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Ein kleiner Kletterknigge oder wie man sich (keine) Freunde am Berg schafft

Ein kleiner Kletterknigge oder wie man sich (keine) Freunde am Berg schafft

Pfingsten steht vor der Tür und damit gibt es für einige unter uns 4 Tage und mehr Urlaub. Auch wenn die Prognosen für unsere Gegend nicht so perfektes Kletterwetter prophezeien, wird es doch viele an die Wand ziehen, egal ob ins Fränkische, Sächsische oder etwas weiter weg südlich der Alpen. Alle freuen sich darauf, den Magnesiawolken der Hallen zu entfliehen – frische Luft ist angesagt. Unter denen, die es jetzt auch rauszieht, sind sicherlich auch ein paar Newbies, die den Weg von den farblich markierten Routen gespickt mit Plastegriffen an den rauen Fels wagen werden – ohne Kennzeichnung des Wegverlaufs. Für sie, aber nicht nur für sie, schlagen wir den Kletterknigge auf.

Sächsischen Kletterern ist die teufelsturm.de-Seite keine unbekannte. Neben vielen Infos zu den Kletterrouten im Elbsandstein und Kommentaren all derer, die versucht haben, den Hinweisen zu folgen, ist eine Rubrik auch dem richtigen Benehmen am Felsen gewidmet. Am Himmelfahrtstag musste ich mal wieder daran denken, als es uns zum Klettern ins Bielatal gezogen hatte. Neben der zu erwartenden Geräuschkulisse der feiernden männlichen Zunft, die zu dem Tag gehört, wurden wir auch gut vom etwas entfernt stehenden Nachbarfelsen beschallt, an dem auch wir ursprünglich klettern wollten. Wir konnten genau nachvollziehen, wer in der großen Seilschaft zu welchem Zeitpunkt wo am Felsen war, egal ob es für ihn gerade nach oben oder doch auch schon wieder nach unten ging. Nun sind die Gipfel im Bereich um die Ottomühle herum nicht so hoch und zumindest an der Stelle gut einsehbar, dass dieses Anschreien zur besseren Verständigung irgendwie mehr als fehlplatziert wirkte. Während ich versuchte, daran vorbeizuhören, fiel mir ein alter Artikel ein, den ich vor Jahre schon mal gelesen und über dessen Sinn und Unsinn wir beim Rotwein philosophiert haben.


Also habe ich, zu Hause angekommen, noch mal einen Blick auf die Benimm-Rubrik auf der Teufelsturmseite geworfen, die, wenn ich es richtig sehe, letztmalig 2011 bearbeitet worden ist. An Aktualität hat ihr „Kletterknigge“  wohl trotzdem bis heute nichts eingebüßt.

Offiziell wird seit dem 6.3.1864 im Elbsandstein geklettert und bereits mit den ersten sächsischen Kletterführern wurden Verhaltensregeln fürs Gebirge festgelegt. Die Zeiten haben sich geändert, die Kleidung und die Ausrüstung auch und es ist deutlich voller im Gebirge geworden. Es stehen nicht mehr nur Männer am und auf dem Felsen, sondern nun machen sich auch ganze Familien auf den Weg ins Elbtal.

Die Teufelstürmer haben vor ein paar Jahren bereits in ihrem Kletterbucharchiv gestöbert und als Ausgangspunkt für ihre Überlegungen zum richtigen Verhalten am Fels auf das 1961 erschienene Buch „Der Sächsische Bergsteiger“ zurückgegriffen. Unter der Kapitelüberschrift „Und noch ein paar Gebote“ setzen sich die Autoren des alten Kletterführers mit Umgangsformen auseinander, die heute genauso wie damals für den (sächsischen) Bergsteiger gelten sollten. Diese Gebote (kursiv aus „Der sächsische Bergsteiger“ zitiert) sind bei den Teufelstürmern als „Kletter-Knigge“ für alle diejenigen aufgeführt, die im Umgang miteinander als faire Bergkameraden auftreten möchten, sich aber nicht sicher sind, was das nun immer ausmacht. Und sie wurden von ihnen um ein paar – wie sie hoffen – Hinweise ergänzt.

