Eisklettern ist in meinen Augen die logische Wintervariante für das Bewegen an senkrechten Wänden. Zwar hat jeder, der es einmal selbst probiert hat, am eigenen Körper spüren dürfen, dass man auf den spitzen Frontzacken der Steigeisen schon anders antritt, es auch darum geht, die Fersen nicht hängen zu lassen, um genügend Druck auf die Vorderzacken zu geben. Wer es wie wir einmal ausprobiert hat und wieder kommt, der ist vom Eisvirus angesteckt worden und der lässt einen nicht so schnell wieder los.
Es gibt im Pitztal den Luibis, keine Ahnung, wie oft wir schon da waren als Einstieg in die Kletterwoche. Der grundlegende stufenförmige Aufbau, der sich aus der Fels- und Hangstruktur ergibt, ist klar. Doch die Herausforderung besteht darin, die unterschiedlichen Eisstrukturen zu meistern. Alfi sagt dazu, es ist ein Spiel: Das Eis kann spröde und hart, milchig weiß oder durchscheinend sein. Eisvorhänge und schmale Säulen tragen mehr, als man zunächst denkt, können aber auch mit einem Tritt zum Einsturz gebracht werden. Außerdem faszinieren mich jedes Jahr aufs Neue die Lichtspiele im Eis. So viel unterschiedliche blaue Farbtöne – das muss man gesehen haben.
Weil wir es in jedem Jahr nur einmal im Winter in die Alpen schaffen, haben wir uns dazu entschlossen, nicht allein loszuziehen, sondern immer mit einem Guide unterwegs zu sein. Ihm gelingt es jedes Jahr aufs Neue, uns mit Touren zu überraschen, sei es, dass wir den Eisfall noch nicht kennen, sei es das der Zustieg sich abenteuerlich gestaltet. Und was heißt überhaupt, einen Eisfall zu kennen? Nur weil man im Vorjahr ihn schon mal gegangen ist, kann er sich in diesem Jahr doch komplett anders aufgebaut haben. Denn das genau macht ja diese Faszination aus: Die Natur formt die Eisfälle, die Strukturen jedes Jahr wieder neu. Der Temperaturverlauf im Winter und damit auch die Eisverhältnisse bestimmen den Routenverlauf, die technischen Schwierigkeiten und damit auch den Grad des Gefährlichseins einer Route. Und all das kann man jedes Jahr aufs Neue im Piztal erleben.
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