Dein Abenteuer beginnt hier!
Daniel
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29. Oktober 2014
Die Tour führte mich über Ungarn, die Ukraine, Russland, Kasachstan und Usbekistan bis nach China. Diese Art des Reisens, langsam zum Ziel hin, die Veränderung der Landschaften, Menschen und Kulturen zu spüren, faszinierte mich dabei besonders. Der erste Teil meiner Zugreise von Leipzig nach China finden Sie hier.
Gerade im Unbekannten liegt die Herausforderung, dort, wo der Lonely-Planet noch nicht gewesen ist. Ich war schon in vielen fernen Ländern unterwegs – Thailand, Chile, Venezuela, USA – doch das sind alles typische Touristenziele. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass eine Gruppe Reiseverrückter mit der Bahn bis nach China fahren wollte. Von Kasachstan und Usbekistan hatte ich überhaupt keine Vorstellung – irgendwo zwischen Europa und China – so meine grobe geografische Einordnung. Doch genau darin besteht der Reiz dieser Reise für mich, die „grauen“ Flecken der eigenen Weltkarte durch bunte Farben abzulösen.
Von Astana führte uns die Zugreise nach Samarkand, früher eine der prächtigsten Städte entlang der Seidenstraße. Heute erlebt die Stadt, und Usbekistan generell, eine Renaissance. Viele Madresen werden renoviert, Farben aufgefrischt und erstrahlen oftmals wieder im charakteristischen Blau.
Wir kommen am Abend in Samarkand an und essen zusammen Plov, das Nationalgericht der Usbeken. Plov ist ein Reisgericht und wird mit Gemüse und Hammelfleisch abgeschmeckt. Bereits am Abend können wir einen Blick auf den beleuchteten Registan erhaschen. Am nächsten Morgen zeigt sich der Platz, an dem sich drei Medresen gegenüberstehen, von seiner prächtigsten Seite. Hier zu stehen und sich vorzustellen, wie sich viele Jahrhunderte die Hochkultur abspielte, ist sagenhaft. Wer die Bücher von Noah Gordon (z.B. der Medikus) gelesen hat, wird wissen, was ich meine. Die Architektur der Gebäude, Menschen und Religion sind für mich sehr ungewöhnlich und spannend zugleich. Charakteristisch für Usbekistan sind die blauen Kuppeln der Medresen und Moscheen. Die Stadt ist gehüllt in ein lehmbraunes Tuch. Die Unterschiede zwischen dem ultra-modernen Astana und dem mittelalterlichem Samarkand könnten kaum größer sein.
Wir besuchen einen großen Bazar, auf dem unter teils widrigen Umständen frischer Fisch und frisches Fleisch verkauft werden. Ich schlendere über den Markt, rieche an Gewürzen und koste Früchte. Beim Bezahlen fällt mir eine weitere Besonderheit Usbekistans ein. Das Geld!
Die usbekische Währung heißt Sum und jeder hier läuft mit Taschen voller Geld herum. Bis vor kurzem war der 1000-Sum-Schein die größte Geldnote des Landes und dieser war umgerechnet 30 Cent wert (Es wurde mittlererweile der 5000-Sum-Schein eingeführt). Beim Tausch von 30€ bekomme ich somit ca. 100 Scheine – ein tolles Gefühl, Taschen voller Geld zu haben.
Aber auch Usbekistan ist kein günstiges Land. Hier haben wir unser teuerstes Hotel der Reise, auch zum Abendbrot zahlen wir für ein Essen mit zwei Getränken 10-15€.
Mit dem Zug fahren wir weiter nach Buchara, mitten in die Wüste. Es ist der heißeste Ort unserer Reise. Das Thermometer zeigt 38 Grad im Schatten. Buchara ist, wie auch Samarkand, eine Stadt wie aus 1001 Nacht. Die Gebäude ähneln sich, haben jedoch ihren eigenen Charme.
Von Buchara aus brachte uns der Nachtzug in die Hauptstadt des Landes, nach Tashkent. Dort gibt es eine Metro, welche auch als Luftschutzbunker ausgelegt ist. Fotografieren ist hier streng verboten, was auch durch Milizen überwacht wird.
Tashkent ist im Gegensatz zu den letzten beiden Städten moderner. Es gibt viele neue Regierungsgebäude, jedoch fühle ich mich in der Stadt nicht wohl. Überall, so scheint es, ist Militär. So bin ich froh, dass wir noch am gleichen Abend zurück nach Kasachstan fahren. Der Grenzübertritt ist ein Erlebnis für sich. Vor der Ausreise bekommen wir eine Zollerklärung. Wir füllen alles brav aus, wobei insbesondere Devisen deklariert werden müssen. Wir zählen unsere mittlerweile bis zu 5 verschiedenen Währungen auf den Pfennig aus. Ein Zöllner mit Zigarre im Mund geht durch das Abteil und lässt übersetzen, dass wir alle rausgeschmissen werden, wenn er bei jemandem etwas „Verbotenes“ findet. Nachdem er mit seiner, durchaus überzeugenden Darstellung fertig ist und alle bereits beginnen die Taschen zu öffnen, sagt er: „I Love You, I Love You – Good Bye“ – was für ein A…, einigen Mitreisenden stand schon der Schweiß bis auf die Stirn!
