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Via Tolosana Jakobsweg

Via Tolosana Jakobsweg

Via Tolosana Jakobsweg

Diesen Sommer bin ich neun Tage lang ab der südfranzösischen Stadt Montpellier ein Stück auf dem Jakobsweg „Via Tolosana“ gen Westen gewandert. Der „Via Tolosana“ (oder Voie d’Arles) beginnt eigentlich in der Stadt Arles, aber viele sagen, dass das Stück ab Montpellier (bis kurz vor Toulouse) am schönsten und abwechslungsreichsten sei, da man im Gebirge auf verschieden Vegetationszonen trifft.

Warum Frankreich

Ich wollte sowieso die Städte Montpellier und Toulouse besuchen, aber auch Natur erleben, so dass die Reise auf dem Jakobsweg der Idee entsprang von der einen Stadt zu der anderen zu wandern. Ich mag die Region sehr, war schön öfter dort und spreche die Sprache gut genug. Der Via Tolosana ist der am wenigsten belaufene und wildeste Jakobsweg von den vier Jakobswegen in Frankreich, meines Erachtens ein weiterer Pluspunkt. Eine Pilgereise als Einzelpilger trägt zur Besinnung und zur Wahrnehmung der Schönheit der Natur bei, obschon ich die Zeit in Gesellschaft mit anderen Pilgern sehr genossen habe.

Kuriose Wegmarkierungen Alltägliche wunderschöne Landschaft mit lila HeidekrautPlötzlich steht man auf einem riesigen Felsvorsprung und vor einem ein Labyrinth aus Steinen. Schöner Platz für eine Pause.

Was Sie schon immer über diesen Teil des JAKOBSWEGES wissen wollten…

Tipps vor der Reise:
Vor dieser Reise hatte ich kaum Erfahrung mit dem Wandern, war noch nie so lange nur zu Fuß unterwegs. Dementsprechend hatte ich zu viel Gepäck dabei. Anfangs wog mein Rucksack 15 kg (ohne Wasser und Verpflegung). Direkt vor meiner Wanderung war ich noch vier Tage in Barcelona, wo ich dann schon einige überflüssige Dinge (zweiter dicker Pullover) einem Bekannten mitgeben konnte. Ich habe mich dann nach und nach während der ersten Woche meiner Tour von allem Unnötigen entledigt. Während der Wanderung traf ich auf Menschen, die manchmal nur beeindruckende 5 kg Gepäck dabei hatten. Deshalb schon zu Hause am besten nur einen kleinen Rucksack packen, da passt nur das Nötigste hinein.
Es empfiehlt sich grundsätzlich einen aktuellen Wanderführer dabei zu haben, in welchem die empfohlenen Etappen (samt Höhenunterschiede, historische Besonderheiten etc.) detailliert beschrieben werden und Adressen und Telefonnummern von Herbergen, Pensionen und Hotels aufgelistet sind. Der Weg ist zwar relativ gut markiert, doch gab es manchmal Unsicherheiten.
Ich war Ende Juli/Anfang August, also im Hochsommer unterwegs, was auf diesem Pilgerweg eine Nebensaison ist. Zum einen waren zwar der Wanderweg und die Unterkünfte daher angenehm leer und ich brauchte nicht unbedingt im Voraus zu reservieren, was im Frühsommer und im Herbst wohl anders darstellt. Der Nachteil: ab Mittag wurde es entsprechend heiß und beschwerlich. In meinem Reiseführer wurde ich auf Trinkwasserstellen hingewiesen, wo ich meinen Wasservorrat wieder auffüllen konnte.
In den günstigen Pilgerherbergen sind die Betten nicht mit Bettwäsche bezogen und die Kissen und Decken werden nicht nach jeder Benutzung gewaschen. Aber ganz ohne Decke zu schlafen ist besonders bei Gemeinschaftszimmern zuweilen unangenehm.
Es ist in Südfrankreich und in ländlichen Regionen zu beachten, dass die Läden tagsüber für mehrere Stunden schließen. Teilweise waren die Geschäfte erst ab 17 Uhr nachmittags wieder geöffnet. Auch die meisten Restaurants servieren meistens zwischen 15 und 19 Uhr keine Hauptgerichte.
Ich bin mein Stück des Jakobsweges ohne Pilgerausweis gewandert, womit ich ziemlich allein war. Ich glaubte, es handele sich bei der Stempelsammlung um eine Art Trophäenliste und sah keine Notwendigkeit darin, da ich auch nicht aus religiösen Gründen pilgerte. Im Nachhinein kann ich sagen, dass dieser Pilgerausweis („CREDENCIAL“) das Leben auf der Pilgerreise in manchen Situationen vereinfacht hätte. Zum Beispiel werden mancherorts gegen Vorlage vergünstigte Pilgermenüs angeboten, und in einigen Herbergen bekommt man nur mit dem Pilgerausweis einen günstigen Tarif bzw. wird bei voller Auslastung bevorzugt aufgenommen. Man kann den Pilgerausweis bei der Jakobusgesellschaft  bestellen, am besten schon einige Zeit vor der Abreise. Die Übernachtungen in den Herbergen (Gites) kosteten mich auch ohne Ausweis zwischen 13 und 25€, ab und zu habe ich mir eine Halbpension gegönnt und mich bekochen lassen.

