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Wolle im Fokus – Teil I: Ein Wunder der Natur

Wolle im Fokus – Teil I: Ein Wunder der Natur

Der Wolltapir ist eine seltene Spezies, die vor allem im sächsischen Tiefland verbreitet ist und sich bevorzugt von Süßigkeiten, Trailmix und Outdoor-Fertiggerichten ernährt. Einige Exemplare wurden vor Kurzem angeblich auch an der Ostseeküste gesichtet, manche sollen sich sogar bis nach Schweden verirrt haben. Über die Fellfarbe sind sich Wissenschaftler uneinig, festzustehen scheint lediglich, dass Wolltapire ihre Farbe schnell wechseln können und sehr variantenreich sind.

Nun gut, es ist wohl kaum zu leugnen: Viele von uns tapiren (aber auch bei Weitem nicht alle!) mögen Wolle. Manche tragen sie nur im Winter bei frostigen Temperaturen, andere das ganze Jahr über als erste Schicht. Aber warum ist Wolle im Outdoor-Bereich eigentlich so beliebt? In einer kleinen Mini-Serie wollen wir dieses wundervolle Material genau unter die Lupe nehmen.

In diesem ersten Teil dreht sich alles um Wolle an und für sich, ihre Vor- und Nachteile und warum sie für uns so spannend ist. Im zweiten Teil werden wir uns voller Hingabe der Wollpflege widmen und im dritten (und auf den freu‘ ich mich schon ganz besonders!) gehen wir dem Ursprung der Wolle auf den Grund und werfen einen Blick auf ökologisch und sozial relevante Faktoren.

Wolle kennen viele schon von Kindesbeinen an, zumeist in der Form von Omas handgefertigten Socken oder Pullovern. Mit viel Liebe gestrickt, doch ohne dickes Fell oder hohe Kratzresistenz nahezu untragbar. Diese Form von Wollbekleidung gehört im Outdoor-Bereich längst der Vergangenheit an. Mit der Verwendung von feinerer, weniger kratziger Merinowolle ist Wolle schon seit längerer Zeit überaus populär und hat als Naturmaterial viele Freunde gefunden. Mittlerweile wird Wolle sogar nicht nur bei Funktionsbekleidung eingesetzt, sondern ist auch Teil neuer innovativer Outdoor-Lösungen wie etwa bei den Grüezi Bag Schlafsäcken.

Alle Wolle, so auch Merino, ist im Grunde Schurwolle, da sie vom lebenden Schaf geschoren wird. In der Outdoor-Industrie wird dieser Begriff allerdings immer weniger verwendet, um Assoziationen mit Omas liebevoll angefertigten (aber unangenehm kratzigen) Pullovern zu vermeiden. Dabei bringen unterschiedliche Verarbeitungsweisen auch unterschiedliche Eigenschaften mit sich, wie z. B. bei Icebreaker Corespun oder Mufflons gewalkter Wolle.

 

Merinowolle bietet eine Reihe an Vorteilen, die vor allem auf die komplexe Struktur der Faser zurückzuführen sind.  Das Innere der Wollfaser besteht aus Keratin, einem Protein, aus dem u. a. auch die menschlichen Haare zusammengesetzt sind. Dieser Kern ist wasserliebend und nimmt bei schweißtreibenden Aktivitäten Feuchtigkeit auf.

Die Oberfläche der Merinowollfaser wiederum hat eine schuppige Außenstruktur. Im Gegenteil zum Faserkern ist diese Schuppendecke (Cuticula) wasserabweisend. Dank winzig kleiner Poren kann Wasserdampf durch diese Außenhülle ins Innere der Faser gelangen bzw. daraus entweichen. Auf diese Weise kann Wolle bis zu 30-35 % ihres Eigengewichts an Feuchtigkeit aufnehmen, bevor sie sich feucht anfühlt (Synthetikfaser schon ab ~7 %).