-„In den Bergen bist du kein Minister, kein Werkdirektor, und deine dicke Brieftasche interessiert überhaupt nicht. Du musst ein ganzer Kerl sein, sonst wirst Du wieder nach hause geschickt.
Du darfst ehrgeizig sein und  – wenn Du die Eignung dazu hast – nach der Durchsteigung der extremsten Wege streben, aber du darfst niemals damit angeben.
Auf die heutige Zeit übertragen: Unerträgliche Selbstdarsteller, die unüberhörbar für jeden in der Nähe befindlichen lauthals verkünden, dass da ganz tolle Fotos von ihnen an der Seifenblase gemacht wurden, sollten geflissentlich ignoriert werden.

-Verrichte deine Notdurft nicht so, dass andere unbedingt hineintreten müssen.
Es sind in den seltensten Fällen unbedarfte Wanderer, die Kletterzustiege mit dem Trampelpfad zum WC verwechseln, vielmehr (Auch-)Kletterer, die sich keine 3 m vom Einstieg hinhocken, anstatt außerhalb von Sicht- und Riechweite. Mit ganz einfachem Scharren mit den Füßen kann man verhindern, dass Papier dekorativ durch den Wald flattert, Einlagen und Windeln haben im Wald nichts zu suchen. Seinen Müll und die Flaschen, die man voll den Berg hinaufgetragen hat, sollte man auch leer wieder mit zurücknehmen können.

-Rede fremden Seilschaften beim Klettern nicht dauernd hinein. Andere verstehen auch etwas davon, und am Felsen sieht es meist etwas anders aus als von unten.
Wenn die Seilschaft natürlich einen unsicheren Eindruck macht und man selbst den Weg (und vielleicht dessen Gefahr) kennt, dann ist eine einfache Frage schon angebracht. Ein richtiger Kletterer wird die Frage, ob man wisse, worauf man sich einlässt, richtig verstehen und antworten. Eine höflich gestellte Frage nicht zu beantworten zeugt von schlechtem Gewissen und Unsicherheit.
Grundsätzlich gehört es sich nicht, unaufgefordert Lösungen zu Schlüsselstellen oder Schlingen zu verkünden und damit darzustellen, dass man den Weg schon geklettert hat. Für viele ist das eigenständige Lösen eines Problems wichtiger als ein schneller, erleichterter „Erfolg“.

-Wege besetzen: Wer als erster sein Seil an den Einstieg legt, hat damit das Anrecht auf diesen Weg. Es ist aber grob unhöflich, das zu tun, wenn sichtbar ist, dass sich eine Seilschaft für diesen Weg bereits vorbereitet. Eine kurze Frage „Was wollt Ihr machen?“ und eine kurze Antwort „den …weg“ klärt (fast) alles auf.
Überhaupt – Kommunikation und Rücksichtnahme sollten selbstverständlich sein, wenn es um das Überholen einer Seilschaft geht, um das Nachholen an einem gemeinsamen Sicherungspunkt, um das Abgeben und Übernehmen einer Sicherung. Wenn bereits eine Seilschaft schon einen (langen) Weg klettert und man glaubt schon einsteigen zu können (oder zu müssen), dann tritt man dem letzten Nachsteiger nicht auf die Hacken, sondern hält gehörigen Abstand (mindestens 3 Meter). Am Ring ist man dann immer der Spätgekommene und hat sich um größte Rücksichtnahme gegenüber der ersten Seilschaft zu bemühen!
Es ist hochgradig unfair, einen Weg mit eingehängtem Toprope-Seil zu besetzen, ohne dass jemand klettert. Gerade bei größeren Gruppen kann man das nicht koordinieren; daher sollte es sich gehören, Seile bei Nichtbenutzung sofort abzuziehen, auch wenn jemand da noch klettern will, der aber sich gerade in einem anderen Weg müht. (Natürlich kommt das auf die konkrete Situation an: Ist man in menschenleerer Gegend, dann kann das Seil bis zum Schluss hängenbleiben, oder stehen schon andere Seilschaften hinter einem…)

