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Reisebericht: Trekking in Kasachstan

Reisebericht: Trekking in Kasachstan

Nach Kasachstan zu reisen, hört sich viel komplizierter an, als es eigentlich ist. Man braucht als Deutscher kein Visum, es gibt super unkomplizierte und relativ günstige Flugverbindungen und das Leben dort ist so spontan und unberechenbar, sodass man auch nicht wirklich etwas planen muss – es kommt eh, wie es kommt 😊 Noch nie waren wir bei einer langen Reise so unvorbereitet und unvoreingenommen und noch nie wurden wir mit so vielen Glücksmomenten dafür belohnt.

Na ja, so ganz blauäugig sind wir auch nicht. Für unsere mangelhafte bis gar keine Vorbereitung gibt es doch einen Grund – und das ist die Tatsache, dass Kasachstan meine Heimat ist. Ich war also mental gut vorbereitet. Obwohl es schon fast 30 Jahre her ist, dass ich meinen Geburtsort verlassen habe, besteht über die Jahre hinweg noch eine starke Verbindung zu meiner besten Freundin aus der Kindheit, deren Mann zufälligerweise ein Bergguide im Raum um Almaty ist und sich bereit erklärt hat, uns zwei Wochen lang durch die Dostoprimechatelnosti vor Ort zu führen. Wir lassen uns von ihm über Zoom beraten und erstellen zusammen eine Packliste für die „klassischen“ Bergtouren. Bei konkreten Zielen und Routen lassen wir uns einfach überraschen – zwischen 1.000 und 7.000 Höhenmetern ist rund um Almaty alles dabei!

Dieses Geschenk des Schicksals lassen wir uns nicht nehmen, parken die Kinder bei den Großeltern in Nürnberg und düsen los back to the roots.

Der Flug nach Almaty dauert inklusive drei Stunden Umstieg in Istanbul ca. zwölf Stunden. Man kann auch von Frankfurt/ Main in acht Stunden direkt hinfliegen. Nach einem entspannten Flug landen wir mit dem Sonnenaufgang in der ehemaligen Hauptstadt Kasachstans und schon wenige Minuten später werden wir von meiner Freundin und ihrem Mann herzlich empfangen. Schon am Flughafen fällt uns die atemberaubende Bergkulisse auf – die Stadt ist umrandet von Hunderten von Berggipfeln, teilweise bereits von der Sonne wachgeküsst, teilweise in Nebel gehüllt oder (im Hochsommer!) noch vom Schnee bedeckt.

Das Taxi bringt uns in unsere Mietwohnung im Zentrum der Stadt, in der wir uns fix ausruhen, bevor es zu einer kurzen Stadtbesichtigungstour weitergeht. Wir laufen ziellos durch die Straßen, mampfen unterwegs diverse, super leckere heimische Köstlichkeiten, lassen uns von unseren Freunden mit Geschichten und Anekdoten unterhalten und können es kaum fassen, dass wir so weit weg von zu Hause sind. Die Stadt ist eine kunterbunte Mischung aus postsowjetischer Vergangenheit, moderner bis skurril dekadenter Gegenwart und einer Zukunft, in der sich die Kasachen noch nicht einig zu sein scheinen, welchen Weg sie als eigenständiges Land genau beschreiten wollen. Denn das große Land strotzt vor Ressourcen; die Begehrlichkeit der Nachbarländer ist groß und so vielfältig, wie die Naturschätze sind, sind auch die Entwicklungsmöglichkeiten des Landes. Überall treffen wir auf muslimisch/orientalisch angehauchte Stilrichtungen, die sich mit europäischen, russischen und sogar asiatischen abwechseln. Im Nationalmuseum kann man in die kasachische Geschichte bis in die Entstehungswurzeln eintauchen und die vielfältigen Facetten der kasachischen Mentalität kennen und lieben lernen.

Doch wegen der Stadt sind wir nicht hier! Wir wollen hoch hinauf und so verabreden wir uns mit unserem Guide Vadim (Liebe auf den ersten Blick) gleich am nächsten Morgen für die erste Wanderung. Die Berge dort sind recht steil, wild und das Wetter ist absolut unberechenbar. Um eine von Vadim geplante längere Tour mit Übernachtung auf 3.600 Höhenmetern unbeschadet zu überstehen, möchte er unbedingt ein paar Akklimatisation-Touren auf kleinere Gipfel mit uns unternehmen. Wir fahren mit dem öffentlichen Bus bis nach Shymbulak, ein Ski-Resort mit der weltberühmten Eisschnelllaufbahn Medeo, die von den 4.500 Meter hohen Bergen des Transili-Alataus umrandet ist.

