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Graveltour durch das Havelland

Graveltour durch das Havelland

Was wir wollen: Ein paar Tage raus aus der Stadt, eine mehrtägige Tour durch eher unberührtes Gelände, eine kurze Anreise von Leipzig aus und vor allem möglichst wenige Menschen. Das schreit doch alles nach Brandenburg! Eine kurze Recherche auf einer bekannten Bikepacking-Seite gibt dann den letzten Ausschlag, denn die dort beschriebene 3-Tages-Tour Havel Wetland Wander klingt exakt nach dem, was wir suchen. Mit leichten Abwandlungen folgen wir dieser Tour und laden in nur drei Tagen unsere emotional-sozialen Akkus wieder auf.

Die Tour Havel Wetland Wander auf bikepacking.com ist ein 170 km langer Rundkurs gegen den Uhrzeigersinn, der in Brandenburg a. d. Havel beginnt und endet und in drei Tagen gut zu fahren ist. Besonders Ambitionierte können die Strecke auch in zwei Etappen bewältigen, wir hingegen entscheiden uns für den Urlaubsmodus. Die Route folgt mal mehr, mal weniger dem Verlauf der Havel und erreicht ihren nördlichsten Punkt kurz oberhalb des Gülper Sees.

Wir modifizieren sie nach unseren eigenen Bedürfnissen ein wenig: Unseren Startpunkt verlegen war nach Bad Belzig, weil sich die Anreisezeit damit um knapp eine Stunde verkürzt und wir außerdem das Regio-120-Ticket nutzen können. Bis zum eigentlichen Startpunkt Brandenburg/Havel sind es dafür noch mal 40 km extra. Um die Etappen gleichmäßiger zu gestalten und am letzten Tag nicht allzu spät wieder daheim zu sein, drehen wir die Route außerdem um und fahren sie im Uhrzeigersinn. Eine dritte Veränderung bauen wir spontan am zweiten Tag ein: Da ich den Großteil des Tages mit beharrlichen Kopfschmerzen zu kämpfen habe und ausgerechnet die Apotheke in Rhinow nicht geöffnet hat, bestehe ich auf einer Übernachtung auf dem Campingplatz mit warmer Dusche zum Abspülen der hartnäckigen Melange aus Sonnencreme, Salz und Dreck. So fahren wir den Zeltplatz Seeblick in Hohenauen an, statt auf dem Biwakplatz in Gülpe zu übernachten. Mit diesen kleinen Veränderungen ergeben sich diese Etappen:

Bad Belzig – Biwakplatz Bahnitz: 67,3 km
Biwakplatz Bahnitz – Campingplatz Seeblick: 91,5 km
Campingplatz Seeblick – Brandenburg a. d. Havel: 45,5 km

Die Tour ist quasi ein erfahrbares Verzeichnis der verschiedensten Untergründe. In loser und sicherlich unvollständiger Zusammenstellung befahren wir Fortstwege in verschiedenen Schlammgradienten, mit und ohne Schotter, samtweich betonierte Radwege, Kopfsteinpflaster aus verschiedenen Jahrhunderten, Trampelpfade auf dem Deich, Waldwege, Asphalt und 80 cm hohe Wiesen und fluchen von Zeit zu Zeit über die ultimativen Endgegner: Panzerstraßen und Märkischen Sand. Erstere sind leider eine Tortur für den Kopf und die Handgelenke, Letzterer ist einfach nur tückisch und verhindert zuweilen schlicht und ergreifend das Weiterfahren. Da rollst du selig lächelnd durch die Gegend, lässt den Blick schweifen über die zum Jauchzen schöne Landschaft und stellst in dem Moment, in dem es dir dein Hinterrad komplett wegreißt und jeder Lenkeingriff alles nur noch schlimmer macht, fest: Hier hat der Märkische Sand ganz andere Pläne mit dir, zwingt dich zur Hyperfokussierung auf den Boden unmittelbar vor dir, zum Runterschalten und zum Schneckentempo. Manchmal geht es auch nur noch schiebenderweise voran. Besonders tückisch am letzten Tag: In der Nähe befindet sich eine Lake und die Gegend ist Mücken-Hoheitsgebiet. Wäre eigentlich lustig, hätte uns jemand dabei gefilmt, wie wir versuchen, gleichzeitig die Räder durch den Sand zu schieben und mit den Armen um unsere Körper zu wedeln, um nicht komplett zum Stechbiesterbuffet zu werden. Hier sei kurz ein Kommentar zu der Tour bei bikepacking.com zitiert: „Works flawless but you better sit in bath tub filled with Autan or anti brumm before you hop on ya bike. Those Havelland Moskitos will [c]hase you and land on you while pedaling too slow in [s]and sections.“ Funfact: Autan löffeln die dortigen Mücken zum Frühstück. Es hilft Über! Haupt! Nicht! Wussten wir eigentlich vorher, aber wir haben es trotzdem noch mal für euch getestet. Serviceorientiertes Reisen!

