele: Cape Spear, Ferryland & die Irish Loop
Es lohnt sich von St. John’s aus die Gegend zu erkunden, entweder, indem man per Anhalter fährt (man wird schnell mitgenommen) oder sich ein Auto mietet. In näherer Umgebung finden sich mehrere lohnenswerte Ausflugziele:
⇒ Cape Spear ist der östlichste Punkt des nordamerikanischen Kontinents; ein großer Leuchtturm inmitten einer windumpeitschten Bucht; genau das Richtige für einen Nachmittagsausflug
⇒ Ferryland ist das Leuchthaus für die Gourmets; dort wird man mit einem Picknickkorb ausgestattet, den man dann in aller Ruhe auf der Landzunge leeren kann, während man Walen und Schafen beim Spielen zuschaut (und die hausgemachte Limonade ist einfach großartig!)
⇒ Die Irish Loop im Süden der Avalon Peninsula ist eine Ansammlung hübscher Dörfer, die allesamt sehenswert sind; sie lassen sich gut mit dem Auto erkunden.

Wandern auf dem East Coast Trail
Der insgesamt ca. 540 km lange East Coast Trail führt an St. John’s vorbei und ist bei Einheimischen wie Touristen recht beliebt, wobei einzelne Abschnitte des Trails gern für Tagesausflüge genutzt werden. Man kann das Gegenstück zum West Coast Trail auf Vancouver Island auch in seiner Gänze erwandern, allerdings ist dann etwas Vorbereitung sehr ratsam, da sich nicht in allen Fischerdörfern Verpflegung erstehen lässt. Bei Outfitters (dem lokalen Outdoor-Laden) gibt’s die besten Karten. Leider nicht als Buch, sondern alle Tagesetappen einzeln, dafür schön detailliert. Der East Coast Trail ist vom Charakter her ein wenig wie Nordschottland – wüst, wild und urschön. Man wandert meilenlang entlang der Küste, es geht berauf, bergab und zwischendrin kommt man immer wieder an Außenposten der Zivilisation vorbei. Wie überall auf Neufundland kann man hier auch Elchen begegnen, sowie Weißkopfseeadlern, Walen und Bibern.

Gros Morne National Park und L’Anse aux Meadows
Wer die Idee mit dem Mietwagen noch etwas weiterdenken möchte oder per Anhalter durch Neufundland reisen will, dem seien noch zwei besonders schöne Destinationen ans Herz gelegt: In L’Anse aux Meadows wurde eine ehemalige Vikinger-Siedlung wieder aufgebaut. Im Sommer sind dort als Nordmänner verkleidete Schauspieler unterwegs, die das Leben aus längst vergangenen Tagen nachstellen – insbesondere mit Kindern sehr reizvoll. Und schließlich eines der Highlights zum Schluss: Der Gros Morne National Park ist eine der schönsten Ecken der Insel mit wundervollen Wandermöglichkeiten. Die Winter sind lang, die Fjorde tief, die Elche zahlreich. Was will man mehr?

Beste Reisezeit
Im Winter ist das Wetter sehr launisch und kalt, die meisten Menschen kommen daher in den Sommermonaten nach St. John’s. Dann kann man Wale beobachten und Eisberge sichten. Es schneit oft noch bis in den April hinein, zum Wandern ohne Schnee ist daher Mai/Juni bis September gut geeignet.

Sprache
Englisch (Französisch wird in Neufundland nur vereinzelt gesprochen)

Währung
Kanadische Dollar; der Kurs steht für europäische Reisende derzeit (Stand März 2017) sehr gut (1 € um die 1,44 CAD)

Anreise
Per Flugzeug von den großen Flughäfen (Berlin, Frankfurt, München) aus nach London. Von dort aus geht es dann entweder via Direkflug (teurer) oder über Toronto (günstiger) nach St. John’s. Günstige Flüge über skyscanner.

Richtiger Flughafen
Es kommt immer wieder vor, dass jemand aus Versehen nicht ins neufundländische St. John’s (YTT) fliegt, sondern ins namensverwandte Saint John (YSJ) in New Brunswick. Das sind ca. 1700 km Entfernung (ca. so weit wie von Bordeaux nach Prag). Also Obacht beim Ticketkauf, nach Neufundland geht’s via YTT.

Einreise
Für einen Besuch in Kanada brauchen Europäer kein Visum. Für die Einreise mit dem Flugzeug benötigt ihr seit Nov. 2016 allerdings eine eta (electronic travel authorization). Die könnt ihr ganz unkompliziert online beantragen, kostet 7 CAD und wird dann automatisch mit dem Reisepass verlinkt (man muss auch nix ausdrucken).

Hitchhiken
Ist auf Neufundland sehr einfach und wird auch gern von jungen Leuten genutzt.

Infos und Beantragung der eta zur Einreise in Kanada
eta-facts

George Street Festival
festivals

East Coast Trail
eastcoasttrail

Für Neufundland ist unabhängig von der Jahreszeit eine regenfeste Jacke absolut Pflicht.
Wasserfestes Schuhwerk ist ebenfals sehr ratsam.
Wer gerne an den Küsten entlang wandern möchte, ist mit Stöcken gut bedient, da es viel bergauf- und ab geht.

Literatur: 
Für alle, die sich vorab schon mal ein wenig einstimmen möchten, hier ein paar lesenswerte Bücher von Autoren aus St. John’s und Neufundland:
Open, Lisa Moore (Kurzgeschichten); February, Lisa Moore; Barreling Forward, Eva Crocker (Kurzgeschichten); Come, Thou Tortoise, Jessica Grant; River Thieves, Michael Crummey

Musik:
Hey Rosetta! (Rock)
Great Big Sea (Folk)

Film:
Republic of Doyle (Crime-Serie, 6 Staffeln)

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