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Bonjour Paris

Bonjour Paris

So hatte ich mir das nicht vorgestellt: Schon nach 20 min hatte ich den Schalter im Kopf vom Wettkampfmodus auf Genusslauf umgelegt. Dabei war der Ecotrail von Versailles nach Paris von mir als Jahreshöhepunkt geplant und so auch angekĂŒndigt worden…
Das Bild, welches sich am Start bot, erzeugte aber neben dem sowieso schon ungemĂŒtlichen Wetter ein zusĂ€tzliches Frösteln: junge ambitionierte Mittdreißiger im besten Langstreckenalter wĂ€rmten sich mit kurzen Sprints und HockstrecksprĂŒngen auf und deuteten schon einmal an, dass dies hier kein Spaziergang werden wĂŒrde. Ich hatte ursprĂŒnglich beschlossen die AufwĂ€rmung und Lockerung der Muskulatur auf die ersten 3km des Laufes zu verlegen, nun hampel ich vor lauter NervositĂ€t neben dem Start auf und ab.
DemĂŒtig beschließe ich, mich erst in der vierten Startreihe einzuordnen und nach einem französischen Contdown geht es los. Schon auf den ersten Metern wird klar, dass die Franzosen eine andere Vorstellung von Trailrunning haben als ich.
Warum auf Wegen laufen, wenn es doch eine wunderschön ungemÀhte, schneebedeckte und holprige Wiese gibt?
In einem viel zu schnellen Tempo stolper ich durch das feuchte Gras. Vorne stĂŒrmen 20 bis 25 hoch ambitionierte LĂ€ufer ĂŒber die Wiese. Mir fĂ€llt es jetzt schon schwer dranzubleiben, und wir haben nicht mal ein 1km zurĂŒckgelegt. Nachdem die Anfangsaufregung nach 2 bis 3km von mir etwas abfĂ€llt, beginnt die erste Bestandsaufnahme: Momentan Platz 30, Geschwindigkeit und Puls zu hoch, noch ca. 47km und 1000 Höhenmeter vor mir. Das wird heute nix.
Statt mich nach vorne zu orientieren geht mein Blick zurĂŒck und da naht auch schon meine Erlösung: Tom, der es etwas ruhiger angehen lĂ€sst, lĂ€uft ca. 200 m hinter mir, in einem Tempo, welches mir deutlich angenehmer erscheint. Es macht „klick“ im Kopf und die Entscheidung, einen entspannteren Genusslauf in Begleitung zu absolvieren, ist getroffen. Schlagartig geht es mir besser, Tom freut sich, und wir können  gemeinsam ĂŒber die schwere Strecke schimpfen. Offensichtlich hat es den Organisatoren große Freude bereitet, die schlammigsten, holprigsten Pfade auszuwĂ€hlen. Ich habe ein paar Mal das GefĂŒhl, dass meine Schuhe gleich im Matsch stecken bleiben. Und zusĂ€tzlich zu den 1,5 l Wasser auf dem RĂŒcken kleben noch 2kg Schlamm an den Schuhen. ZusĂ€tzliches Gewicht, welches jetzt die ersten Rampen hochgeschleppt werden muss. Bald wird klar, dass hier mit Laufen kein Vorteil zu erzielen ist. Schnelles Hochgehen fĂŒhrt zu einem minimalen RĂŒckstand und zu einer besseren Erholung, und so zieht sich das Band an den teilweise 35%igen Steigungen schnell auseinander um dann nach dem Scheitelpunkt wieder zusammen zu schnipsen.
Nach 22km wird es fĂŒr Tom schwerer. Ihm geht mein „lockeres“ Laufen auf den Keks, und er mag nicht mehr hinter mir her hecheln. Schade eigentlich, mit hat es Spass gemacht… 😉

