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Mit dem Fahrrad durch Usbekistan

Mit dem Fahrrad durch Usbekistan

Wir reisen von Turkmenistan aus bei Alat über Land ein, radeln entlang der Hauptstraße nach Buchara und Samarkand weiter in den Süden des Landes zur tadschikischen Grenze bei Sariasiya. Nach 12 Fahrtagen zeigt der Tacho 850 gefahrene Kilometer und knapp 4.000 Höhenmeter an. Im Nachhinein würden wir die abwechslungsreiche Strecke von Samarkand über Shahrisabz nehmen und nicht die eintönige Hitzepiste über Karshi. Der Streckenverlauf ist überwiegend flach und nicht gerade von landschaftlichen Highlights geprägt, kurz vor der tadschikischen Grenze jedoch durchqueren wir eine zunehmend spannende Natur mit tiefen Schluchten und skurrilen, mitunter knallig roten und orangefarbenen Felsformationen.

Usbekistan duftet und schmeckt nach der Mystik des Orients. Es beherbergt legendäre Knotenpunkte der Seidenstraße wie Samarkand oder Buchara, durch dessen malerische Gassen selbst wir Stadtmuffel tagelang schlendern. Entlang der gesamten Route durch Zentralasien finden wir keine schönere Stadt als Buchara. Fernab des Trubels genießen wir mit den Einheimischen Pivo, Maulbeeren und Suppe unterm Sternenhimmel, denn die Usbeken sind extrem gastfreundliche und unkomplizierte Gemüter. Darüber hinaus durchradeln wir eine recht patriarchische Gesellschaft, in der Ehen arrangiert und das Wohl der Familie mehr als das des Einzelnen gewichtet wird – somit werden nicht nur die Muskeln, sondern auch der eigene Horizont ordentlich gefordert.

Räder und Ausrüstung
Die Hauptstraßen des Landes erfordern keine spezielle Tourenräder – Seitenstraßen jedoch sind die reinsten Buckelpisten! Rückspiegel sind in Anbetracht der Baustellen und teils chaotischen Fahrweise hilfreich. Als sehr nützlich erweist sich die Möglichkeit, das Innenzelt auch solo aufstellen zu können. Hitze und die trockene Luft machen das Außenzelt vollkommen überflüssig. Der Wasserfilter Sawyer Mini und ein Wassersack von Ortlieb haben bei uns kaum Pause, denn das schont den Verbrauch von Plastikflaschen sowie den Geldbeutel. Die Usbeken sind wahnsinnig gastfreundlich, sodass es sich lohnt, Dankeskarten oder Fotos zum Verschenken einzupacken.

Straßen/Verkehr
Usbekistans Hauptstraßen sind teils runderneuert, teils staubige Baustellenpisten und von Schlaglöchern jeglicher Größe und Art durchsetzt. Wegen des hohen Verkehrsaufkommens auf den Nebenrouten und deren teils verheerende Zustände bleiben wir auf der Hauptstraße. Durchaus spürbar ist der im Tagesverlauf zunehmend unberechenbar werdende usbekische Fahrstil: spätestens nach der ersten Teetasse (!) Wodka zum Mittag neigen die Männer zu waghalsigen Überholmanövern und nervtötendem Hupen. Keineswegs aggressiv, aber mitunter dennoch gefährlich, man sollte am Nachmittag stets wachsam fahren. Wir haben nur eine einzige Frau hinterm Steuer gesehen.