-Hunde als Freund des Menschen – das sieht nicht jeder so. Hundebesitzer und diejenigen, die den Umgang mit Hunden gewöhnt sind werden kaum etwas dabei finden, wenn Kletterer ihren Hund mitführen und in der Natur auch frei laufen lassen (von der Zulässigkeit im Nationalpark mal abgesehen). Wer aber  – begründet oder unbegründet – Angst vor Hunden hat, für den ist eine Begegnung mit einem unangeleinten Hund, vielleicht gar noch auf engem Bergpfad außer Sichtweite von Herrchen, eine Horrorvorstellung, bei der Panikreaktionen nicht auszuschließen sind! Wird der Hund zur Bewachung des Lagerplatzes angeleint, dann diesen bitte so legen, dass weder Kletterzustieg noch Abseile in seinem Bereich liegen. Und zu den unvermeidlichen „Hinterlassenschaften“ gilt das gleiche wie in den obigen Geboten: Es ist vielleicht nicht notwendig, sie aufzusammeln; auf dem Bergpfad haben sie nicht zu suchen, die drei Schritte ins Abseits müssen möglich sein!

-Kinder am Fels sind eine komplizierte Sache. Richtig angeleitet und ernst genommen wird man erleben, dass Kinder diszipliniert, nicht zickig, nicht zeternd und bereit sind, Unangenehmes in Kauf zu nehmen. Werden sie jedoch nur als notwendiges Übel mitgenommen, dann sind Geschrei und Gefahr vorprogrammiert. Kleine Kinder, alleingelassen, sind nicht berechenbar. Angebunden können sie sich erdrosseln, im Rucksack findet sich eine Plastetüte für den Kopf – alles schon erlebt und knapp Schlimmeres verhindert!



Soweit so gut, ich möchte an der Stelle hier nicht alle Gebote und Kommentare aufführen, das würde eh zu weit führen. Die Toprope-Diskussion hat bereits die sächsische Kletterwelt gespalten. Wer mehr über die alten Gebote inklusiver aktueller Auslegung lesen will, der sollte einfach mal hier klicken. Da erfährt dann auch der kletternden Nichtsachse oder Newbie mehr zum Verhalten auf dem Gipfel im Hinblick auf Gipfelbucheintragung und dem traditionellen Grüßen aller Anwesenden auf dem Felsen. Über einiges davon kann man sicherlich nur den Kopf schütteln. Dass dies überhaupt in Worte gefasst und niedergeschrieben werden musste… Und auch wenn diese, sagen wir: Hinweise zum Handeln, auf den ersten Blick allgemeiner gehalten sind als die Sächsischen Kletterregeln (letzte Aktualisierung 2014), greifen sie aber bei genauerem Lesen weiter, weil sie auch außerhalb von Sachsen ihre Gültigkeit haben.

Peter Brunnert hat sich auch vor ein paar Jahren einmal mit dem Thema auseinandergesetzt und in einem seiner sehr treffenden Texte unter der Rubrik „Was nervt“ die ihn störenden Sachen zusammengefasst. In einem Interview mit Ralph Stöhr berichtete er, dass es nach einem Vorabdruck schon mal zu heftigeren negativen Reaktionen gekommen sei. Das wollen wir natürlich nicht mit diesem Blogbeitrag provozieren, noch will ich moralinsauer irgendwie einen Zeigefinger erheben. Wir wollen alle unseren Spaß haben, egal ob wir solo, mit Kletterpartner oder in der Gruppe beziehungsweise mit der Familie unterwegs sind. Uns interessiert, wie ihr darüber denkt und wie das bei euch so mit der Toleranz, der Gesprächsbereitschaft und den Traditionen im Umgang aussieht.

 

 

 

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