Da muss ich mir wohl andere GesprÀchspartner suchen und orientiere mich langsam nach vorne. Englisch dient zur VerstÀndigung mit Franzosen, Italienern und Spaniern. Allerdings ist das ja hier kein KaffeekrÀnzchen und die Leute sind alle mehr mit sich selber und den langsam zunehmenden Strapazen beschÀftigt.
Nach 28km kommt die erste Verpflegungstelle. Beim Einlaufen nehme ich ein langes Buffett mit WĂŒrstchen, Salami, Kuchen, Suppe und anderen Köstlichkeiten wahr. Dies nutzen 4 bis 5 LĂ€ufer fĂŒr eine kurze Erholungspause und ich zum Überholen.
Nach meiner Rechnung könnte ich jetzt ca.40er sein. Ist auch nicht so toll.
Langsam gehen mir die GesprĂ€chspartner aus. Viele sind nun mit sich beschĂ€ftigt und ich beschĂ€ftige mich mit der pittoresken Landschaft. Kleine Seen in herrlichen Parkanlagen bieten was fĂŒrs Auge und an der Strecke stehen immer wieder aufmunternd klatschende SpaziergĂ€nger.
So auf die Einsamkeit des LangstreckenlĂ€ufers zurĂŒckgeworfen erhöhe ich das Tempo ein bisschen und ab km 35 befinde ich mich auf einmal in vertrautem GelĂ€nde. Im Park von Saint Cloud bin ich schon des öfteren gelaufen und weiß, dass es jetzt eigentlich nur noch bergab geht. Herrlich. Ich fĂŒhle mich gut, laufe schneller und fliege bei km 40 in die nĂ€chste Verpflegungszone, in der ich wieder an 5 bis 7 LĂ€ufern vorbeiziehe.
Ein kleiner Schwatz mit meiner Tochter und ihrem Freund, einmal Winken zu Nele und Ella, Toms Familie, und ab geht es Richtung Eiffelturm.
Die letzten 10km werden schnell und unspektakulĂ€r abgespult. Die Strecke ist nun öde und trist aber flach und das Tempo  hoch. Vor mir immer mal wieder „Hasen“, die es noch einzufangen gilt. Vielleicht reicht es ja noch fĂŒr die ersten 20.
Der Einlauf 100m vom Eiffelturm ist herrlich und emotional. Geschafft.


Auf Englisch erfahre ich, dass 16:00 Siegerehrung ist. Schön, denke ich , aber mich wĂŒrde eher interessieren, wo die Duschen und Massagen sind.
Bis ich realisiere, dass ich zur Siegerehrung eingeladen werde, weil ich unter die Top Ten gelaufen bin,vergehen ein paar Sekunden unglÀubigen Staunens. Wie das?
Doch der Moderator schaut noch einmal auf seinen Monitor und bestÀtigt die Platzierung.
Was fĂŒr ein verrĂŒckter Lauf…
FĂŒr das Duschen bleibt nicht mehr viel Zeit, die Massage muss ausfallen.
Die verpasste Verpflegung unterwegs, hole ich noch schnell im Zielbereich nach – Couscous, HĂŒhnerbrust, Salami, Lasagne, Kuchen, Cola, Espresso… sehr lecker.
Dann die Siegerehrung.
GlĂŒcklich und zufrieden lass ich den Lauf noch einmal revue passieren und habe wohl alles richtig gemacht.
FĂŒr Freunde der Statistik:
StreckenlÀnge 49,6km
positive Höhenmeter:970m
Starter: 1476
Platzierung: 8
umgeknickt: 3 mal
verlaufen: 1 mal
Verpflegung unterwegs: 4 Gels, 2 StĂŒck Banane, 800ml Salzwasser
Verpfegung danach: 10 Becher Cola, zwei Teller Couscous mit HĂŒhner Brust, 1 Lasagne,
3 Espresso, Vanilleeis mit Mandelsplittern, Baguette mit Salami und KĂ€se, 2 StĂŒck
Kuchen

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