Die Faser nimmt beim Schwitzen Feuchtigkeit auf und speichert sie im Inneren, sie fühlt sich für uns daher nicht feucht an und wärmt auch im nassen Zustand. Wenn die Fasern aneinander reiben, ergibt sich durch die schuppige Struktur zudem ein praktischer Selbstreinigungseffekt.

Die äußerste Schicht der Wollfaser (Epicuticula) liegt wie eine dünne Fettschicht um die Schuppendecke und wirkt somit wie eine natürliche Imprägnierung der Wollfaser, weswegen man auch kleine Wassertropfen auf der Oberfläche sehen kann, wenn man Wolle mit Wasser bespritzt.

 

 

Diese Konstruktion von Mutter Natur hilft dem Schaf – und uns – dabei, sich sowohl bei niedrigen als auch bei hohen Temperaturen wohl zu fühlen. Die Wollfaser ist bestrebt, stets für Temperaturausgleich zu sorgen. Diese temperaturregulierenden Eigenschaften sind ideal für den Einsatz im Outdoor-Bereich: Durch die gekräuselte Struktur der Merinofaser bilden sich zahlreiche isolierende Luftpolster, die im Winter vor Kälte und im Sommer vor zu großer Hitze schützen. Streng genommen hält Wolle gar nicht warm, sondern sorgt einfach dafür, dass wir unsere Körperwärme nicht an die Außenwelt abgeben. Wird einem doch zu heiß, nimmt die Wollfaser den entstehenden Schweiß durch ihre Poren auf und gibt ihn nach außen ab. Die dabei entstehende Verdunstungskälte wirkt wiederum leicht kühlend.

Ein weiterer maßgeblicher Vorteil von Merinowolle ist ihre geringe Geruchsentwicklung. Sie stinkt nicht, da sich die in der Faser befindenden Proteine jeglicher Bakterien annehmen und Gerüche durch die Poren der Außenschicht entweichen können. Wer Wolle lange trägt, wird dennoch feststellen, dass sie irgendwann diesen typischen „feuchte-Wolle-Geruch“ annimmt; dieser ist jedoch Welten vom Gestank eines durchgeschwitzen Kunstfaser- oder Baumwollshirts entfernt.

Die bereits erwähnte schuppenartigen Struktur hat noch einen weiteren Vorteil: Einen eingebauten UV-Schutz, der je nach Verarbeitungsart und Webtechnik zwischen UPF 30+ und UPF 50+ variieren kann. Das macht Wolle auch für jeden interessant, der in großen Höhen unterwegs sein will.

Merinowolle ist außerdem feuerfest, d. h. sie fängt nicht so schnell Feuer wie einige synthetische Materialien. Merinowolle brennt nicht richtig, sondern glüht lediglich. Beim Lagerfeuer muss man sich also keine Sorgen um Funkenschlag machen (ganz anders als bei Fleece, das liebend gerne Feuer fängt).

Abschließend ist das schöne an Wolle, dass es ein Naturprodukt und somit komplett recycelbar ist. Und gerade weil echte Lebewesen hinter der Merinowolle stehen, spielt es natürlich eine entscheidende Rolle wie mit ihnen umgegangen wird (darauf werden wir im dritten Teil näher eingehen). Als Naturprodukt muss Merinowolle weder künstlich imprägniert noch gegen Gerüche behandelt werden. So werden Ressourcen gespart und es braucht weniger Chemikalien (wie z. B. Silberionen, die teilweise als Anti-Geruchsmittel bei Synthetikfasern verwendet werden). Auch kann man Wolle, wenn man möchte, sehr spärlich waschen, was wiederum Energie in Form von Strom und Wasser spart.