Verpflegung und Übernachtung
Preiswertes Essen gibt es in jedem kleinen Ort in sogenannten „Kafes“, auch wenn die Auswahl für Vegetarier mit Salat und Brot recht beschränkt ausfällt. Das Menü besteht im Wesentlichen aus Plov (Reis mit Fleisch), Somsas (mit Hammelfleisch – und vor allem viel Hammelfett – gefüllte Teigtaschen) und Lagman (Nudeleintopf mit Hammelfleisch). Obst und viel Gemüse ist in unregelmäßigen Abständen erhältlich.
Zwar wurden wir bei der Einreise nicht darauf hingewiesen, dennoch muss jeder Reisende wissen: die Regierung fordert Nachweise über Hotelübernachtungen aller drei, für Radreisende spätestens aller 5 Tage. So richtig halten wir uns daran nicht, denn Hotels sind mit bis zu 50 Dollar/DZ mitunter unverschämt teuer. Da die Felder und bebauten Regionen ungestörtes Wildcampen entlang der Hauptstraße erschweren, genießen wir es, unser „palatka“ – Zelt – auf den Innenhöfen usbekischer Familien aufzustellen. Schnell werden Teppich und Kissen für das Abendbrot unterm Sternenhimmel ausgerollt und wir spontane Nutznießer usbekischer Subsistenzwirtschaft. Suppe, Fladenbrot, Salat, hausgemachter Ayran (gegorene Kuhmilch) und die Himbeer-ähnlichen Früchte des Maulbeerbaumes – ein echtes 5-Sterne-Dinner nach einem langen Tag auf dem Rad. Wir können daher nicht ausreichend Hotelbelege beim Verlassen des Landes vorzeigen und stellen uns extrem dumm. Stattdessen verweisen wir auf der Landkarte auf sämtliche Polizeicheckpoints, bei denen unsere Pässe kontrolliert wurden. Wir haben großes Glück und dürfen passieren! Andere mussten dagegen mehrere hundert Dollar Strafe zahlen. Die Hotelbelege sind allerdings nur kleine Papierschnipsel ohne offizielles Format und ließen sich auch leicht selbst basteln…

Reisezeit
Das Klima Zentralasiens ist kontinental geprägt und erheblichen Schwankungen zwischen den Jahreszeiten unterworfen. Die Winter sind bitterkalt, die Sommermonate brüllend heiß. Beste Reisezeiten sind daher April bis Mai oder September bis November. Wer die Sommermonate Juni bis August meiden kann, sollte dies als Radler unbedingt beherzigen. Schon im Mai stiegen bei uns die Temperaturen auf über 40 Grad und die Steppe war bereits verdorrt. Wer im Hochsommer reist, muss damit rechnen, auch mal nachts zu fahren um der unerträglichen Mittagshitze zu entgehen.

Anreise
Wir sind über Land bei Alat von Turkmenistan aus eingereist. Hier weitere Informationen zu Grenzüberquerungen über Land, hier stets aktualisiert. Internationale Flughäfen befinden sich bei Taschkent, Buchara, Samarkand, aber auch Andijan, Buchara, Ferghana, Karshi, Namangan, Nukus, Termez und Urgench.

Einreise
Nur mit gültigem Visum möglich. Uns reichte die 15-tägige Variante, um das Land zu queren, allerdings haben wir dafür Städte-Perlen wie Quiva oder Termiz ausgelassen. In Anbetracht der geforderten Hotelübernachtungen und der Visakosten sollte man bei der Visabeantragung unbedingt sein Budget im Blick haben. Die Usbeken kontrollieren mitunter streng das Gepäck, wer einzelne Tabletten ohne Kennzeichnung bei sich trägt, macht sich des Drogenschmuggels verdächtig. Zudem sind Schmerztabletten mit Codein und starke Schlafmittel strengstens untersagt.

Sprache
Amtssprache ist Usbekisch, mit Russisch kommt man allerdings überall weiter.

Geld
Achtung: in Usbekistan gibt es neben den offiziellen Geldinstituten einen Schwarzmarkt, der aber weder dubios ist noch in versteckten Hinterzimmern abläuft. Schwarzhändler findet man an jeder Straßenecke oder im Hotel. Der Kurs ist jedoch manchmal doppelt so hoch als in Banken! Am besten mehrere Händler vergleichen und den aktuellen Wechselkurs mit anderen Reisenden abgleichen, um nicht kräftig übers Ohr gehauen zu werden.
Inklusive Hotelübernachtungen in Buchara und Samarkand betrugen die Ausgaben knapp 19 € pro Tag für uns beide zusammen. Hotels sind verhältnismäßig teuer, das Essen am Straßenrand ist wie in allen zentralasiatischen Ländern günstig.