Aber eigentlich klingt das hier viel zu negativ, denn die Tour macht – ein geeignetes Rad und grundlegende Fahrsouveränität vorausgesetzt – schon mächtig Spaß, weil sie so abwechslungsreiches Terrain bereithält und dadurch verdammt kurzweilig ist. Zum Teil nutzt sie den Havelradweg oder andere ausgebaute Strecken, meist in der Nähe von Ortschaften, um sie dann kurz darauf wieder zu verlassen. Langweilig wird es hier bestimmt nicht und das hat auch noch einen ganz anderen, noch viel wichtigeren Grund: die tolle Landschaft!

Der 3-Tages-Trail führt durch den weitläufigen Naturpark Westhavelland, das größte zusammenhängende Feuchtgebiet des europäischen Binnenlands. Die Route heißt also nicht ohne Grund Wetland. Das Havelland in diesem Teil Brandenburgs und Sachsen-Anhalts wurde zwar seit dem 18. Jahrhundert zu entwässern versucht, doch seit 2005 wird es unter der Federführung des NABU großflächig renaturiert. So ist die Landschaft nicht nur vom Fluss selbst geprägt, sondern auch von seinen zahlreichen Nebenarmen, von Sumpfgebieten und Feuchtwiesen. Diese sind nicht nur Lebensraum zahlreicher seltener Pflanzen, sondern werden im Frühjahr und Herbst auch von Zugvögeln frequentiert. Wer sich mit Flora und Fauna besser auskennt als wir, bekommt hier garantiert eine Extradosis Endorphine, wir hingegen freuen uns an den satten Farben, dem üppigen Bewuchs und fahren zufällig an Fuchs und Hase vorbei, die sich mitten am Tag gute Nacht sagen. Auch an Störchen mangelt es nicht. Den ersten Weißstorch sehen wir noch in einer Ortschaft im Horst, später beobachten wir ein Exemplar, das pittoresk zwischen knallgelben Sumpf-Schwertlilien steht und am nächsten Tag kommen wir mit Zählen gar nicht mehr hinterher. Über eine Wiese, die gerade gemäht wird, staksen die schwarzweißen Rotschnäbel umher und schlagen sich die Bäuche voll mit aufgescheuchten Fröschen oder Nagegetier. Ein beeindruckendes Schauspiel für uns Stadtmenschen.

Auch wenn der Weg mal ein wenig abkommt vom eigentlichen Flusslauf, ist er herrlich geführt durch duftende Kiefern- und Mischwälder, die eine willkommene Abkühlung in der heißen Mittagssonne bieten. Und auch wenn es hier trockener ist: Die Allgegenwart von Mücken verrät, dass das Wasser nie sehr weit entfernt ist.

Kopf durchpusten, Auszeit von Menschen, Bewegung an wohlduftender Luft, vielfältigste Landschaften, an denen die Augen sich nicht sattsehen können und eine Wegführung, die keine Langeweile aufkommen lässt: Das alles erleben wir auf dieser dreitägigen Graveltour durch das Havelland. Für alle, die keine große Lust auf Höhenmeter haben und trotzdem fahrerisch ein wenig gefordert werden möchten, bietet dieser Track genau den richtigen Mix aus sportlichem Anspruch und Gelegenheiten, den Blick schweifen zu lassen. Die gute Anbindung, die vorhandenen Biwak- bzw. Campingplätze und Versorgungsoptionen an der Strecke ermöglichen einen Erholungseffekt selbst bei dieser kurzen Tour. Echte Empfehlung für eine kleine Auszeit (fast) direkt vor der Haustür!

Anreise

Wir reisen mit dem Regionalzug von Leipzig nach Bad Belzig (Umstieg in Dessau) mit dem Regio-120-Ticket. Der Rückweg beginnt in Brandenburg/Havel und beinhaltet Umstiege in Magdeburg und Roßlau mit ausreichend Umstiegszeit. Hierfür nutzen wir das etwas teurere, aber immer noch erschwingliche Regio-120plus-Ticket. Das 49-Euro-Ticket ist aktuell natürlich auch eine super Option. Für Brandenburg ist theoretisch ein Fahrradticket erforderlich, sehen wollte es niemand.

