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Bolivien: Mit dem Fahrrad entlang der Lagunenroute

Bolivien: Mit dem Fahrrad entlang der Lagunenroute

Die Lagunenroute ist der Radfahrer-Olymp Südamerikas. Surreale Landschaft. Absolute Herausforderung. Wer intensive, zähe, herausfordernde Radreisen liebt und über sich selbst hinaus wachsen will, ist hier richtig. Die Stille des Altiplano und die Dunkelheit seiner Nächte sind unermesslich.

Vom chilenischen Calama aus radeln wir nach San Pedro, um uns an das trockenheiße Wüstenklima zu gewöhnen. Zudem unternehmen wir allerhand Akklimatisationstrips in der Umgebung, unter anderem zum Vulkan Lascar, und zelten bereits auf 4.000 m. Anschließend führt eine steile Rampe hinauf Richtung Paso Jama, wir zweigen jedoch ab gen Bolivien. Nach den Polques-Thermen passieren wir die heißen Schlammquellen der Sol de Mañana, wo sich auch der höchste Pass der Reise befindet (etwa 4.990 m). Vorbei an den Lagunen Colorada und Hedionda erreichen wir die internationale Straße Richtung Ollague, ein kurzes Stück Asphalt, bevor die Räder auf das weiße Nichts des Salar de Uyuni rollen. Nach etwa 14 Tagen und 440 Kilometern Sand, Schotter, Salz und Wellblechpiste erreichen wir Uyuni. Der Wind weht zumeist aus westlicher Richtung, die Route verläuft in Nord-Süd-Richtung. Da auch die Passanstiege auf keiner Seite besonders steil oder flach scheinen, ist die Fahrtrichtung letztlich egal –wer im Süden startet, dem winkt der Salar als krönender Abschluss, wer in Gegenrichtung beginnt, wird die 2.200-Meter-Abfahrt vor San Pedro nie vergessen.

Die akute Höhenkrankheit wird durch Sauerstoffmangel hervorgerufen und kann prinzipiell schon ab etwa 2.500 m ü.N.N. auftreten. Jedes Jahr sterben Radreisende in den Hochgebirgen dieser Welt aufgrund mangelnder Akklimatisation. Leitsymptom sind Kopfschmerzen, im schlimmsten Fall entwickelt sich ein Lungen- oder Hirnödem, das auch körperlich fitte Menschen treffen kann und unbehandelt meist tödlich verläuft. Aber auch leichte Symptome (Appetitlosigkeit und Verdauungsstörungen, Übelkeit, Schlafstörungen) können zum Abbruch der Tour zwingen, dabei ist die Prophylaxe denkbar einfach: viel trinken, Zeit nehmen, nicht mehr als 400 m pro Tag aufsteigen und möglichst tief schlafen („Go high, sleep low“). Dies ist aufgrund der dürftigen Versorgungslage nicht einfach, daher ist eine gute Planung umso wichtiger. Wer unter starken Kopfschmerzen leidet, Atemnot oder Verwirrtheitszustände hat, sollte sofort absteigen – mit ärztlicher Notversorgung oder gar Hubschrauberrettung ist nicht zu rechnen.