In Kasachstan halten wir in Shymkent, wieder ein Zwischenhalt, um den passenden Anschlusszug zu erwischen. Wir nutzen den Tag, um in einer typischen Arcade-Halle einige Tenge (Währung in Kasachstan) auszugeben, und gehen anschließend in einem Freibad duschen. Nun setzen wir unsere Reise bis nach Almaty, der ehemaligen Hauptstadt Kasachstans, fort. Almaty liegt am Fuße des Tien-Shan-Gebirges mit bis zu 7.500m hohen Bergen.
Nach dem üblichen Städtetrip-Programm am ersten Tag fahren wir mit dem Bus zum Issyk-See. Links und rechts von uns erheben sich 5.000m hohe Berge und wir liegen zum Picknick am See und genießen die Aussicht. Sicherlich lässt es sich im Sommer hier wunderbar wandern, im Winter Skifahren.
Unser nächstes Ziel heißt Urumqi und ist, ähnlich wie Tibet, eine autonome Provinz in China. Urumqi liegt im Westen Chinas und gilt als kommende Mega-City. Überall wird gebaut, Wohnraum und Einkaufscenter geschaffen – doch was dabei auf der Strecke bleibt, ist die Kultur. Es gibt kaum Restaurants und Bars, religiöse Anlagen muss ich mit der Lupe suchen. Die politische Lage ist angespannt, vor unserer Anreise kam es zu mehreren Anschlägen. Bei unserer Ankunft ist der Bahnhof nahezu abgeriegelt, es ist überall Militär zu sehen. Vor dem Bahnhof stellen sich gleich nach unserer Ankunft Milizen um uns – sind wir sicher oder besonders gefährdet? Mit dem Linienbus fahren wir zum Hotel. Hier liefert uns die Routenplanung von Google Maps gute Dienste, denn Karte lesen ist hier nahezu aussichtslos. Im Hotel bekommen wir Visitenkarte des Hotels, um später nicht verloren zu gehen. Konnte man sich im Ostblick noch mit „Vokzal“, für Bahnhof, behelfen, so ist man in China ohne fremde Hilfe (oder Visitenkarte) komplett verloren.
In Urumqi fahren wir Riesenrad, besuchen eine Pagode und natürlich den Nachtmarkt. Gerade abends kann ich dem Anblick und den Gerüchen von gebratenem Fleisch, HotPot und diversen Leckereien nicht widerstehen. Wir mischen uns unters Volk und kosten uns durch die Straßen. Etwas versteckt finden wir einen weiteren Nachtmarkt, die Einwohner strecken ihre Hälse nach uns aus, freuen sich uns zu sehen. Am Ende des Nachtmarktes lasse ich mich rasieren. Wie in vielen anderen Ländern wird eine Rasur hier regelrecht zelebriert. Mit der Klinge am Hals fragt mich der Barbier, ob ich eigentlich Christ sei. Ich verneine ruhig mit einem „No Religion“ – doch etwas mulmig ist mir schon.
Die längste Fahrt unserer Reise, einmal quer durch China, steht jetzt bevor. Im durchaus komfortablen chinesischen Zug fahren wir ca. 35 Stunden bis nach China. Die Fahrt führt uns oftmals durch öde Landschaften, manchmal entlang von Reisefeldern. Wir essen im Speisewagen und machen uns mal wieder Instant-Nudeln warm. Xi’An erreichen wir einen Tag später am Abend. Die Stadt Xi’An war Ausgangspunkt der früheren Seidenstraße und erste Hauptstadt des Kaiserreichs China. Sie hat eine vollständig erhaltene, beeindruckende Stadtmauer.
Gleich am ersten Tag fahren wir zur Terracotta-Armee. In der größten der drei Hallen lassen sich die Tonkrieger aus nächster Nähe betrachten. Neben den bereits vollständigen Krieger liegen tausende zerbrochene Krieger bereit und warten darauf, wieder zusammengesetzt zu werden – eine Arbeit für die nächsten Jahrzehnte. Wieder zurück in der Innenstadt leihen wir uns ein Fahrrad und durchkurven die Innenstadt. Dabei machen wir am Südportal der Stadtmauer Halt und gehen durch das Künstlerviertel. Nachdem wir den Bell-Tower und den Drum-Tower besichtigt haben, finden wir den schönsten Nachtmarkt, den ich bis dahin gesehen hatte. (Recherchen ergaben, dass ich auf der Damai Market Hui Food Street war). Wir schlemmen uns durch die Gassen und essen als Krönung des Tages Krebse und kleine Schnecken, welche wir mit einem Zahnstocher aus der Schale ziehen.
