Dein Abenteuer beginnt hier!
Christina Felschen/into-the-green.org
|
7. Dezember 2015
Sträucher rollen, Steine wandern, Teekessel schwingen im Wind und Regengüsse formen ganze Gebirge um. Je tiefer wir hineingingen, das beruhigende Gluckern von je 12 Litern Wasser im Nacken, desto öfter zeigte die Wüste ihr Gesicht: Drei Schlangen erkannten wir erst, als sie sich zischend vor unseren Füßen aufbäumten. An wie vielen waren wir schon vorbeigelaufen? Und wo um alles in der Welt kamen die Grillen her, die mit der Dämmerung ihr Konzert anstimmten – zu Hunderten, ohne einen einzigen Strauch in Sicht, in dem sie hätten sitzen können? Oder war es bloß eine akustische Fata Morgana, ein Gruß vom nahen Pazifik?
An einem Ort wandern, der den Tod im Namen trägt? Der Natur ein Schnippchen schlagen, mit literweise Wasser auf dem Rücken? Das klang aufregend abwegig – und damit ganz nach unserem Geschmack. Was wir nicht ahnten: Das Death Valley ist voller Leben, so gut es sich auch versteckt.
Der tiefste, trockenste, dunkelste…
Im Geografieunterricht muss das Death Valley für alle möglichen Superlative herhalten: Es ist der heißeste Ort der USA (bis 57 Grad Celsius), der tiefste (bis 86 Metern unterm Meeresspiegel) und der trockenste (49 Millimeter Regen im Jahr). Und der mit den klarsten Sternennächten.
Fünf Gebirgszüge schirmen es vom Pazifik ab, fünf Barrieren, an denen sich fast alle Wolken abregnen. Wenn es aber doch einmal regnet, ist die Wirkung fatal: Der Boden ist zu hart, um das Wasser aufzunehmen, und so rast es die Berghänge hinunter, reißt wie eine Lawine alles mit sich fort und gräbt tiefe Canyons ins Gebirge. Was das bedeutet, stellten wir am zweiten Tag unserer Tour fest.
Denn unsere Wanderung führte just durch einen solchen Canyon – vom touristischen Racetrack Valley über den Ubuhebe Peak ins abgelegene Hidden Valley und durch den Last Chance-Canyon zurück zum Racetrack. Die Runde ist bloß 37 Kilometer lang, doch es geht über loses Geröll steil bergauf und bergab. Außerdem tragen wir unseren Wasservorrat für drei Tage auf dem Rücken, wie menschliche Dromedare.
Tal des Todes? Klingt gefährlich…
Für einen verirrten Goldsucher im 19. Jahrhundert war es das auch, denn sein Hitzetod gab dem Tal seinen Namen. Ansonsten ist das Death Valley besser als sein Ruf. Trotzdem ein paar Warnungen: Geht nicht allein, trinkt häufig kleine Mengen, tragt Sonnenschutz und behaltet die Orientierung. Schaut, wo Ihr hinfasst – außer Klapperschlange gibt es Skorpione, Schwarze Witwen und Vogelspinnen. Minen solltet Ihr auf keinen Fall betreten, da giftige Gase, Falltüren und Einstürze vorkommen. Bei Regen solltet Ihr die Canyons verlassen und auf höheres Gelände steigen. Die kilometerlangen Geröllhaufen in den Canyon-Mündungen lassen erahnen, was ein Regen alles mit sich reißen kann. Habt immer einen Plan R im Kopf – einen Rückzugsplan für den Fall, dass Ihr nicht weiterkommt oder sich einer von Euch verletzt.
Ein Road Trip – muss das sein?
Der Gedanke kostete uns einige Überwindung, nachdem wir bis gerade nie ein Auto besessen und Europa auf epischen Zugfahrten kennengelernt haben, mit Kletter- und Kajakausrüstung im Gepäck. Doch unsere neue Heimat auf Zeit lässt uns keine andere Wahl.
Immerhin: Schon die Anfahrt bietet spektakuläre Aussichten auf die schneebedeckte Sierra Nevada im Westen, auf bunt oxidierte Felsen, senkrecht aufgeschobene Gesteinsschichten und glatt polierte Canyons mit Versteinerungen, die daran erinnern, dass hier einmal Meeresboden gewesen sein muss. Wir sehen Sandtornados über Salzbecken ziehen und schauen Dünen dabei zu, wie sie immer neue Formen bilden. Geologen, Fotografen und Malern geht hier das Herz auf. Und Hollywood natürlich: Erinnert Ihr Euch, wie Star Wars-Roboter R2D2 in einer Wüste bruchlandet? Das war in der tunesischen Sahara und hier, in den Mesquite Flat Sand Dunes des Death Valley.
