In Landmannalaugar, Startpunkt des Laugavegur, lege ich einen Pausentag ein. Morgens, bevor die Tagestouristen kommen (denn der Ort ist per Auto und Bus noch erreichbar), entspanne ich fast alleine in der heißen Quelle und verbringe den Tag mit einer kleinen Wanderung durch die bunten Berge rund um das Camp. Der nächste Tag begrüßt mich mit Nebel und Regen und so gehe ich erst nochmal in den Hotpot baden, bevor ich am späten Morgen dann langsam zusammenpacke und mich auf den 55 Kilometer langen Laugavegur mache. Anfangs führt der Weg durch das Lavafeld Laugahraun vorbei an zahlreichen bunten Ryolithbergen stetig und teils auch sehr steil bergan und ist gesäumt von dampfenden Schwefelrauchschwaden der heißen Quellen, die in der Umgebung brodeln. Eine der imposantesten Quellen kündigt sich durch das laute Fauchen und ihre imposante und kräftige Dampfsäule mit kräftigem Schwefelgeruch schon lange vor dem Passieren an – hier schießt dampfend heißes Wasser mit großer Wucht aus einem Loch im Boden, gesäumt von brodelnden Schlammtöpfen ringsherum. Im Matsch der Altschneefelder kurz vor dem Pass hätten sich die Grödel gut gemacht, die ich aber aufgrund des Gewichts zu Hause gelassen habe. Ohne sie ist das Vorankommen im Schneematsch und bergan manchmal sehr mühselig. Riesige Steinmännchen und gelbrote Plastiksäulen weisen hier in den Schneefeldern den Weg, der bei Nebel aufgrund der schwierigen Orientierung als gefährlich gilt. Nach endlosen Schneefeldern erreicht man die Passhöhe und die dahinter in einer Senke liegende Hütte Hrafntinnusker. Die Zeltfläche vor der Hütte bietet ein ungewöhnliches Bild: Aufgrund des stetigen Windes hier oben haben sich die Camper über die Jahre aus den umherliegenden Steinen kleine, kreisrunde Festungen als Wind- und Wetterschutz gebaut.
Auf der 2. Laugavegur-Etappe geht es erst nochmal knackig, teils durch Schneefelder, bergauf bis zu einer Ebenenkante, die einen herrlichen Blick zurück auf die bunten Berge eröffnet. Auf der anderen Seite der Kante wird es deutlich grüner und in der Ferne kann ich schon mein Tagesziel, den See samt Hütte von Álftavatn, erkennen. Vorher warten aber noch ein steiler Abstieg und die erste größere Furt von Grashagakvisl. Als ich meine Schuhe zur Flussquerung wechsele, beginnt es ordentlich zu regnen. Der Regen soll an diesem Tag auch nicht mehr aufhören und lässt die restliche Strecke bis zur Hütte arg lang werden. Dort angekommen verharre ich mit einigen Franzosen in einem leerstehenden „Touristenzelt“, bis der Regen schwächer wird und wir unsere Zelte halbwegs trocken aufstellen können. Das Highlight der Hütte ist das „Restaurant“ – ein kleiner beheizter Raum, in dem sich die Wanderer stapeln und ein Essen und das eine oder andere teure Bier genießen können. Gemeinsam mit zwei Franzosen und zwei Kanadierinnen verbringe ich hier einen sehr lustigen und gemütlichen Abend und habe ganz nebenbei meine Mitwanderer für die restliche Tour gefunden, denn ab hier kreuzen sich unsere Wege immer öfter und wir beschließen, die Tour gemeinsam bis zum Ende zu laufen.
Tag 3 auf dem Laugavegur startet mit einem leichten Hangover, aber auch mit herrlichstem Sonnenschein – das Spiegelbild der Landschaft im See ist dadurch unbeschreiblich schön und märchenhaft. Die heutige Etappe hält zwei ordentliche und spannende Furten bereit (u. a. durch einen Gletscherfluss, dessen Kälte ganz schön schmerzhaft ist), führt ansonsten aber eher eintönig durch ewig weite, schwarze Lavafelder bis zur Hütte von Emstrur. Von hier geht es spannender weiter auf der letzten Etappe des Laugavegur, vorbei an einer canyonartigen Landschaft, durch Felder mit rotblühenden Pflanzen und vorbei am „Nashorn“-Berg bis nach Þórsmörk, wo es verschiedene Campingmöglichkeiten gibt. Wir entschließen uns für den Platz mit Sauna und Hotpot und beschließen, hier einen weiteren Pausentag einzulegen. Die deutlich grünere Landschaft rund um Þórsmörk beschert uns außerdem eine super Pilzpfanne mit Wildkräutern, die wir auf dem Weg sammeln konnten. Außerdem bekommen wir an der Hütte noch zwei Flaschen Wein von anderen Touristen geschenkt und können so ein wahrschlich festliches Dinner zaubern. Den Pausentag nutzen wir für eine kleine Wanderung inkl. Einkauf zur nahegelegenen Hütte mit Minishop, zum Wäschewaschen und Entspannen.
Der letzte Teil der Wanderung führt über die Hochebene Fimmvörðuháls und den Eyjafjallajökull-Vulkan (jener unausprechliche Vulkan, der vor einigen Jahren den Flugverkehr in halb Europa lahmlegte) bis nach Skógar. Bei gutem Wetter eine anstrengende, aber gut machbare Tour, die man über einen Tag oder zwei Tage machen kann. Bei schlechtem Wetter ist die Sicht da oben gleich Null, was schon einigen zum Verhängnis geworden ist. Wir haben wettertechnisch Glück und beschließen, uns für die Tour zwei Tage Zeit zu nehmen. Bei schönstem Sonnenschein geht es am ersten Tag gut 900 Höhenmeter steil hinauf, vorbei an den Vulkankratern und frischen Lavafeldern vom Ausbruch von 2010. Zwischendurch gibt es den Katzenrücken, einen Kamm mit schmalem Weg, der bei Wind und Nebel sicherlich ganz schön hässlich sein kann, und die eine oder andere Kletterstelle zu bewältigen, die jedoch mit Seilstücken abgesichert sind. Das letzte Stück bis zur Hütte Baldvinsskáli ist durch das Auf und Ab unzähliger Hügel noch einmal ganz schön kraftraubend. Dafür belohnt dann der Ausblick von der Hütte, der uns bei strahlendem Sonnenschein um fast Mitternacht bis zur Küste blicken lässt.
Die letzte Etappe bis nach Skógar geht dann sanft bergab und wartet mit einer Vielzahl von Wasserfällen auf, insgesamt weit über 20 Stück und so sind wir am Ende der Etappe fast etwas übersättigt, als als krönender Abschluss, neben der Zivilsation und zahlreichen Autotouristen, auch einer der größten und imposantesten Wasserfälle, der Skógafoss, auf uns wartet. Am späten Nachmittag kommen wir am Ziel an und sind stolz, es geschafft zu haben, aber auch etwas wehmütig. Hier trennen sich meine Wege von denen der Franzosen und Kanadierinnen nach einer tollen Tour. Während ich erst mal alleine an der Südküste entlang will, wollen die beiden Franzosen noch um die Insel trampen und die Kanadierinnen erst mal noch in Skógar bleiben. Aber wie es der Zufall so will, treffe ich die Kanadierinnen einige Tage später in Skaftafell an Islands größtem Gletscher und die Franzosen an meinem letzten Abend in Reykjavík wieder.
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