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Reloaded: Ein kleiner Kletterknigge oder wie man sich (keine) Freunde am Berg schafft

Reloaded: Ein kleiner Kletterknigge oder wie man sich (keine) Freunde am Berg schafft

So langsam, in einigen Gebieten auch schneller, werden die Felsen, Blöcke und Berge in Nah und Fern wieder bevölkert, zieht es uns raus. Beim Stöbern auf diversen Seiten ist auffällig, dass es auch wieder damit losgeht, dass sich Leute am Fels und in der Umgebung daneben benehmen (das ist jetzt die höfliche Formulierung). Da geht es neben Parkplatzproblemen sehr oft auch um die menschlichen Hinterlassenschaften auf den Wegen und am Fels. Das stinkt nicht nur nachfolgenden Kletterern oder Wanderern, sondern oft sind es auch die Anwohner, die sich dann mit den stinkenden Resten befassen müssen. Und da reden wir noch nicht über den gern vermissten höflichen Ton, wenn man etwas anspricht, was (vielleicht) nicht in Ordnung ist. Beim Lesen all der Posts und Kommentare ist mir auch ein etwas älterer Blogbeitrag wieder in den Sinn gekommen, den wir 2016 im tapir-Blog veröffentlich haben. Unsere Kletter-Themen-Woche ist ein guter Zeitpunkt, ihn wieder hochzuholen – an Aktualität hat er gefühlt nichts eingebüßt.

Der Sommer steht vor der Tür, die Tage werden (noch) länger und damit gibt es für viele unter uns kein Halten mehr: Raus in die Natur, an den Fels, in die Berge, egal ob ins Fränkische, Sächsische oder etwas weiter weg in Richtung Alpen. Alle freuen sich darauf, nach dem Lockdown wieder anzugreifen, nicht nur aus Corona-Gründen ist frische Luft angesagt. Unter denen, die es jetzt auch rauszieht, sind sicherlich auch ein paar Newbies, die den Weg von den farblich markierten Routen gespickt mit Plastikgriffen an den rauen Fels wagen werden – ohne Kennzeichnung des Wegverlaufs. Für sie, aber nicht nur für sie, schlagen wir den Kletterknigge auf.

Sächsischen Kletterern ist die teufelsturm.de-Seite keine unbekannte. Neben vielen Infos zu den Kletterrouten im Elbsandstein und Kommentaren all derer, die versucht haben, den Hinweisen zu folgen, ist eine Rubrik auch dem richtigen Benehmen am Felsen gewidmet. In all den Kletterjahren haben wir mehr als einmal all die Sachen erlebt, die dort beschrieben sind. Wan immer ich wirklich die Ruhe beim Klettern suche, zieht es mich eher in der Woche zu Feierabend oder in entfernt liegendere Kletterspots, um nicht, wie so oft, vom etwas entfernt stehenden Nachbarfelsen beschallt zu werden. In solchen Situationen kann man dann immer genau nachvollziehen, wer in der großen Seilschaft zu welchem Zeitpunkt wo am Felsen ist, egal, ob es für ihn gerade nach oben oder doch auch schon wieder nach unten geht. Oft sind dann auch besagte Gipfel oder die Wege daran gar nicht so hoch oder an den Stellen schlecht einsehbar, sodass dieses Anschreien zur besseren Verständigung irgendwie mehr als deplatziert wirkt. Wenn ich dann versuche, daran vorbeizuhören, fällt mir immer mal wieder ein alter Artikel ein, den ich vor Jahren schon mal gelesen und über dessen Sinn und Unsinn wir beim Rotwein philosophiert haben. Zu Hause angekommen, wird dann auch noch mal einen Blick auf die Benimm-Rubrik auf der Teufelsturmseite geworfen, die, wenn ich es richtig sehe, letztmalig 2011 bearbeitet worden ist. Ihr Kletterknigge ist auch heute, 2020, noch so aktuell wie eh und je.

Offiziell wird seit dem 6.3.1864 im Elbsandstein geklettert und bereits mit den ersten sächsischen Kletterführern wurden Verhaltensregeln fürs Gebirge festgelegt. Die Zeiten haben sich geändert, die Kleidung und die Ausrüstung auch und es ist deutlich voller im Gebirge geworden. Es stehen nicht mehr nur Männer am und auf dem Felsen, sondern nun machen sich auch ganze Familien auf den Weg ins Elbtal.

Die Teufelstürmer haben vor ein paar Jahren bereits in ihrem Kletterbucharchiv gestöbert und als Ausgangspunkt für ihre Überlegungen zum richtigen Verhalten am Fels auf das 1961 erschienene Buch „Der Sächsische Bergsteiger“ zurückgegriffen. Unter der Kapitelüberschrift „Und noch ein paar Gebote“ setzen sich die Autoren des alten Kletterführers mit Umgangsformen auseinander, die heute genauso wie damals für den (sächsischen) Bergsteiger gelten sollten. Diese Gebote (kursiv aus „Der sächsische Bergsteiger“ zitiert) sind bei den Teufelstürmern als „Kletter-Knigge“ für all diejenigen aufgeführt, die im Umgang miteinander als faire Bergkameraden auftreten möchten, sich aber nicht sicher sind, was das nun immer ausmacht. Und sie wurden von ihnen um ein paar – wie sie hoffen – erklärende Hinweise ergänzt.