Übernachtung

Wir sind mit dem Zelt unterwegs und planen Übernachtungen auf Biwakplätzen, die Wasser- und Radreisenden zur Verfügung stehen.
Der Biwakplatz Bahnitz liegt idyllisch direkt an der Havel und bietet ausreichend Stellplätze für Zelte. Er ist mit minimalen, aber sauberen Sanitäranlagen, teils überdachten Sitzplätzen und einem Feuerplatz (Feuerholz beim Hafenmeister zu erwerben) ausgestattet. Von Freitag bis Sonntag gibt es auch eine Imbissversorgung (wir waren leider an einem Dienstag da 🙁 ), ansonsten gibt es im Ort aber keine Einkaufsmöglichkeiten. Wer kein Essen dabei hat, muss sich also schon eher kümmern. Die warme Dusche kostet 1,- € für 6 Minuten, ansonsten lockt bei schönem Wetter auch der Sprung in die Havel direkt am Platz. Die Übernachtung kostet 5,- €/ Zelt. Es gibt eine Münztoilette, die genutzt werden muss, wenn das andere Sanitärabteil mit Dusche und Klo besetzt ist. Kleingeld wechselt der Hafenmeister.
Der Biwakplatz Grütz, der eigentlich für unsere zweite Übernachtung geplant war, ist recht klein und nur für vier Zelte ausgelegt. Die Übernachtung hier kostet 2,50 €/ Person. Auch hier gibt es eine Feuerstelle, das Holz dafür ist am Platz vorhanden. Strom und Wasser sind über Münzzapfsäulen erhältlich.
Wir weichen für unsere zweite Übernachtung auf den Campingplatz Seeblick in Hohenauen aus und zahlen für zwei Personen und ein Zelt 13,- €. Die ersehnte heiße Dusche kostet noch mal 1,- € für 6 Minuten. Für Kurzgäste stehen drei verschiedene Zeltwiesen zur Verfügung, eine davon direkt am See, die wir aber aufgrund der immensen Mückendichte überhaupt nicht in Betracht ziehen. Auch auf der oberen Wiese sind die Plagegeister jedoch so zahlreich vorhanden, dass wir uns bezeiten ins sichere Zelt zurückziehen. Wer nur mit einem Tarp unterwegs ist, sollte sich hier definitiv mit einer wirksamen Insektenabwehr marinieren! Angrenzend gibt es ein vermutlich gutes Fischrestaurant. Wir sind für die Bewirtung zu spät dran (Eis nur bis 18 Uhr!), ist aber kein Drama für uns, denn wir haben uns in Rhinow mit türkischen Köstlichkeiten den Magen vollgeschlagen. Bier und einen grandiosen Gin Tonic bekommen wir aber auch noch kurz vor Schluss.

Verpflegung

Wir kommen zwar unterwegs an einigen kleinen Supermärkten vorbei, haben uns aber schon vorher mit ausreichend Verpflegung eingedeckt, um darauf nicht angewiesen zu sein. Etwas Obst, Eis oder eine Cola zwischendurch gönnen wir uns natürlich trotzdem.

Unsere Räder

Manuel fährt sein feines Veloheld IconX Titan mit 48er-Schlappen, bestückt sein Ortlieb Quick Rack Light mit den Gravel Packs und bringt leichtes Equipment in einer Vintage-Lenkertasche unter. Ich bin mit meinem Breezer Radar, ganz klassischen Ortlieb Back-Roller Classic und einem kleinen Frontbarrel unterwegs – ich hab’s gern unkompliziert und möchte nicht stundenlang Packtetris spielen. Dadurch bin ich aber auch etwas hinterradlastiger, was sich im Märkischen Sand ziemlich stark bemerkbar macht, denn es verreißt das Hinterrad dann schon spürbar. Aber alles kein Drama, muss man halt mal die Geschwindigkeit drosseln oder im Zweifelsfall schieben.
Die Tour erfordert definitiv ein Gravel- oder Mountainbike mit einsprechend breiten Reifen, damit sie Spaß macht. Je leichter das Gepäck, desto fluffiger lässt es sich außerdem manövrieren.

Navigation

Die Route Havel Wetland Wander lässt sich als gpx-Datei von bikepacking.com herunterladen und mit GarminConnect nach Bedarf weiterverarbeiten. Überwiegend sind wir mit dem Garmin Edge 530 unterwegs. Die spontane Routenumplanung am zweiten Tag erledigt Manuel dann über komoot am Smartphone, weil das in Sachen Handling unterwegs etwas komfortabler funktioniert.

  • Mückenschutz!
  • Sonnenschutz: Buff oder Mütze und Sonnenbrille sowie Sonnencreme
  • Zelt/ Tarp, Isomatte und Schlafsack für Übernachtungen auf den Biwak- und Zeltplätzen. Hotels, Pensionen & Co. sind ziemlich rar gesät und außerdem überhaupt nicht am Weg gelegen.
  • Mückenschutz! Echt jetzt.

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