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Mit dem Fahrrad durch Iran

Mit dem Fahrrad durch Iran

Unsere Route führt von Teheran gen Norden, in steilen Serpentinen queren wir das Elburs-Gebirge hin zum Damavand, dem höchsten Berg des Landes (5.610 m). Anschließend sausen wir bergab zum Kaspischen Meer und passieren den Golestan-Nationalpark auf dem Weg in die Pilgerstadt Mashhad im Osten des Landes. Bei Sarakhs überqueren wir die Grenze nach Turkmenistan. Insgesamt legen wir innerhalb eines Monats 1.500 km sowie 9.300 Höhenmeter zurück.

Um sämtliche Visa für unsere Tour entlang der Seidenstraße noch in Deutschland zu organisieren, beschließen wir in Richtung Asien zu fliegen. Nur durch einen Zufall beginnen wir in Iran – der Flug ist unschlagbar günstig. Der Damavand, die Wüstenregionen und allen voran die legendäre Gastfreundschaft der Iraner machen uns neugierig auf dieses Land. Auch haben wir noch nie zuvor einen islamischen Staat bereist. Wir zögern nicht lange und buchen den Flug.

Räder und Ausrüstung
Die gut asphaltierten iranischen Straßen erfordern keine speziellen Tourenräder oder Reifen. Flickzeug dennoch in ausreichender Menge mitnehmen – hauchdünne Drähte geplatzter LKW-Reifen dringen selbst durch die verstärkten Marathon Mondial von Schwalbe. Fahrräder sollten bei Ausflügen ins Elbursgebirge mit guten Scheinwerfern ausgestattet sein, da es so manchen schlechtbeleuchteten Tunnel zu durchfahren gilt.
Bei starkem Gewitter und Schneefall am Damavand bewährt sich einmal mehr unser sturmsicheres Zweipersonen-Zelt von Hilleberg (Nallo 2 GT). Für Wüstenfahrten eignen sich Wassersäcke, die nach heißen Tagen auch die abendliche Dusche ermöglichen. Leitungswasser sollte unbedingt vor dem Verzehr behandelt werden, wir nutzen gern die Wasserfilter von Sawyer. Die lassen sich sowohl auf Ortlieb-Säcke als auch die meisten PET-Flaschen schrauben und halten ewig – das spart so manchen Müll, der in Iran auf wilden Halden landet. Für längere Wüstentouren unbedingt ausreichend Sonnenschutz (Hut und Nackenschutz, Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor, starke Sonnenbrille) denken. Vorsicht vor Skorpionen und Taranteln, die sich gern in offenen Radtaschen und Schuhen verstecken. Spirituskocher werden im streng muslimischen Land wohl kalt bleiben, denn der Verkauf von Ethanol ist strengstens untersagt. Auch Gaskartuschen sind nur schwerlich erhältlich. Gute Erfahrungen machen wir mit einem Multifuel-Kocher von Trangia.

Straßen/Verkehr
Der Straßenbelag der allermeisten Straßen ist erstaunlich gut, mitunter perfekt: breite Spuren auf den Autobahnen und stets ein Seitenstreifen. Auch die Nebenstraßen sind fast immer geteert und in nahezu paradiesischem Zustand, zumindest für Waschbrettpisten-Kenner. Großer Minuspunkt ist allerdings das hohe Verkehrsaufkommen entlang dicht besiedelter Regionen. Die Fahrzeuge sind meist sehr alt, sehr laut, sehr dreckig, und die Luft zum Schneiden. Hinzu kommt die „gewöhnungsbedürftige“, scheinbar regellose Fahrweise der Iraner und ihr Faible für lautes Hupen. Am iranischen Wochenende, also Freitags und Samstags, nimmt der Verkehr auch in ländlichen Gebieten zu, dann fahren die Familien picknicken.

Übernachtung
Das Zelten ist im muslimisch geprägten Iran zwar sicher, aber oft nur schwer durchsetzbar: die Einheimischen fürchten zu oft um unser Leben und warnen vor Kälte und gefährlichen Tieren (die es nicht gibt). Wir müssen uns regelrecht verstecken, um nicht entdeckt und „weggefangen“ zu werden. Einmal ruft ein Besorgter gar die Polizei, die uns schließlich in die nächste Moschee eskortiert. Diese oder Koranschulen können Radler auch ansteuern und um Übernachtung bitten – allerdings sollte man sich im Klaren darüber sein, dass die Glaubensgemeinde häufig nur wenig Privatsphäre lässt. Ebenso erlebnisreich wie stressig gestaltet sich die Übernachtung im Haus der Einheimischen. Die gesamte Großfamilie und Nachbarschaft steht dann Schlange zum Selfie-Knipsen, ins Bett kommen wir nach vielen Gesten und Höflichkeiten um frühestens 23 Uhr, meist jedoch erst nach Mitternacht.
Wir überlegen uns daher schon am frühen Abend, ob wir bei Familien übernachten oder versteckt zelten wollen. Fällt die Wahl auf Ersteres, müssen wir lediglich etwas länger suchend in eine Karte blicken, über einen Markt streifen oder in einem Laden einkaufen und – schwupps! – folgen Einladungen. Hotels sind auf dem Land mitunter relativ teuer und rar.

