Ha, endlich! Nördlich des Loch Lomonds erheben sich die Ländereien der alten schottischen Clans: die Highlands. Man folgt nun dem River Falloch, der mit seinen zahlreichen Wasserfällen und tosenden Wassermassen gerade nach einem starken Regen besonders beeindruckend ist. Auch hier ist der Pfad nicht wirklich schwer – einzig die Schönheit der Natur mag die Schritte des Wanderers etwas verlangsamen.
Je weiter nördlich man wandert desto schwieriger wird das Gelände, kräftezehrende Aufstiege häufen sich. Vorbei an dem oft in Nebelwolken verschwindenden Beinn Dorain (1074 m) über Bridge of Orchy erreichen wir nun ein Gebiet, das sich gänzlich von der bisherigen Seen- und Waldlandschaft unterscheidet. Um uns herum erheben sich immer mehr Hügel und wir haben nun wirklich das Gefühl, die Darsteller von Braveheart oder Highlander würden bald um die nächste Felswand lugen. Besonders hervorzuheben ist der Hügel Mam Carraigh (325 m), der trotz seiner geringen Höhe wahrhaft atemberaubende Ausblicke auf die umliegenden Highlands bietet. Und vor allem: Außer einem einzigen Hotel ist hier von Zivilisation weit und breit nichts zu sehen. Wir hatten das Glück bei strahlendem Sonnenschein auf dem Hügel angekommen zu sein, doch ich kann mir vorstellen, das die Aussicht bei Regen nicht minder atemberaubend ist; phantasievoll geformte Wolkenformationen inklusive.
Nach dem Mam Carraigh erwarten den Wanderer die zwei härtesten Teilstrecken des West Highland Ways: Die Durchquerung des Rannoch Moor und der Aufstieg über das Devil’s Staircase zum höchsten Punkt des ganzen Pfades, hinauf auf 550 m. Das Rannoch Moor stellt aus mehreren Gründen eine Herausforderung dar: Der Wanderer ist auf dem Weg durch das Moor über 15 km hinweg sämtlichen Witterungsverhältnissen ausgesetzt und es bieten sich keinerlei Unterschlupf-Möglichkeiten. Des Weiteren gibt es im Moor natürlich eine Menge Midgets (winzige schottische Stechmücken.) Hinzu kommt, das die alte Militärstraße, die durch das Moor führt, aus grobschlächtigen Steinen gebaut ist, die selbst mit festem Schuhwerk sehr unangenehm zu begehen sind (vor allem da sie sich so lange hinzieht!). Bei gutem Wetter ist der Gang durchs Moor noch recht angenehm, bei Regen kann er allerdings sehr herausfordernd sein.
Tipp für Wildcamper: Auch wenn offizielle Quellen und die Schilder vor dem Moor anderes sagen: Es gibt ein, zwei Stellen unmittelbar direkt neben dem Weg wo gecampt werden kann; diese sind allerdings nicht sehr windgeschützt.
Die Belohnung folgt jedoch prompt auf dem Fuße. Zwischen dem Moor und dem Devil’s Staircase tut sich die meiner Meinung nach schönste Szenerie des ganzen West Highland Ways auf: im Tal verläuft eine einsame schottische Straße, an die sich das Kingshouse Hotel – das einzige der ganzen Gegend – schmiegt. Im Hintergrund erheben sich einige der eindrucksvollsten Hügel (die man jetzt auch schon Berge nennen könnte). Ein großes, wundervolles Gefühl von Abgeschiedenheit und Ruhe kehrt ein.
In den Hügeln nordwestlich des Kingshouse Hotels, nahe des beeindruckenden Stob Dearg (1022 m), befindet sich das Devil’s Staircase. Das hat mit Treppen zwar nur wenig, dafür mit Serpentinen aber umso mehr gemein. Der Aufstieg ist anstrengend, doch mit etwas Ausdauer ohne Probleme machbar. Erfahrene Bergsteiger werden schon Anstrengenderes erlebt haben. Die Aussicht von oben ist großartig!
Es folgt ein Abstieg, der nochmals in eine Kleinstadt hinabführt bevor der Pfad dann auf steilen Wegen wieder auf die ursprüngliche Höhe ansteigt. Vor dem Wanderer tut sich ein diesmal etwas höher gelegenes und ausgesprochen ruhiges Tal auf. Von hier aus ist es nicht mehr weit bis Fort William. Der Pfad durchquert nun ein Waldgebiet, das von Forstfirmen leider beinahe völlig zerstört worden ist. Die Gegend sieht eher trist aus und umso mehr freut man sich kurz darauf wieder in den tiefen schottischen Wäldern zu sein. So langsam neigt sich die Reise dem Ende zu. Auf den letzten Kilometern vor der Stadt ragen die spärlichen Überreste von Dun Deardail empor, einer aus dem Eisenzeitalter stammenden Befestigungsanlage. Von hier aus hat man eine hervorragende Sicht auf den Ben Nevis, den mit 1344 m höchsten Berg Großbritanniens.
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