Bald kennen wir die Playlist in- und auswendig, und es wird immer heißer. Die Straße vor uns verliert sich in einem Flirren. Kaum vorstellbar, dass dies ein Biosphäre-Reservat ist und irgendetwas in dieser Hitze überleben kann. Doch mehr als Tausend Pflanzenarten können es: Kakteen, Agaven, Yucca und allerlei Büsche und Gräser haben sich an das Wüstenklima angepasst und nehmen mit besonders tiefen oder weit verzweigten Wurzeln genügen Wasser auf. Ihre Samen schlummern viele Jahre lang im Boden – bis es doch einmal regnet, und sich das Tal in eine Wildblumenwiese verwandelt.
Woran müssen wir auf dem Hinweg denken?
Die Ranger Station bietet die letzte Chance Wasser zu holen – in Flaschen für die Wandertour und in zusätzlichen Kanistern für den weiteren Aufenthalt im Death Valley. Dies ist auch die allerletzte (und teuerste) Gelegenheit zum Tanken.
Vom Ubuhebe Crater schlagt ihr die Racetrack Valley Road ein, eine 35 Kilometer lange Waschbrettpiste. Da wir keinen geländegängigen Wagen haben, sind wir geschlichen – vorbei an Joshua Trees und einer Kreuzung im Nirgendwo, an der Reisende seit Jahrzehnten Teekessel aufhängen und Nachrichten hinterlassen. 3,5 Kilometer hinter der Kreuzung zweigt rechts eine Straße zur Ubuhebe Mine ab, auf der Ihr am letzten Tag der Wanderung herauskommen werdet. Wir haben hier eine Wasserflasche versteckt, im GPS markiert und uns auf dem Rückweg gleich darauf gestürzt. Auf das Auto-GPS ist übrigens nicht unbedingt Verlass; es bietet einem gern mal "Abkürzungen" in abgelegene Canyons an. Werkzeug zum Reifenwechseln macht sich gut.
In weiten Teilen des Parks gibt es keinen Handyempfang. Hinterlasst bei Freunden die genaue Wegstrecke und vereinbart, wann sie anfangen sollen Euch zu suchen.
Wie verläuft die Tour?
Vom Parkplatz des Grandstand aus folgen wir einem guten Wanderweg bis auf den Sattel zwischen den beiden höchsten Gipfeln. Den südlichen Berg nannten die Native Americans Ubuhebe Peak, Großer Korb im Fels. Über einen leichten Weg mit losem Gestein steigen wir hinauf. In 1.731 Meter Höhe haben wir eine grandiose Aussicht über die Salzpfanne mit dem schwarzen Grandstand-Felsen darauf, die bunten Berge der Last Chance Range, das Saline Valley im Westen und die Dreitausender der Inyo Mountains dahinter.
Zurück am Sattel verlassen uns leider die Steinmänner, diese guten Geister – die wenigen führen in die Irre. Eigentlich geht hier der Copper Queen Trail weiter, den Minenarbeiter zum Verladen des Kupfers angelegt haben. Drei Kilometer lang führt er am nördlichen Canyon entlang hinunter ins Geröllbett der Schlucht. Stattdessen verlaufen wir uns und finden den Weg mit Kompass, GPS und guten Karten erst zwei Kilometer weiter unten wieder. Nach weiteren zwei Kilometern gabelt sich auf einem Sattel der Weg. Wenn ihr den linken Weg nehmt, geht es endlich im Zickzack zum Canyonbett hinunter. Dort angekommen gehen wir aus Neugierde ein Stück hoch, nehmen die rechte Abzweigung und treffen wir auf die Blue Jay Mine, von der noch mehrere Höhleneingänge, ein verrostetes Bett und anderes Equipment zu sehen sind. Ein Mann arbeitete hier drei Jahrzehnte in völliger Einsamkeit. Erst 2005 wurde die letzte Mine geschlossen. Hier oder weiter unten im Canyon lässt es sich gut zelten. Sternstunde!