Landschaft
Anders als von uns erwartet hat die iranische Landschaftsvielfalt deutlich mehr zu bieten als steinige Wüsten. Im Norden dominiert das Elburs-, im Süden und Westen das Zagrosgebirge mit hohen, je nach Jahreszeit schneebedeckten, Gipfeln und steilen Pässen. Zwei Drittel des Landes nimmt das zentrale Hochland ein, das weder hoch noch kühl sondern trocken, heiß und staubig ist. Dazwischen liegen zum Teil riesige Becken wie die Lut oder Große Kawir-Wüste, deren Querung besonders in den Sommermonaten eine echte Herausforderung darstellt. Der nördliche Rand des Landes ist fast subtropisch warm und feucht, der südliche Teil nahe des Persischen Golfs vor allem im Sommer unerträglich heiß und schwül. Der Iran weist mehrere Naturschutzgebiete aus, wobei hier freilich andere Standards als in Deutschland gelten. Die Umweltverschmutzung ist in manchen Ecken erschreckend hoch, das Umweltbewusstsein ebenso niedrig. Aufgrund der extensiven Landwirtschaft sind Flora und Fauna dennoch sehr abwechslungsreich. Im Golestan-Nationalpark sollen noch Geier, Leoparde, Gepardeund Bären vorkommen. Vorsicht hier vor Wildschweinen: Nahrungsvorräte sollten nachts in die Bäume gehangen werden.

Menschen
Das Land ist eine islamische Theokratie, ewiggestrige Autokraten instrumentalisieren den Glauben als verpflichtende Ideologie und festigen so die eigene Macht. Die Mullahs um den geistlichen Anführer Khamenei bestimmen auch, wer zur Präsidentschaftswahl zugelassen wird. Demonstranten werden verhaftet, Zeitungen verboten. Regimegegner laut Amnesty International öffentlich hingerichtet, ausgepeitscht oder Gliedmaßen amputiert. Schon die Zeichnungen in Kinderbüchern zeigen, wie man Verbrecher erhängt – nur China verhängt mehr Todesstrafen.
Zwar studieren Frauen hier häufiger als Männer, dennoch besetzen sie selten politische Gremien oder Führungsriegen. Zeugenaussagen von Frauen gelten vor Gericht kaum. Besucher sollten sensible Themen, insbesondere über Religion, den Staat, Meinungsfreiheit oder Alkoholkonsum meiden. Dabei steht weniger die eigene Sicherheit als vielmehr die des einheimischen Gegenübers auf dem Spiel – man könnte den Gesprächspartner allzu leicht in Schwierigkeiten bringen, denn der Geheimdienst ist überall. Ferner klebt der Name Ahmadinedschad am iranischen Aushängeschild; ein Kriegstreiber, der mit Atombomben drohte und bis 2012 als Präsident das Land vom Westen und vom Fortschritt isolierte. Viele warnen uns vor diesem Schurkenstaat – doch von antiwestlicher Stimmung spüren wir hier nichts: selten haben wir uns in einem Land so willkommen gefühlt.
Täglich überladen uns die Menschen mit Brot, Gurken, Bonbons, Rosen, Keksen, CDs, Orangen, Malzbier und Muffins. Manchmal passt nichts mehr in die Radtaschen. Häufig überraschen uns die Iraner: einer holt Bier aus dem Kühlschrank, geschmuggelt aus der Türkei und 8 Euro teuer. Ein anderer äfft den singenden Muezzin nach. Mit der „Kopf ab“-Geste deutet der Nächste auf seinen Führer Khamenei im TV. Ein Deutschiraner wettert: „Die IS-Terroristen sollten hier für zwei Monate leben – sie würden sich vom Islam abwenden!“ Und immer wieder bittet man uns: Erzählt den Deutschen, dass wir keine Terroristen sind. Sondern gute Menschen!

Radlerinnen
Schon auf dem Foto für das Visum muss ich Kopftuch sowie einen hochgeschlossenen Pulli tragen. In Flugzeugen iranischer Airlines besteht bereits Kopftuch-Pflicht, spätestens jedoch nach der Landung. Selbst unter dem Radhelm müssen die Haare bedeckt sein, für mich schon im April fast unerträglich heiß. Auch Händeschütteln ist meist tabu und darf höchstens vom Mann initiiert werden. Leider treffen wir eine Langzeitradlerin, die von täglichen Belästigungen berichtet und einer Vergewaltigung mit versuchtem Messerangriff nur knapp entging. Ähnliches sei von anderen Solo-Radlerinnen zu hören, weshalb sie Frauen von einer Solo-Radtour durch Iran abraten. Ich selbst mache mit Daniel an meiner Seite außer einiger anzüglicher Blicke keinerlei negativer Erfahrungen.
Vielmehr wahren die Männer eine Distanz, die mich zunächst irritiert. Nur ein einziges Mal werde ich völlig ignoriert und als nicht-existent behandelt: von einem Imam in einer Moschee.