Und los ging es…
Ich startete in Montpellier, wie in meinem Reiseführer empfohlen, fuhr ich bis zur Endhaltestelle der blauen Linie "Mosson" um mir „ermüdendes Pflastertreten im Vorort“ zu ersparen und habe mich wegen der vielen Baustellen und neuen Straßen (und meiner Ortsunkenntnis) gleich verlaufen. Das war kein schöner Start und hat viel Kraft gekostet. Die Menschen, die ich um Hilfe bat, waren alle sehr freundlich, aber konnten mir nicht helfen. Nach mehreren Stunden des Umherlaufens, hat mich ein freundlicher Monsieur mit dem Auto zu meinem ersten Etappenziel Montarnaud gefahren. Ich kann daher nur empfehlen von Montpellier entweder von der Innenstadt oder ab der Haltestelle „Euromédecine“ loszulaufen, wo der Weg besser markiert ist.
In Montarnaud gibt es die sympathische Gite "Le temps d'une Pause " direkt am Wanderweg und Ausgang des Dorfes, dort gibt es verschiedene Möglichkeiten zu übernachten. Für den ganz kleinen Geldbeutel (8€) kann man sogar draußen im Zelt schlafen, ansonsten Gemeinschaftsraum oder Ferienhaus. Die Herbergsinhaberin kocht bei Bedarf (und Aufpreis) ein typisches drei-Gänge-Abendessen mit Gemüse aus dem eigenem Garten. Ansonsten kann man sich auch selbst was kochen – wie in den meisten Gites für Pilger gab es eine Küche mit Kochstelle. Wegen der ungewohnten Hitze (in Deutschland war es vergleichsweise kühl und regnerisch gewesen) beschloss ich fortan früh in der Morgenkühle mit dem Sonnenaufgang loszulaufen.
Aufgrund meines Gepäcks und der ungewohnten Belastung, habe ich zudem die ersten Tagesetappen verkürzt und bin nur 10 bis 12 km gelaufen (anstatt der üblichen 20 – 25km). So traf ich auch immer wieder neue (sehr verschiedene) Menschen am Ende des Tages in den Herbergen.
Die zweite Nacht verbrachte ich das erste und letzte Mal auf einem Zeltplatz in Gignac – etwa 5 km abseits der eigentlichen Wegstrecke (Ja, ich hatte anfangs auch noch ein Zelt dabei, das sich aber als unnötiger Ballast erwies). Achtung in Gignac gibt es zwei Zeltplätze, der andere ist ein FKK Zeltplatz (Camping naturiste). Von Gignac lief ich dann nach St-Guilhem-le-Désert, dem offiziell zweitschönstem Mittelalterdorf Frankreichs. Die sehr schönen und gut erhaltene Klosteranlagen und Innenstadt sind ein Tourismusanziehungspunkt in der Region. Das Le-Désert im Ortsnamen bezieht sich dabei nicht auf eine geografische Wüste, sondern die innere Leere und spirituelle Erleuchtung, die der Guilhem (Wilhelm von Aquitanien) dort einst fand. Heute ist das Bergdorf so touristisch, dass man die erwartete "Leere" erst nach Ladenschluss erahnen konnte. Als wichtiger historischer Pilgerort gibt es dort mehrerer Pilgerherbergen. Ich übernachtete in der Gite Club Alpin francaise, in der man ohne Pilgerausweis und ohne Mitgliedschaft im Club Alpin übernachten kann. Den Schlüssel bekommt man in dem Sandwichlädchen darunter. Hier gibt es leider keine Lebensmittelgeschäfte, so dass man zum Essen auf die ziemlich teuren Restaurants zurückgreifen muss. Meine Emails konnte ich nach freundlicher Nachfrage im Tourismusbüro checken. St-Guilhem-le-Désert verließ ich tags drauf im Morgengrauen. Der steile Aufstieg von 800 Höhenmeter in Richtung St Jean de la Blaquière ist der erste richtige Gebirgsteil des Via Tolosana und wunderschön.

Ein Junge spielte unter der Brücke im Wasser in LodeveJahrhunderte alte trockengemauerte Werkzeughütte aus dem Mittelalter in LodeveVerlassenes Dorf zwischen Saint Gervais sur Mare und Douch