Die Weichheit von Merinowolle wird oft als einer der großen Vorteile der entsprechenden Produkte dargestellt. Im direkten Vergleich zu regulärer Schurwolle ist Merinowolle auch tatsächlich weitaus feiner und kuscheliger. Ich persönlich finde sie auch sehr angenehm, doch ist das Empfinden hier individuell sehr verschieden. Wolle kann kratzig sein. Und auch wenn Merinowolle normaler Schurwolle in puncto Weichheit haushoch überlegen ist, ist es vom Tragegefühl her einfach nicht jedermanns Sache. Wie kratzig sich Wolle letztlich anfühlt, hängt von der Dicke der Faser ab, die in Mikron (Mikrometer = 1 tausendstel Millimeter) angegeben wird. Feine Merinowolle hat einen ungefähren Wert von 15-23 Mikron, ein menschliches Haar liegt zum Vergleich bei etwa 60. Ab 25 Mikron empfinden die meisten Menschen Wolle als unangenehm. Für Unterwäsche wird in der Regel sehr feine Merino verwendet, die etwa einen Wert von 18-19 Mikron (Ortovox) aufweist. Da hilft einfach nur selber Anprobieren (für ‚Fasermimosen‘, wie der Ander so schön sagt, gibt es auch supersofte Varianten von Ortovox, siehe seinen Erfahrungsbericht hier).

Im Vergleich zu synthetischen Fasern ist die Wollfaser weniger widerstandsfähig und nicht im gleichen Grad belastbar. Bei dickerer Merino-Bekleidung macht sich das eher selten bemerkbar, wohl aber bei manchen der dünneren Unterwäsche-Teile. Daher gehen immer mehr Hersteller dazu über, die Wolle mit Elastan oder Polyamid zu kombinieren. Das Ullfrotte Material von Woolpower (70 % Merinowolle , 28 % Polyamid, 2 % Elastan) ist beispielsweise deutlich widerstandsfähiger als vergleichbare Kleidungsstücke, die ausschließlich aus Merino bestehen.

Wird Merino-Wolle zu dünn verarbeitet, können daher Löcher entstehen. Laut Icebreaker entstehen Löcher oftmals durch mechanische Reibung, die vor allem beim Waschen auftritt – daher sollte man dünne Merinoteile unbedingt im Waschbeutel waschen. Mechanische Reibung kann jedoch auch durch das bloße Rotieren in den Waschmaschinen entstehen, daher empfiehlt es sich hohe Drehzahlen zu vermeiden. Für Touren mit schwerem Gepäck würde ich persönlich auf allzu dünne Merinobekleidung (150er Stärke) im Oberkörperbereich eher verzichten, da durch die Belastung der Trageriemen die Shirts im Schulterbereich sonst zu schnell durchscheuern. Die 200er Serien sind hier bereits deutlich stabiler und können schon einen riesigen Unterschied in Sachen Langlebigkeit machen.

Die Hersteller sind sich dieser Problematik bewusst und versuchen ihr entgegenzuwirken, z. B. mit Icebreaker Corspun.

Um die Merinofaser zu unterstützen, hat sich Icebreaker etwas Besonderes einfallen lassen: Die Merinowolle wird um einen Nylonfaden gesponnen, die Struktur wird so verstärkt, zugleich befindet sich immer noch die weiche Merinowolle am nächsten an der Haut. Damit das Material schön elastisch wird, werden ca. 4-5 % Elastan oder Lycra hinzugefügt. Der hierbei resultierende Materialmix ist  widerstandsfähiger als reine Merinowolle.

Im tapir ist gewalkte Wolle vor allem durch den deutschen Produzenten Mufflon vertreten. In einem mechanischen Prozess wird die Merinowolle mit Wärme und Feuchtigkeit behandelt, wodurch  sich die einzelnen Partikel ineinander verhaken und  sich die Wollfasern stark verfilzen. Bei diesem Prozess schrumpft die Wolle zusammen, wodurch sich das Endmaterial nochmals weiter verdichtet und so seine stark wind- und feuchtigkeitsabweisenden Eigenschaften erhält.

Das Resultat ist ein robustes Produkt, das bei richtiger Pflege ein langjähriger und zuverlässiger Begleiter sein wird.

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