Am nächsten Morgen musste ich schon wieder Abschied nehmen. Mein Flieger soll mich nach Shanghai bringen, jedoch nicht bevor ich mit einem Kumpel auf der Stadtmauer von Xi’An mit dem Tandem gefahren bin. Die gesamte Stadtmauer lässt sich per Rad oder zu Fuß umrunden, was wirklich ein Highlight ist. Alleine das Gefühl, mit einem Tandem auf einer chinesischen Stadtmauer zu fahren, war toll, wenn auch nur 10 Minuten lang. Das Taxi bringt uns in Windeseile zum Flughafen, um zur letzten Station der Reise, Shanghai, zu gelangen.
Zwei Stunden nach Abflug komme ich in Shanghai an. Im ehemaligen Vorzeigeprojekt deutscher Ingenieurskunst, dem Transrapid, fahre ich in die Innenstadt. Die Strecke von 40 Kilometern schafft die Magnetschwebebahn innerhalb von 8 Minuten, die Landschaft rauscht vorbei. Ich steige im Bankenviertel aus. Ich möchte die Stadt von oben sehen. Ein Mitreisender gab mir den Tipp, ins Shanghai World Financial Center und zwar dort in die Bar des Hyatt im 90. Stock des Gebäudes zu fahren. Von dort oben habe ich wahrlich einen tollen Blick. Ich lasse mich nieder und trinke die teuerste Tasse Tee meines Lebens – 9€ inklusive Trinkgeld. Der Fahrstuhl bringt mich im Anschluss wieder nach unten. Ich gehe an der Wasserkante entlang, schaue mir natürlich auch den Oriental Pearl Tower, das Wahrzeichen Shanghais, an. Anschließend wechsele ich auf die andere Seite des Flusses und gehe durch die Altstadt. Dort werde ich fast Opfer einer Teezeremonie.
Dies lief wie folgt ab: Ein chinesisches Pärchen bat mich ein Bild von Ihnen zu machen, sie seien auch Touristen. Wir kamen ins Gespräch und das Pärchen meinte, hier gebe es eine interessante Vorstellung um die Ecke. Ich willigte ein und wir gingen zusammen durch die Straßen. Sie schienen tiefgreifendes Wissen über die Geografie und Politik in Europa zu haben, das Gespräch war interessant. Irgendwann kamen wir „zufällig“ bei einem Teehaus an und ich wurde gefragt, ob wir nicht eine Tasse Tee trinken wollen. Normalerweise eine schöne Sache, gerade weil Tee im Normalfall hier günstig und gut ist. Aber bis hier und nicht weiter! Ich erinnerte mich an einen Bekannten, der bei solcher Zeremonie 150€ zahlen musste, da keine Preise ausgeschrieben waren. Deshalb Vorsicht, das wird ganz geschickt eingefädelt! Nachdem ich mich von dem Pärchen losgeeist habe, gehe am Bund (Wasserkante) entlang und lasse mich von der Beleuchtung der Hochhäuser verzaubern. Mit dem Schiff überquere ich wieder den Fluss, steige in die Metro, welche mich zum Flughafen bringt. Der Nachflieger trägt mich wieder zurück nach Frankfurt.
Ich reise 14.000 Kilometer durch die Welt, habe dabei in Summe eine Stunde Verspätung. In Deutschland angekommen setze ich mich in den Zug nach Leipzig – Durchsage in Fulda: „Wegen Bauarbeiten haben wir leider 40 Minuten Verspätung!“… Doch das nehme ich jetzt gern mit einem Lächeln in Kauf und beiße in ein herzhaftes Körnerbrötchen.
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2 Kommentare
Roswitha Soechtig | 05.Mrz.2017, 17:19
Meine Reisen mit dem Fahrrad von Deutschland nach China waren so schön, dass ich es wage, meine nächste Radreise allein auf dem HW1 um Australien zu unternehmen. In manchen Bereichen sieht die kasachische Steppe aus wie das Outback in Australien. Ich liebe es.
Roswitha Soechtig | 16.Okt.2015, 13:27
Zweimal bin ich allein auf unterschiedlichen Wegen von Deutschland nach China geradelt. Über alle Extremaktivitäten habe ich Bücher geschrieben: Mit den Augen einer Frau (2009), BB = Vom Brocken nach Beijing. Ich bin nur eine Radfahrerin (2014), The Art of Overland-Biking. From Germany to China (2015).