Dein Abenteuer beginnt hier!
Sven
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12. November 2005
Überschaubar:Danzig – Kaliningrad im Faltboot, 2 Wochen im Juli 2005.
Vielfältig: Aus der Hanse (Danzig) über Fluss (Weichsel), Meer (Ostsee), Land (Frische Nehrung) und See (Frisches Haff) in eine tote Stadt (ehemaliges Königsberg).
Widersprüchlich: Eine naturräumliche Einheit (die Frische Nehrung und ihr Haff) in historischem Territorium (ehemaliges Ostpreußen).
Auf der Hälfte geteilt: Die Grenze verläuft im Sand der Frischen Nehrung, kein Grenzübergang, aber zwei Staaten mit konträrer Ausrichtung. Zerrissenes Land. Abweisend und gastfreundlich. „It’s a strange country“ (Polnischer Grenzhafen über die Einreise nach Russland)
Osteuropa, von den Masuren über die Kurische Nehrung bis ins Baltikum, das sind bekannte und beliebte Reiseziele, aber die Frische Nehrung und ihr Haff, wer kennt das schon? Ostsee wie vor 100 Jahren?
Fast. Der Kaliningrader Teil der Frischen Nehrung ist Russisches Sperrgebiet. Seit 55 Jahren kaum betreten. Die Küstenlinie, der schöpferischen Zerstörung der Ostsee ausgesetzt, folgt weitestgehend ihrem natürlichen Verlauf. Kultivierte, geradlinig befestigte Strände finden sich nur auf polnischer Seite. Ganz pragmatisch: Spannendes vor der europäischen Haustür. Im Zug über Nacht erreichbar (Polen), trotzdem fremd und exotisch (Russlands Enklave Kaliningrad). Binsenbummeln und Meeresrauschen zwischen Feuchtwäldern und Dünen.
Paddeln auf der Ostsee?
Konstanter Rückenwind (vorherrschender Westwind), das Meer trotzdem häufig ein Ententeich, Sandstrand nie weiter als ein paar hundert Meter entfernt. Die Badegäste vermitteln den Eindruck, der tatsächlich vorherrscht: Was soll daran schwierig sein.
Klar geht es auch anders. Heftige Brandungswellen und ablandiger Wind bis hin zum Seenotfall.
Trotzdem: ein wachsamer Blick zum Wetter, das Ufer immer griffbereit, eine dichte Spritzdecke, ein funktionierendes Steuer und Paddeln auf der Ostsee ist kein ernstes Seekajakfahren.
Viel kritischer: das Haff. Durch die geringe tiefe (~2-3 m) bauen sich kurze, steile Wellen extrem schnell auf. Und die Topografie verleitet zum Queren im 10 km Bereich, weiter als man jemals an der Ostsee vom Ufer entfernt ist. Zudem: häufig Steilufer. Das echte Seekajakfahren findet daher in der unechten See statt.
Wie unterscheiden sich der polnische und der russische Teil?
Extrem.
Polen: Zukunftorientiert und weltoffen, aber auch mallorca-touristisch (Hüpfburg, Strandparty) an der Ostseeseite. Doch wiederum ruhig-beschaulich am Haff.
Russland: Weltfremd und gottverlassen. Verfallen und Vermüllt. Exotisch unfreundlich (Schalterbeamte, Besucherregistrierung) und penetrant gastfreundlich (Vodka). Wie abgefahren es dort zugeht, zeigen aktuelle Meldungen (Mord und Totschlag).
Und die verbotenen Strände? Ostsee wie vor 100 Jahren?
Tja, wenn man das mal untersuchen könnte. Das Sperrgebiet blieb auch uns verschlossen. Die Genehmigung für den Militärhafen Baltijsk ist sicher noch über ein russisches Reisebüro zu bekommen. Die zweite Sondergenehmigung, für das innere der Nehrung, gibt es beim KGB. Viel Spaß!
Wie gestaltete sich der Grenzübertritt Polen-Russland (auf dem Wasser)?
Gar nicht. Der polnische (See-)Grenzschutz gab uns freies Geleit, aber keine Gewähr. Vor Wochen sei einem Segler trotz gültigem Visum die Einreise in Baltijsk (offizieller Seehafen) verwährt worden. Begründung: Einreise im (Ostseehafen) Baltijsk nur bei Ausreise vom (Ostseehafen) Danzig und nicht von Frombork (Hafen am Haff). Konsequenz: angewiesene Umkehr
Unterschied: Wir hätten von Frombork nach Baltijsk mind. 2 Tage gebraucht (60 km). Eine zwangsläufige Zeltübernachtung vor der offiziellen Einreise (event. im Sperrgebiet) eingeschlossen. Für russischen Verhältnisse eine heiße Sache. Zu heiß. Vom eventuellen Rückweg (Gegenwind) noch abgesehen.
Außerdem hatten wir schließlich FALTboote dabei. Mit Bus und Bahn (20 km) ging es (problemlos) von Frombork über Braniewovo (PL) nach Mamonovo (RUS). Ein kleiner Zufluss führt zurück ins Haff. Freie Fahrt nach Kaliningrad.
"Der Himmel hat dem Menschen als Gegengewicht zu den vielen Mühseligkeiten des Lebens drei Dinge gegeben: die Hoffnung, den Schlaf und das Lachen." Immanuel Kant (Königsberg 1781)
… und das Reisen. Aber das konnte er nicht wissen, da er zeitlebens Königsberg nie verlassen hat. Was für ein Fehler.
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