Der Transili-Alatau ist ein Teilgebirge des Tianshan-Gebirges, befindet sich zwischen Yssykköl (Kirgisistan) und Almaty und hat den Pik Talgar mit 4.979 Metern als höchsten Gipfel. Wir fahren mit der Seilbahn hoch und passieren dabei den geschichtsträchtigen Ort, das Alpinlager Gorelnik. Zumindest für mich ist dieser Ort einzigartig, denn genau hier haben sich vor 50 Jahren meine Eltern als junge Alpinisten kennengelernt. Vom Lager ist leider nicht mehr viel übriggeblieben, nachdem es in den 1970er-Jahren von einer Steinmoräne begraben wurde. Bei der Wanderung am nächsten Tag entdecken wir lediglich ein paar Überreste der ehemaligen Unterkünfte.

Oben angekommen, merken wir recht schnell die dünne und kalte Luft und machen zum ersten Mal Begegnung mit dem sehr zickigen Wetter des Transili-Alataus. Gestartet bei hitzigen 30 Grad in der Stadt laufen wir oben bei angenehmen 20 Grad Richtung Gipfel los und werden auf dem Grat von einer schwarzen Wolke überrascht, die eiskalte Luft und brummende Donnergeräusche mit sich bringt. Nach der Besteigung des geografischen Gipfels wartet am Startpunkt der kulturelle Gipfel des Tages auf uns: eine traditionelle, kasachische Jurte, die pünktlich zum Unwetterbeginn die Tore für uns öffnet. Uns erwartet eine warmwollige Atmosphäre zwischen Schafsfellen, Filzteppichen und hin und her wuselnden Gastgebern, die im Wechsel Kumis (vergorene Stutenmilch) und frisch gebackene Baursaki (kasachisches Fingerfood – kleine frittierte und unverschämt leckere Teigbällchen) servieren.

Die erste Prüfung ist erfolgreich bestanden und nach wenigen Tagen und ein paar weiteren Trainingswanderungen brechen wir auf unsere 2-tägige Tour auf.

Dabei handelt es sich um einen Teil der sehr beliebten Route, die die Einheimischen als „Krugoswetka“, also „kosmische Weltreise“ betitelt haben. Sie führt uns vom Tal Alma-Arasan über den Pass in das Tal der Seen. Der kosmische Teil besteht dabei nicht nur in dem atemberaubenden Sternenhimmel in der Nacht, sondern auch darin, dass sich im Zentrum zwischen den beiden Tälern das wissenschaftliche Zentrum zum Messen der kosmischen Strahlung befindet.

Wir überqueren reißende Bäche, laufen an heißen Quellen und Wasserfällen vorbei, das Wetter ist mild und wohlgesonnen, bis plötzlich der Himmel aufreißt und wir von Blitz und Hagel gejagt werden. Zum Glück ist es nicht mehr weit bis zu einer Schutzhütte (davon gibt es in den Bergen mehrere), in die wir durchnässt einfallen. Wir sind nicht allein: Uns erwartet eine Gesellschaft aus einem älteren Bergsteiger und zwei Jugendlichen, die sich absolut unvorbereitet in die Berge verirrt haben und sich nun von dem erfahrenen Herren Tipps und Tricks rund ums Bergsteigen holen. Jeder von uns kriegt sofort eine Tasse mit heißem Tee in die Hand gedrückt und eine warme Mahlzeit köchelt schon auf dem Herd. Wir verbringen eine unglaublich herzliche Stunde mit den dreien, teilen untereinander Essen auf, erfinden Witze, wie: „Da treffen sich ein Deutscher, ein Russe und ein Kasache in einer Schutzhütte …“ und sind fast schon traurig, als die ersten Sonnenstrahlen durch das beschlagene Fenster zu sehen sind.

Die Hütten sind sehr gut ausgestattet, es gibt einen Ofen, ein paar Doppelstockbetten, eine Solaranlage auf dem Dach (!), d. h. auch mit viel Glück etwas Strom. Und es gibt ein Regal, in dem etwas Essen gebunkert wird. Nach der alten sowjetischen Tradition soll man etwas mehr dalassen, als man genommen hat, für diejenigen, die evtl. mit leerem Rucksack in der Hütte ankommen.