-„In den Bergen bist du kein Minister, kein Werkdirektor, und deine dicke Brieftasche interessiert überhaupt nicht. Du musst ein ganzer Kerl sein, sonst wirst Du wieder nach Hause geschickt.
Du darfst ehrgeizig sein und  – wenn Du die Eignung dazu hast – nach der Durchsteigung der extremsten Wege streben, aber Du darfst niemals damit angeben.
Auf die heutige Zeit übertragen: Unerträgliche Selbstdarsteller, die unüberhörbar für jeden in der Nähe befindlichen lauthals verkünden, dass da ganz tolle Fotos von ihnen an der Seifenblase gemacht wurden, sollten geflissentlich ignoriert werden.

-Verrichte deine Notdurft nicht so, dass andere unbedingt hineintreten müssen.
Es sind in den seltensten Fällen unbedarfte Wanderer, die Kletterzustiege mit dem Trampelpfad zum WC verwechseln, vielmehr (Auch-)Kletterer, die sich keine 3 m vom Einstieg hinhocken, anstatt außerhalb von Sicht- und Riechweite. Mit ganz einfachem Scharren mit den Füßen kann man verhindern, dass Papier dekorativ durch den Wald flattert, Einlagen und Windeln haben im Wald nichts zu suchen. Seinen Müll und die Flaschen, die man voll den Berg hinaufgetragen hat, sollte man auch leer wieder mit zurücknehmen können.

-Rede fremden Seilschaften beim Klettern nicht dauernd hinein. Andere verstehen auch etwas davon, und am Felsen sieht es meist etwas anders aus als von unten.
Wenn die Seilschaft natürlich einen unsicheren Eindruck macht und man selbst den Weg (und vielleicht dessen Gefahr) kennt, dann ist eine einfache Frage schon angebracht. Ein richtiger Kletterer wird die Frage, ob man wisse, worauf man sich einlässt, richtig verstehen und antworten. Eine höflich gestellte Frage nicht zu beantworten, zeugt von schlechtem Gewissen und Unsicherheit.
Grundsätzlich gehört es sich nicht, unaufgefordert Lösungen zu Schlüsselstellen oder Schlingen zu verkünden und damit darzustellen, dass man den Weg schon geklettert hat. Für viele ist das eigenständige Lösen eines Problems wichtiger als ein schneller, erleichterter „Erfolg“.

-Wege besetzen: Wer als erster sein Seil an den Einstieg legt, hat damit das Anrecht auf diesen Weg. Es ist aber grob unhöflich, das zu tun, wenn sichtbar ist, dass sich eine Seilschaft für diesen Weg bereits vorbereitet. Eine kurze Frage „Was wollt Ihr machen?“ und eine kurze Antwort „den …weg“ klärt (fast) alles auf.
Überhaupt: Kommunikation und Rücksichtnahme sollten selbstverständlich sein, wenn es um das Überholen einer Seilschaft geht, um das Nachholen an einem gemeinsamen Sicherungspunkt, um das Abgeben und Übernehmen einer Sicherung. Wenn eine Seilschaft bereits einen (langen) Weg klettert und man glaubt, schon einsteigen zu können (oder zu müssen), dann tritt man dem letzten Nachsteiger nicht auf die Hacken, sondern hält gehörigen Abstand (mindestens 3 Meter). Am Ring ist man dann immer der Spätgekommene und hat sich um größte Rücksichtnahme gegenüber der ersten Seilschaft zu bemühen!
Es ist hochgradig unfair, einen Weg mit eingehängtem Toprope-Seil zu besetzen, ohne dass jemand klettert. Gerade bei größeren Gruppen kann man das nicht koordinieren; daher sollte es sich gehören, Seile bei Nichtbenutzung sofort abzuziehen, auch wenn jemand da noch klettern will, der aber sich gerade in einem anderen Weg müht. (Natürlich kommt das auf die konkrete Situation an: Ist man in menschenleerer Gegend, dann kann das Seil bis zum Schluss hängenbleiben, stehen aber schon andere Seilschaften hinter einem …)

-Hunde als Freund des Menschen – das sieht nicht jeder so. Hundebesitzer und diejenigen, die den Umgang mit Hunden gewöhnt sind, werden kaum etwas dabei finden, wenn Kletterer ihren Hund mitführen und in der Natur auch frei laufen lassen (von der Zulässigkeit im Nationalpark mal abgesehen). Wer aber  – begründet oder unbegründet – Angst vor Hunden hat, für den ist eine Begegnung mit einem unangeleinten Hund, vielleicht gar noch auf engem Bergpfad außer Sichtweite von Herrchen, eine Horrorvorstellung, bei der Panikreaktionen nicht auszuschließen sind! Wird der Hund zur Bewachung des Lagerplatzes angeleint, dann diesen bitte so legen, dass weder Kletterzustieg noch Abseile in seinem Bereich liegen. Und zu den unvermeidlichen „Hinterlassenschaften“ gilt das gleiche wie in den obigen Geboten: Es ist vielleicht nicht notwendig, sie aufzusammeln; auf dem Bergpfad haben sie aber nichts zu suchen, die drei Schritte ins Abseits müssen möglich sein!