Weiter ging es…
Im nächsten Tagesziel St Jean de la Blaquière angekommen, wunderte ich mich über die Stille und Leere dieses Ortes. St Jean de la Blaquière hätte heutzutage wohl eher den Beinamen "Le-Désert" verdient. Es gibt eine Pizzeria, die für Pilger spezielle Angebote hat und eine Épicerie (Lebensmittelladen). Übernachtet habe ich in der sehr einfachen, kommunalen Herberge mit Gemeinschaftsküche. (Anmeldung und Schlüssel im Rathaus).
Auf dem Weg nach Lodève, dem nächsten Etappenziel, wandert man durch verschiedenste Vegetationszonen, und es gibt eine kleine Überraschung auf etwa halber Strecke. Ein Labyrinth aus Steinen auf dem Boden eines Felsvorsprungs lässt erahnen wie viele Wanderer und Pilger schon dort waren. In Lodève, einer größeren Stadt in der Region blieb ich gleich zwei Tage in der dortigen neu ausgebauten Herberge „La Megisserie“, direkt am Jakobsweg, um mich auszuruhen und meine Knie zu schonen, die durch das häufige Absteigen beansprucht wurden. Das passte gut, da es in Lodève selbst auch genug zu entdecken gibt. Neben einem Kunstmuseum und der Klosteranlage, kann man mittelalterliche Terrassenanlagen und kleine trockengemauerte Hütten, in denen vor 500 Jahren Werkzeug etc. aufbewahrt wurden, unweit der Kleinstadt bei einem Spaziergang erkunden.
Französische Sprachkenntnisse erweisen sich hier jedoch als großer Vorteil, weil die sehr detaillierte Beschilderung ausschließlich auf Französisch ist. Ich habe den Spaziergang ohne Rucksack sehr genossen. Von Lodève ging es weiter nach Joncels. Dort gibt es neben einer mittelalterlichen Klosteranlage auch wieder mehrere Herbergen, aber keinen „Kommerz“, („pas de commerce“ – wie es heißt), also keine Geschäfte oder Post, wie so oft in kleinen Dörfern. Die Herberge Villa Issiates ist schon vorher auf dem Weg ausgeschildert und lockt die schwitzenden Wanderer mit einem Swimming Pool. Zur Begrüßung gab es ein kühles Erfrischungsgetränk und bei Halbpension zum Abendbrot ein drei-Gänge-Menü. Leider war ich an diesem Tag zum Schwimmen schon zu müde. Da der Pilgerweg ab Joncels seit letztem Jahr geändert wurde und nun bis Lunas etwa 10 km lang an einer stark befahrenen (harten, knieunfreundlichen) Straße verläuft, bieten die Betreiber der Villa Issiates gegen einen geringen Aufpreis an, die Pilger mit dem Auto bis nach Lunas zu fahren. Von Lunas ist es dann immer noch eine gute Tagesetappe bis Saint Gervais sur Mare.
Hier wandert man durch Wald und Berge und hat schöne weite Landschaftsaussichten. In Saint Gervais sur Mare kann man wieder sehr günstig in der von der Kommune (Anmeldung und Schlüssel im Rathaus) bereitgestellten Herberge übernachten. Hier endete für mich das Abenteuer Jakobsweg (vorerst), da ich spontan beschloss, woandershin weiter zu laufen: nach Olargues, ein sehr schönes, klassifiziertes mittelalterliches Dorf in der Nähe, in dem ich vor Jahren mal war. Den Weg dorthin erfragte ich im Tourismusbüro in Saint Gervais sur Mare.
Der folgende Tag wurde der anstrengendste und aufregendste meiner Wanderschaft. Ich bin früh noch etwa eine Stunde auf dem bekannten markierten Weg gewandert, und dann in eine andere Richtung weiter zu wandern. Es war glücklicherweise bewölkt und da ich einen sehr steilen Aufstieg hatte, war ich froh über die schattige Kühle. Im Dorf unten wurde ich freundlicherweise noch gewarnt, dass ich bei Gewitter besser wieder umkehre.
Auf dem Weg nach Douch kommt man an zwei verlassenen und verfallenen Dörfern vorbei (Tipp: In Caissenols le Haut kann man in einem hergerichtetem Refugium übernachten, sonst ist es wegen Einsturzgefahr verboten, die verlassenen Häuser zu betreten.) Man wandert durch dunkle Buchenwälder, in denen ich mich sehr heimisch fühlte und trifft tatsächlich auf Wildschweine und Rehe. Über Douch ging es weiter durch die imposanten Schluchten und sehr beeindruckende Felsenlandschaft des Héric (Les Gorges d’Héric), und weiter durch Mons, in Richtung Olargues.
Von da aus nahm ich dann den Bus nach Castres und von da nach Toulouse, wo ich noch ein paar Tage verbrachte. Ich war verblüfft über das hohe Tempo, in dem ich eine Strecke in wenigen Stunden zurücklegte, für die ich zu Fuß mehrere Tage gebraucht hätte.

Die Fragen, die mir nach meiner Reise am häufigsten gestellt wurde, war:
Hattest du nicht Angst so ganz allein? War es nicht zu einsam? Meine Antwort ist: Angst hatte ich kaum (nur vor Wildschweinen) und ja, manchmal fühlte ich mich einsam. Aber dank des Alleinreisens konnte ich die Umgebung und Natur viel intensiver wahrnehmen. Und die Gespräche mit Menschen, die ich traf, werde ich so schnell nicht vergessen. Es gibt das Phänomen der spontanen Solidarität unter Pilgernden, auf die man sich verlassen kann.

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