Doch es gibt einen Haken: In dieser Grenzregion zwischen Kasachstan und Kirgistan gibt es Grenzpatrouillen und die Soldaten nisten sich oft in diesen Schutzhütten für mehrere Tage ein. Da muss man dann als „normalstreblicher“ Tourist doch draußen bleiben. Diese Erfahrung machen wir tatsächlich am selben Tag acht Stunden später, als wir wieder vom Unwetter überrascht werden. Das ist übrigens ein Grund dafür, dass man in dieser Region nicht ohne Guide rumlaufen sollte. Beide Länder sind sehr empfindlich, was ihre Staatsgrenze angeht. Bergtouren müssen offiziell angemeldet werden, wobei die Art und Weise der Anmeldung nicht so einfach durchschaubar ist. In der Regel geschieht das über die Guides. Unser Vadim beherrschte sein Handwerk zum Glück gut und hat uns im Vorfeld inkl. eingescannter Pässe (wo auch immer) angemeldet, wir passieren die Grenzkontrolle problemlos und dürfen weiter Richtung kirgisischer Grenze ziehen.

Gewitter, Regen, Hagel und aber auch wunderschöne, sonnige Momente, begleitet von Regenbögen über den ganzen Himmel, wechseln sich quasi im 5-Minuten-Takt ab. Wir kommen an unserem Übernachtungsort an, der auf knapp über 3.000 Höhenmetern und am Fuße eines Gletschers gelegen ist. Es gibt eine leckere, warme Mahlzeit vom einheimischen Trekkingnahrungshersteller namens DAMDI BAKERY&FOOD (gibt es in Almaty in diversen Trekkingläden zu kaufen) und eine willkommene musikalische Überraschung von unserem Vadim, der nach dem Abendessen seine Maultrommel auspackt und unsere Herzen noch mehr verzaubert. In der absoluten Stille, von der wir umgeben waren, klang das wie etwas Kosmisches und absolut Reines. Die Nacht war erstaunlich mild (knapp über 0 °C) und ruhig, aber vielleicht lag es auch an den 25-km-Marsch, den wir hinter uns hatten.

Am nächsten Tag machen wir einen Abstecher zum Schottlandsee und laufen in Richtung unseres Hauptziels, den Pass. Oben angekommen (3.600 Höhenmeter) stockt uns der Atem. Wir haben eine 360-Grad-Bergkulisse um uns herum, über uns sind Gletscher, die (hoffentlich) nie abtauen, unter uns sind schon die saftigen Blumenwiesen der Täler zu sehen und wenn man ganz aufmerksam ist, hört man auch die Murmeltiere pfeifen. Diese knuffigen Nagetiere waren unsere ständigen Begleiter und wenn das Laufen dann doch eintönig wurde, konnte man einfach den Blick über die Landschaft schweifen lassen und die dicken pelzigen Hintern zählen, die überall zu sehen waren.

Den höchsten Punkt der Route lassen wir hinter uns und haben einen entspannten und traumhaft schönen Abstieg durch das Tal der Seen zum Fluss Osornaja vor uns. Am Fluss wurde vor wenigen Tagen eine neue Brücke errichtet, die wir gleich testen dürfen. Genau in diesem Tal kann man mit einer hohen Wahrscheinlichkeit auch ausländischen Alpinisten begegnen, denn hier kreuzen sich zwei berühmte Routen – unsere „kosmische Weltreise“ und der Aufstieg zum 4.000er Pik Sowetow.

Wir laufen dem Sonnenuntergang entgegen, diverse musikalische Weltklassiker vor uns hin pfeifend. Unser Tagesziel ist der Große Almaty-See. Der See ist die Visitenkarte der Stadt und ist auf jeden Fall ein Must-have.

Auf der gesamten Tour haben wir nur unten im Tal eine kleine Gruppe Touristen getroffen, ansonsten waren wir 48 Stunden lang nur von wilder Natur und unseren pfeifenden, pelzigen Freunden umgeben. Möge diese kosmische Ruhe mich noch lange im hektischen Alltag begleiten.

Anreise

Die Anreise ist unkompliziert: entweder mit Umstieg in Istanbul oder Direktflug von Frankfurt/ Main. Als Deutscher benötigt man unter 30 Tagen Aufenthalt kein Visum und keine sonstigen Anmeldungen. Kasachstan gilt als sicheres Reiseland; nur in der Großstadt sollte man die üblichen Vorsichtsmaßnahmen beachten und nicht mit dem offenen Geldbeutel herumlaufen 🙂

Fortbewegung vor Ort

Almaty hat sehr gute und zuverlässige öffentliche Verkehrsmittel, seit ca. 10 Jahren gibt es sogar eine U-Bahn. Mit dem ÖPNV kommt man in der unmittelbaren Umgebung auch an sehr viele Wanderrouten. Taxifahren ist aber auch sehr günstig und zuverlässig (genauer berichte ich darüber im kommenden 2. Teil meines Reiseberichts). Was tatsächlich eher selten zu sehen ist, sind Radfahrer. Vermutlich liegt es an der hügeligen Landschaft und dem Nichtvorhandensein der Radwege.