Am nächsten Morgen folgen wir dem Canyon einen Kilometer bis zu dessen Mündung. Von hier geht es weitere vier Kilometer westlich den Canyon hinunter und schließlich 1,5 Kilometer nordwestlich an zwei kleineren Mündungen vorbei auf die breite Zunge des Corridor Canyons zu. Von hier ist der Weg relativ leicht zu finden: Wir steigen den Canyon hinauf, dessen Wände nach oben hin zunehmend enger und höher werden und geradewegs auf einen Korridor zulaufen.
Das denken wir zumindest. Als wir um die Ecke biegen, stehen wir unvermittelt vor einer haushohen Felswand, die den Canyon versperrt. Sind wir etwa zwei Tage lang auf eine Sackgasse in der Wüste zugelaufen? Sieht ganz danach aus. Aber sollen wir deshalb so knapp vor dem Ziel umkehren?
Wie geht es an der Sackgasse weiter?
Nach mehreren Stunden finden wir einen Weg auf ein Plateau, von dem es hinter der Felswand weitergeht. Hier das Geheimnis: Ihr klettert über eine Geröllstufe in den letzten Nebencanyon auf der linken Seite vor der Wand hinauf und nehmt dort die rechte Abzweigung. Gegen Ende gibt es auf der rechten Seite mehrere Möglichkeiten über loses Geröll und einen steilen Abhang hinaufzuklettern. Die hintere Stelle hat sich auf allen Vieren am besten erwiesen. Hier besteht Rutschgefahr und der Canyon verändert sich durch Regenfälle enorm – schätzt das Risiko selbst ein. Wir fanden die Kraxelpartie gerade noch vertretbar und besser als umzukehren.
Auf allen Vieren ziehen wir uns auf das Plateau. Nach all der Enge und Ungewissheit staunen wir über die weite Aussicht (Foto 06). Wir überqueren das Plateau und klettern an einer leichten Stelle hinunter auf die andere Seite der Mauer, auf der der Canyon ganz normal weitergeht. Die enorme Stufe ist in unserem Reiseführer nicht erwähnt – entweder ist der Autor noch nie hier gewesen oder sie ist bei einem Sturzregen entstanden.
Nach mehreren scharfen Kurven kommen wir an einen langen geraden Korridor aus glatten schwarzen Wänden, in dem noch Versteinerungen von Meerestieren zu sehen sind. Wieder ist das obere Ende des Canyons versperrt, doch dieses Mal gibt es einen Ausweg: Nach einem Kilometer öffnet sich rechts ein enger Gang aus glattem schwarzem Gestein, dem wir folgen. Hier hat Wasser weiße und schwarze Steine zu Becken und (trockenen) Wasserfällen geschliffen. Zwei Mal klettern wir solche Fälle hoch; wem das mit Rucksack zu heikel ist, kann ihn am Seil hochziehen. Über seichte Sandkiesböden nähern wir uns – endlich! – dem Gipfel. Und schlagen sofort unser Zelt auf.
Am dritten Tag kommen wir an der Ubuhebe Mine vorbei, an der Arbeiter zwischen 1906 und 1968 Blei förderten. Ehe wir uns versehen, öffnet sich die Landschaft und vor uns liegt das altbekannte Racetrack Valley. Eine Straße, Motorenlärm, ein Dutzend Touristen mit GoPros auf dicken Maschinen – so schnell wollten wir gar nicht zurück in die Zivilisation! Die Motorradfahrer mustern uns verwundert, die riesigen Rucksäcke, die staubige Kleidung. Wenn die wüssten, was sie im Hidden Valley verpassen!
Was machen wir mit dem Rest unseres Roadtrips?
Wir sind auf dem Rückweg die östliche Sierra hochgefahren, haben die Gedenkstätte für deportierte Japaner im Zweiten Weltkrieg besucht (Manzanar), waren rund um Bishop klettern und hätten sicher eine Tagestour bei Lake Tahoe unternommen, wenn wir nicht in einen verspäteten Schneesturm geraten wären.
Wer noch nicht genug von der Wüste hat, kann kleinere Wanderungen unternehmen, zum Beispiel zu Fuß den Ubuhebe Crater umrunden (s. PDF in den Links) oder Sehenswürdigkeiten wie die Mesquite Sand Dunes ansteuern.
Kommentar schreiben