Verpflegung und Übernachtung
Für alle, die von Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan kommen, hält die kirgisische Küche keinerlei Überraschungen bereit. Es gibt Brot, Butter, Salat, Plov (Reis und Fleisch), Lagman (Gulasch mit Nudeln) und gefüllte Teigtaschen: Somsa. Diese sind manchmal so fett, dass der Schafstalg noch eine Stunde später zwischen den Zähnen klebt… Daher stellen wir das Zelt gerne in der Nähe von Bauernhöfen und Jurten auf – dann gibt’s meist frische Milch zu den Haferflocken. Unbedingt nach „Barenja“ fragen – selbstgemachte Beerenmarmelade, auf frischem Brot mit Butter ein echtes Luxus-Frühstück! Vorsicht beim Verzehr von Trockenfrüchten, die meist auf dem Boden getrocknet werden und allerlei Sand enthalten können. Ich muss zum Zahnarzt in Bischkek, nachdem ich auf einen Kiesel gebissen und mir ein Stück Zahn abgebrochen habe. Die Wasserversorgung ist gut, in den Ortschaften gibt es meist zentrale Brunnen, wir filtern dennoch sicherheitshalber. Nationalgetränk ist Kymys, von dem wir nur aus Höflichkeit eine Schale hinunterschlucken: gegorene Stutenmilch, die im wesentlichen wie erbrochenes Bier schmeckt.
Kirgistan ist DAS Land für wildes Zelten! Herrlich weiche Wiesen, meist direkt neben einem Bach, Dorfbewohner bringen Gastgeschenke vorbei und am Issyk Kul und Toktogul-See ist es ein Hochgenuss, nach getaner Radelarbeit ins Wasser zu springen und am Lagerfeuer Sternschnuppen zu zählen. Achtung: Manchmal fluten die Kirgisen abends ihre Wiesen- und Weideflächen, sodass wir das Zelt umstellen müssen, um nicht baden zu gehen. Am besten darauf achten, immer etwas erhöht zu zelten. Im Hochgebirge können Sommergewitter eine Gefahr darstellen.
Wildzelten ist in den allermeisten Fällen sehr sicher, aber es gibt auch Radreisende, denen nachts die am Rad befindlichen (…) Taschen leergeräumt wurden. Ein anderer erwachte gar, als es plötzlich sein Zelt fast zerfetzte: Er hatte sein Fahrrad daran angebunden, dann wurde es von einem berittenen Dieb an einem Seil fortgeschliffen. Aber das sind absolute Ausnahmen!
Leben & Gesellschaft
Die typische Nomadenwohnungen der Kirgisen sind Jurten. Aus Holz und Filz gefertigt, sind sie schnell errichtet, äußerst geräumig und trotzen jedem Wetter. Nur während des kurzen Sommers werden die Almen bewirtschaftet, Tiere gemästet und gemolken, Butter und Sahne hergestellt und Dung zum Heizen getrocknet. Ähnlich wie Kymys fließt auch der Wodka zu allen Uhrzeiten. Allah nimmt’s wohl gelassener im muslimisch geprägten Kirgistan? Männer hofieren kleine Wohlstandsbäuche, Frauen bestimmen mit und Liebende heiraten – anders als etwa in Usbekistan – ohne vorherige Arrangements ihrer Eltern. Erstmals in Zentralasien ertappen wir uns dabei zu vergessen, außerhalb Europas zu reisen. Noch dazu in einer autokratischen Gesellschaft, wo man Polizisten schmiert und Häftlinge foltert.
Die familiären Bindungen sind der zentrale gesellschaftliche Kitt, auch die Älteren hoch geschätzt innerhalb der Familien. „Warum bringt ihr Deutschen eure Eltern in Pflegeheime?“, wirft mir eine junge Kirgisin verständnislos vor. Auch ist es für viele Einheimische kaum vorstellbar, aus eigener Kraft so weit zu reisen. Keiner läuft, jeder besitzt ein Pferd, Moped oder Auto. Entsprechend oft ernten wir ungläubiges Kopfschütteln, vielleicht Bewunderung, in jedem Falle aber Einladungen, Essen und Wasser. Treppen aus verschlissenen LKW-Reifen, ausrangierte Tischdecken nützen als Sichtschutz für das Plumpsklo, zum Blumengießen taugen verbeulte Wasserkocher. Hier in Zentralasien landet nichts einfach im Müll. „Warum werft ihr neue Möbel weg?“, wundert sich dagegen ein 16-Jähriger Kirgise und zeigt mir einen Youtube-Clip vom Sperrmüll in Deutschland. Und so hinterfragen wir hier recht häufig eigene westliche Denkmuster und Verhaltensweisen.
Fazit
Besonders die Hinweise zu den Straßen- und Verkehrsbedingungen mögen abschreckend klingen, und ja, das Radfahren war nicht immer ein Zuckerschlecken. Tatsächlich jedoch reduzieren sich die gefährlichsten Abschnitte auf die Strecken zwischen Osch und Taschkomur, rund um Bischkek und den Issyk Kul – hier besonders zur Ferienzeit im August. Auf diesen Abschnitten lässt es sich entspannt per Anhalter fahren, die übrigen Passagen sind überwiegend sicher und oft in recht gutem Zustand. In jedem Falle entschädigt die oft atemberaubende Landschaft für alle Mühsal: maigrüne Almwiesen soweit das Auge reicht, Reiter, die ihre Yaks und Pferde in wildem Galopp zusammentreiben, rauchende Jurten und im Hintergrund die Gletscher der Hochgebirge. Dieses grandiose Idyll im langsamen Radreisetempo und wild zeltend zu erkunden, wird unvergessen bleiben!
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