An der Kreuzung von Sarytasch in Krigisistan wollte ich schon vor Jahren nach links abbiegen und nach China reisen – diesmal war es soweit und ich war sehr aufgeregt. Nach dem sehr einfachen Leben in Tadschikistan, Kirgisistan und Afghanistan gab es an der Grenze die erste Überraschung: Absolutes High-Tech, wo man nur hinschaut! Beim Überqueren wurden allen Touristen (es gab neben mir einige Radtouristen) die Smartphones abgenommen und überprüft. Ich gab mein Nokia 109 ab und erhielt es mit einem seltsamen Blick direkt zurück. Dafür musste ich mein Notebook hochfahren und wurde nach „Shooting Photos“ gefragt. Nach dem „Vor-Check“ mussten dann alle für einige Dollar ein Sammeltaxi nehmen und 150 km landeinwärts zum „richtigen“ Grenzübergang fahren. Die gesamte Strecke war abgezäunt und videoüberacht. Sehr seltsam alles.
Der Hintergrund ist folgender: Die Region Xinjiang wird u. a. von ca. 13 Mio Uiguren bewohnt, welche muslimischen Glauben haben. Die Zentralregierung in China versucht, die absolute Kontrolle über das Gebiet zu erreichen, nicht zuletzt deshalb, weil auch die neue Seidenstraße durch die Provinz verläuft. Alle Fremden und die Uiguren selbst sind höchst verdächtig und das spürt man.
Die Reise ging weiter nach Kashgar. Ich saß mit einer Usbekin, welche einen russischen Pass hat, und weiteren zwei Han-Chinesen im Auto. Alle paar Kilometer mussten wir, also die Usbekin und ich, das Auto an Checkpoints verlassen und wurden komplett überprüft. Sie sagte: „Your Passport. Problem.“ Nun ja, locker bleiben und weiter geht’s. Die Chinesen (keine Uiguren) wurden nie kontrolliert und durften im Auto bleiben. Alle Uiguren in der Region müssen sich in den Städten an Checkpoints kontrollieren lassen, welche teilweise nur wenige hundert Meter auseinander liegen oder Wohnblöcke abschließen. An den Checkpoints wird kontrolliert, ob sich im Ausweis (welcher ein 3D-Foto enthält, in behördlichen Datenbanken sind außerdem auch Sprachproben und DNA gespeichert) ein Vermerk befindet. Dann werden sie verhört und ggf. wird der Polizist, welcher für sie zuständig ist, dazugeholt. Weiterhin wird das Smartphone kontrolliert, auf welchem eine Software installiert sein muss, die kontrolliert, mit wem telefoniert wurde und welche Webseiten besucht wurden. Ist diese Software nicht installiert, werden sie sofort verhaftet.
Kashgar ist sehr interessant und hat eine sehr lange Geschichte. Leider wurde die historische Altstadt zu großen Teilen abgerissen und durch eine „neue“ Altstadt ersetzt, welche ebenso 100 % videoüberwacht (mit Gesichtserkennung!) ist. Nur wer genau hinschaut, findet noch Ecken, welche historisch sind. Die folgenden Tage kreisten Kampfjets über der Stadt, was der Stimmung aber keinen Abbruch tat. Man gewöhnt sich schlicht an das beklemmende Gefühl, macht sich jedoch auch ein Bild davon, wie es den Uiguren hier ergeht.
Nach einer Wocher Erkundung fuhr ich weiter nach Ürümqi und trat von dort nach einigen Tagen die Rückreise an. Die Reise war unglaublich spannend und interessant. Ich denke, dass es trotzdem gut ist, die Region selbst zu besuchen, Eindrücke und Erfahrungen zu sammeln und in der Heimat zu erzählen.
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