Geld und Kosten

Ich habe selten im Ausland mit so wenig Aufwand Geld abgehoben oder damit bezahlt. Man kann quasi überall mit Kreditkarte bezahlen oder Geld abheben. Kasachen nutzen ein eigenes Bezahlsystem mit QR-Code, dafür benötigt man aber eine spezielle App der kasachischen Bank. Sogar Bettler oder Straßenmusiker nutzen den QR-Code (das ist kein Witz!). Man kommt aber, wie gesagt, auch ohne wunderbar zurecht und ohne zusätzliche Gebühren. Beim Einkaufen ist es wie in der verkehrten Welt: Supermärkte sind recht teuer (manchmal sogar teurer als in Deutschland), dafür gibt es aber in jedem Stadtviertel Wochenmärkte, wo man frische Waren (frisches Brot direkt aus dem Ofen, frisch gefangene Fische, frisch geerntetes Obst und Gemüse) für sehr wenig Geld und in guter Qualität bekommt. Die Stimmung ist hier unvergesslich, sehr herzlich und man bekommt immer genug Essen zum Probieren 🙂 Kasachen sind sehr gastfreundlich und es ist ihnen sehr wichtig, dass ausländische Gäste nicht verhungern 🙂 (Auch dazu schreibe ich mehr in meinem zweiten Reisebericht)

Übernachten

Ferienwohnungen sind recht günstig, zwischen 30 und 50 €/Nacht bekommt man gut ausgestattete Ferienwohnungen, ob direkt am Flughafen oder in der Innenstadt. Wir haben über booking.com gebucht.

Sprache

Das Thema kann ich tatsächlich schwer einschätzen, da ich natürlich ausschließlich auf Russisch kommuniziert habe. Mein Mann ist mit Englisch recht gut zurechtgekommen. Ich weiß aber von unserem Guide, dass übliche Übersetzungsprogramme sehr beliebt sind und auch problemlos genutzt werden können. Ich würde aber nicht davon ausgehen, dass alle problemlos Englisch sprechen. Almaty ist eine Millionenstadt und sehr modern. Hier gibt es tatsächlich recht viele Ausländer aus der ganzen Welt, man ist also als Deutscher kein Alien 🙂

Begleitung

Aufgrund der Nähe zu Kirgistan, aber auch wegen der Tatsache, dass man in einer absoluten Wildnis ist, ist eine „offizielle“ Begleitung in Form eines Bergguides empfehlenswert. Zumindest sollte man sich bei Ortskundigen die Möglichkeit einer Anmeldung erfragen.

  • Wie bereits erwähnt, ist das Wetter eine Zicke, also ist die gute Regenbekleidung ein absolutes Muss.
  • Einen Satz Trockenwäsche und Socken, verpackt in einem wasserdichten Beutel, sollte man immer griffbereit haben, denn wenn man, wie ich, die Erfahrung macht und beim Flussüberqueren Fuß über Kopf im eiskalten Wasser landet, sollte man so schnell wie möglich die Klamotten wechseln.
  • Unser Guide Vadim hat eine sehr gute und übersichtliche Internetseite mit zahlreichen Bergrouten der Region erstellt, dort kann man sich mittels Google-Übersetzer den einen oder anderen Tipp holen: demal.kz
    Über diese Internetseite lässt sich auch der Kontakt zu dem besten Guide der Welt herstellen 😊 Vadim kann auch bei der Vermittlung deutsch- oder englischsprachiger Guides unterstützen. Unsere Tourbeschreibung findet man auf seiner Internetseite hier: https://demal.kz/route/zailiyskiy-alatau/bolshoe-almatinskoe-ushchele-bau/ges2-ges1/bolshaya-kosmicheskaya-krugosvetka/
  • www.visitalmaty.kz: offizielle Internetseite der Stadt mit sehr vielen Tipps, mit Wanderrouten-Vorschlägen und sonstigen Ausflug-Tipps – auch auf Englisch verfügbar.

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