-Kinder am Fels sind eine komplizierte Sache. Richtig angeleitet und ernstgenommen wird man erleben, dass Kinder diszipliniert, nicht zickig, nicht zeternd und bereit sind, Unangenehmes in Kauf zu nehmen. Werden sie jedoch nur als notwendiges Übel mitgenommen, dann sind Geschrei und Gefahr vorprogrammiert. Kleine Kinder, alleingelassen, sind nicht berechenbar. Angebunden können sie sich erdrosseln, im Rucksack findet sich eine Plastetüte für den Kopf – alles schon erlebt und knapp Schlimmeres verhindert!

So weit, so gut, ich möchte an der Stelle hier nicht alle Gebote und Kommentare aufführen, das würde ohnehin zu weit führen. Die Toprope-Diskussion hatte in den vergangenen Jahren bereits die sächsische Kletterwelt gespalten. Wer mehr über die alten Gebote inklusiver aktueller Auslegung lesen will, der sollte einfach mal den  Kletterknigge anklicken. Da erfährt dann auch der kletternde Nichtsachse oder Newbie mehr zum Verhalten auf dem Gipfel im Hinblick auf Gipfelbucheintragung und dem traditionellen Grüßen aller Anwesenden auf dem Felsen. Über einiges davon kann man sicherlich nur den Kopf schütteln. Dass dies überhaupt in Worte gefasst und niedergeschrieben werden musste … Und auch wenn diese, sagen wir: Hinweise zum Handeln, auf den ersten Blick allgemeiner gehalten sind als die Sächsischen Kletterregeln (letzte Aktualisierung 2014), greifen sie aber bei genauerem Lesen weiter, weil sie auch außerhalb von Sachsen ihre Gültigkeit haben.

Peter Brunnert hat sich auch vor ein paar Jahren einmal mit dem Thema auseinandergesetzt und in einem seiner sehr treffenden Texte unter der Rubrik „Was nervt“ die ihn störenden Sachen zusammengefasst. In einem Interview mit Ralph Stöhr berichtete er, dass es nach einem Vorabdruck schon mal zu heftigeren negativen Reaktionen gekommen sei. Das wollen wir natürlich nicht mit diesem Blogbeitrag provozieren, noch will ich moralinsauer einen Zeigefinger erheben.

Dennoch zeigen die eingangs erwähnten Diskussionen, dass es mit der Naturliebe und dem Zusammenhalt manchmal doch nicht so weit her ist, wie wir immer behaupten. Ich ende einfach mal mit klaren Worten der Sektion Koblenz des DAV im Zug der Diskussion um Sperrungsandrohungen für Ettringen (2018):

Im wahrsten Sinne des Wortes stinken der Gemeinde die „Hinterlassenschaften“ einiger Kletterer im nahen Umfeld des Parkplatzes an der Ettringer Lay. Es ist völlig unverständlich, dass einige ihr Geschäft direkt auf der Wiese am Parkplatz, hinter der Schutzhütte oder in den ersten Büschen am Weg in die Ettringer Lay erledigen. Vom Toilettenpapier, das einfach in die Büsche geworfen wird oder einfach an Ort und Stelle die Exkremente ziert, ganz zu schweigen …

Jeder weiß, was zu tun ist, wenn einen im Freien der Ruf der Natur ereilt – handelt zukünftig so. Und für alle, die davon keine Ahnung haben ein paar einfache Tipps:
Grundlegende Bauleiterweisheit: Erscheint ausgeschissen auf der Baustelle!!
Geht die langen Wege (also nicht aus dem Auto raus und gleich die Hose runter lassen)
Das Klopapier im Zipperbag mitnehmen.
Es ist stinkeinfach!!“

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Wir wollen alle unseren Spaß haben, egal ob wir solo, mit Kletterpartner oder in der Gruppe beziehungsweise mit der Familie unterwegs sind. Hinterlasst alles so, wie ihr es vorgefunden habt. Das kann doch nicht so schwer sein! Daneben interessiert uns, wie ihr darüber denkt und wie das bei euch so mit der Toleranz, der Gesprächsbereitschaft und den Traditionen im Umgang aussieht.

P. S.: Ein Hinweis noch zum Schluss: Die IG Klettern macht zurecht darauf aufmerksam, dass (nicht nur) am Spielberg die Zuwege freizuhalten sind und man einen weiteren Anmarsch in Kauf nehmen möge, der kleine Ort Böhlitz hat dieser Tage einiges zu ertragen. Also: Bitte nicht im Steinbruch campen und kein Feuer machen, Müll nehmen ja sowieso alle wieder mit!

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