Eindrücke von unterwegs
Starker Rückenwind, untypisch für unsere Reiserichtung zu dieser Jahreszeit, treibt uns mit bis zu 140 km pro Tag gen Osten, immer entlang der Seidenstraße. Jene ist im Grunde ein weit verzweigtes Geflecht verschlungener Handelsrouten, die seit jeher Orient und Okzident verbinden. Schon vor Jahrtausenden wurden Gewürze, Metalle, Drogen, Vieh und Menschen gehandelt; Seide aus China war so begehrt wir Buntglas aus Europa. Mit dem Aufkommen der Handelsschifffahrt verlor der Landweg stetig an Bedeutung, erfährt seit einigen Jahren jedoch, begünstigt durch chinesische Großinvestoren, ein unerwartetes Revival. Zunächst erreichen wir Buchara, eine der schönsten, wenn nicht die schönste Stadt Zentralasiens. Unzählige Moscheen mit ihren türkisblauen Kuppeln, bunte Teppichmärkte und sandfarbene Medressen – Islamschulen – prägen die Altstadt. Die Formen und Farben scheinen aus der Zeit gefallen, es hätte uns nicht gewundert, Marco Polo persönlich zu begegnen. Für uns auch deutlich schöner als das berühmte Samarkand, zweitgrößte Stadt des Landes und in Teilen wie Buchara auch Weltkulturerbe. Heute prägen sowjetische Zweckbauten das Stadtbild, die antiken Bauwerke liegen dazwischen eher verstreut wie Teile eines Puzzles.
Während Daniel die Gemäuer Bucharas bröckelig blitzt, werde ich von einer jungen Studentin angesprochen. Sie schwärmt von ihrer Hochzeit mit 700 Gästen, als das Telefon klingelt. Ihr Ehemann möchte wissen, wo sie sei, sie habe ihn nicht um Erlaubnis gefragt. Ich hake verdutzt nach, ob sie das denn nicht einenge, doch sie lacht: „No, no. Sweet sign of his love!“ Tage später wird mir ein anderer Student die patriarchalische Rolle des usbekischen Mannes bestätigen. Er trüge die Verantwortung für das (finanzielle) Wohl der Familie; seine Gattin bitte ihn stets um Rat und Erlaubnis. „Und wenn du deine Firma wechselst, würdest du deine Frau auch um Rat fragen?“ Er grinst: „Nein, sicher nicht.“ Meine westlichen Ohren möchten hören, dass Frauen unterdrückt würden und dies furchtbar schlecht sei, doch ich warte vergebens. Beide sehen in dieser Tradition einen Ausdruck gegenseitigen Respekts und Verantwortung. Die Eltern arrangieren hier oftmals die Ehen, zumindest müssen sie einverstanden sein. Wenn sich die Ehepartner streiten, suchen auch die Väter nach Lösungen. Scheidungen gibt es äußerst selten, komme was wolle. Der familiäre Zusammenhalt steht im Zentrum, nicht das Individuum. Ich denke an die hohe Scheidungsrate und geringe Geburtenquote in Deutschland und fühle mich plötzlich in der Defensive. Ich bin mir nicht mehr so sicher, ob der in unseren Werten über alles hoch gehaltene Individualismus tatsächlich die beste Form des Zusammenlebens ist. Auch scheinen diese jungen Leute vor mir nicht auf Sinn- und Rollensuche zu sein. Allerdings treffen wir niemanden, der in seiner arrangierten Ehe unglücklich ist, misshandelt wird und seinem Schicksal nicht entfliehen darf.

Fazit
Der Straßenverkehr Usbekistans kann etwas stressen, die Landschaft ist weniger facettenreich als die Kirgistans oder Tadschikistans und bereits Ende Mai lässt die Backofenhitze keine Gnade walten. Doch allein die wirklich sehenswerten Städte Buchara und Samarkand und die lauen Abende zu Gast bei den entspannt-heiteren usbekischen Familien sind jeden Schweißtropfen wert.

caravanistan
Aktuelle Informationen zu Grenzübergängen und Visabestimmungen.

freedomhouse
Wissenschaftlich fundierter Überblick über die aktuelle gesellschaftspolitische Situation und Entwicklungen.

railway
Wir haben einige Radreisende getroffen, die aufgrund der Hitze von den Rädern auf Züge umgestiegen sind.

  • Wasserfilter, um Geld und Plastemüll zu sparen.
  • Sonnencreme gegen die beißende Sonne von oben.
  • Mückenspray hilft gegen die kleinen Stechbiester.
  • Google Translate (offline-Übersetzer) verschafft Gespräche.
  • Adaptermöglichkeiten um das Innenzelt solo aufstellen zu können.

Usbekistan, reißfeste Landkarte (1:1.000.000), 2015, Reise Know-How
oder
Seidenstraße: Durch Zentralasien nach China Landkarte (1:2.000.000), 2017, Reise Know-How.
Letztere ist sicherlich die empfehlenswertere für Radreisende, die in Zentralasien unterwegs sind.

Bradley Mayhew et al, Central Asia Multi-Country Guide, Lonely Planet, 2014.
Kompakt bestückter Reiseführer mit den wichtigsten Informationen zu Usbekistan und Co. Im Sommer 2018 erscheint die Neuauflage.

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