Fazit
Iran erscheint uns als Gefängnis, allerdings mit derart herzlichen, hilfsbereiten und aufgeschlossenen Insassen, dass wir bisweilen vergessen hinter Gittern zu sein. Wann immer wir den biederen Khamenei im TV predigen hören, offenbart sich die gewaltige Kluft zwischen den rückwärtsgewandten Mullahs einerseits und den freundlichen und oft von Deutschland schwärmenden Menschen andererseits. Nicht nur die landschaftliche Schönheit, vor allem die herausragende Gastfreundschaft der Menschen machen einen Besuch dies es Landes unvergesslich.

Reisezeit
Wer im Zeitraum April bis Juni bzw. September bis November Iran bereist, umgeht große Hitze und strenge Winterkälte. Besonders Radlerinnen sollten aufgrund der obligatorischen Kleiderordnung möglichst den Hochsommer meiden. Am besten eignet sich das zeitige Frühjahr von März bis Mai, dann ist es in den Wüstengebieten noch kühler und die Vegetation grün. In den Bergregionen kann allerdings noch Schnee fallen.

Anreise
Die meisten Airlines bieten den Transport der Räder gegen einen Aufpreis an. Diese unbedingt gut verpacken und den Reifendruck reduzieren. Am besten den Lenker quer montieren und alle empfindlichen Teile (Scheinwerfer, Schalt- und Bremshebel) lockern. Optimal ist der Transport in einem großen Karton oder einer Fahrradbox. Manche Airlines haben eigene Anforderungen, daher unbedingt alle Modalitäten im Voraus recherchieren und abklären. Wir flogen sehr preisgünstig von Frankfurt über Kiew nach Teheran. Der Transport der Räder kostete mit je 25 € erstaunlich wenig und verlief problemlos. Beliebte Alternative ist die Einreise über Land aus der Türkei.

Einreise
Nur mit gültigem Visum möglich. Frauen müssen auf dessen Foto bereits ein Kopftuch sowie hochgeschlossene Kleidung tragen. Achtung: Mit Stempeln aus Israel im Reisepass ist die Immigration nicht erlaubt und vice versa. Außerdem führt ein Besuch Irans zu Problemen bei späteren Reisen in die USA. Gegebenenfalls einen Zweitpass im Einwohnermeldeamt beantragen.

Sprache
Wer sich mit den herzlichen Iranern und im Kreise der Familien austauschen möchte, sollte sich vorab die Basics in Farsi aneignen. Wann immer wir Unterstützung brauchten, haben wir vorrangig junge Frauen angesprochen, die unserer Erfahrung nach öfter Englisch sprachen als Männer. Hilfreich sind Offline-Übersetzer wie Google Translate.

Geld
Es besteht selbst nach Aufhebung der Wirtschaftssanktionen weder die Möglichkeit, mittels westlicher Giro- bzw. Kreditkarten Geld abzuheben, noch Geld via Western Union zu transferieren. Daher ausreichend Cash in druckfrischen Scheinen für den gesamten Aufenthalt mitführen. Hotels, Wechselstuben und auch Schmuckläden tauschen sowohl Dollar als auch Euro. Einfache Hotels kosten ca. 10 € pro Zimmer und Nacht, können aber auch deutlich teurer sein.
Zugfahrten, Lebensmittel und Restaurantbesuche sind deutlicher billiger als in Deutschland. Wer zeltet, bei Familien nächtigt und per Rad reist, kann von ca. 400 € pro Monat sehr gut leben.

caravanistan
Ständig aktualisierte Informationen zum (Rad)Reisen in Iran und den anderen Ländern entlang der ehemaligen Seidenstraße. Auch das Forum ist eine Fundgrube, etwa bei Fragen zur Visa- Beschaffung und Grenzübergängen.

freedomhouse
Wissenschaftlich fundierter Überblick über die aktuelle gesellschaftspolitische Situation und Entwicklungen.

expressvpn
VPN, um auf gesperrte Websites wie Facebook, Warmshowers, Booking.com oder gar Wwordpress- Blogs zuzugreifen. Die Gebühr beträgt 12 Dollar pro Monat, Service und Zuverlässigkeit sind es wert.

  • Sonnencreme, denn die Sonne kann unerbittlich sein.
  • Wassersäcke für lange Wüstenstrecken, die dienen am Abend auch als Dusche.
  • Fotos der eigenen Familie als Gastgeschenk bzw. Gesprächsstoff.
  • Rückspiegel! Hilft, den Verkehr bestens im Blick zu haben.

Paul, Ludwig & Hartmut Niemann, Reise Know-How, Reiseführer Iran, 2017.
Aktueller und ausführlicher Reiseführer, auch als eBook erhältlich.

Iran, Reise Know-How, 2017.
Kartenmaterial im Maßstab 1:1.500.000. Geeignet für die grobe Routenplanung. Dennoch ratsam sind zusätzlich ein Navigationsgerät oder Offline-Karten auf dem Smartphone.

Orth, Stefan, Malik, Couchsurfing im Iran: Meine Reise hinter verschlossene Türen, 2015.
Fast schon ein Klassiker. Spannende Einstimmung auf die Tour.

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