Dem harschen Klima entsprechend ist warme und vor allem winddichte Kleidung ein absolutes Muss. Ideal ist eine Garnitur langer, wollener Unterwäsche, schnell trocknender Oberkleidung und eine Lage Hardshell. Dazu eine Daunenjacke, Handschuhe, Mütze, Buff/Sturmmaske, wasserdichte und warme Stiefel. Ebenso wichtig: warme Schlafsäcke und Isomatten, die den tiefsten zu erwartenden Nachttemperaturen angemessen sind (inkl. Flickzeug für eine eventuell perforierte Isomatte!). Obligatorisch ist auch ein sturmfestes Drei-Jahreszeiten-Zelt, am besten mit voll verschließbarem Innenzelt und bis auf den Boden reichender Außenmembran, dies gewährleistet eine deutlich bessere Isolation und Schutz vor Sand im Wind. Wichtig: verschmutzte Reißverschlüsse regelmäßig mit einer kleinen Bürste reinigen, die Zipper werden sonst binnen weniger Wochen durchgescheuert. Sehr praktisch sind Wassersäcke (z. B. die 10-Liter-Variante von Ortlieb) und ein kleiner Filter (der Sawyer Mini lässt sich auf den Ortlieb-Verschluss schrauben). Wir benötigen etwa fünf Liter Wasser pro Person und Tag inkl. Kochen und Zähneputzen. Die Geschwirr“wäsche“ erfolgt mit Sand, die Körperpflege mit Feuchttüchern. Gute Erfahrungen machen wir mit dem Multifuel-Kocher Polaris von Optimus, der sogar auf 4.700 m Höhe noch -15 °C kaltes Benzin rußfrei verbrennt. Für zwei Personen und zwei warme Mahlzeiten am Tag reichen 1,5 Liter Sprit für etwa zehn Tage. Unverzichtbar sind sehr starke Sonnenbrillen und -creme (LSF 50+). Auf reflektierenden Oberflächen (Eis und Salz) das Eincremen der Nasenlöcher nicht vergessen, ansonsten droht Sonnenbrand von innen… Als sehr hilfreich empfinden wir abschwellende Nasentropfen, denn die trockene Luft führt vor allem nachts oft zu verstopfter Nase.

Die Lagunenroute ist berüchtigt für ihre extrem schlechten Pisten: Das Wellblech ist manchmal 20 cm tief, die Straße von handballgroßen Steinen übersät, sehr sandig oder schlicht nicht vorhanden. Unsere Fahrräder, stabile Lastesel der Marke Patria (Modell Terra mit gemufftem Stahlrahmen und Gepäckträgern aus Stahl, dicken Felgen und verstärkten Speichen, Rohloff-Schaltung, Scheibenbremsen) können ihre Stärken voll ausspielen. Die Erschütterungen sind so stark, dass sich manche Schrauben selbständig herausdrehen und die Taschen von den Trägern fliegen – wir verzeichnen dennoch keine einzige Panne. Sehr empfehlenswert sind möglichst breite, neue Reifen mit grobem Profil (Schwalbe Marathon Mondial), denn viele Streckenabschnitte sind über Kilometer hinweg so sandig wie ein Strand. Meist kurbeln wir im ersten Gang, können letztlich aber etwa 95 % der Route fahrend bewältigen. Wer dennoch oft schieben muss, ist mit einem kleinen Riemen gut beraten, denn das Fahrrad zu ziehen ist weniger anstrengend als zu schieben. In Uyuni und San Pedro finden sich allenfalls Ersatzteil-Basics, gute Radläden gibt es erst im chilenischen Santiago oder im argentinischen Salta. Daher sollten die wichtigsten Ersatzteile mitgenommen werden. Die Navigation klappt problemlos mit dem Smartphone und Open Street Maps. Zur Sicherheit haben wir eine handgezeichnete Papierkarte und einen Kompass dabei – wichtig auf dem Salar de Uyuni. Das Smartphone laden wir über einen kleinen Spannungswandler (E-Werk) via Nabendynamo. Wichtig: Der Wasserfilter wird durch Frost zerstört und gehört daher nachts unbedingt in den Schlafsack. Eine Flasche Wasser und kälteempfindliche Elektronik verstauen wir im Innenzelt.

Zwar passieren uns täglich morgens und abends etliche Tourjeeps, wer sich jedoch verirrt, erkrankt oder eine schwerwiegende Panne erleidet, ist unter Umständen völlig auf sich allein gestellt.

Wir führen meist Trinkwasser für zwei Tage mit, da das Wasser der Lagunen sehr salzig und schwermetallhaltig ist. Darüber hinaus transportieren wir Nahrung für acht Tage, entsprechend schwer sind die Fahrräder beladen (Gesamtgewicht bis 65 kg). Da Wasser in 4.500 m schon bei etwa 85 °C kocht, brauchen Pasta und Reis etwa die dreifache Garzeit, was den Benzinverbrauch nach oben treibt. Viel praktischer sind daher Instantnudeln, Kartoffelbrei und Couscous. Ein hervorragendes Kalorien/Gewichts-Verhältnis haben Cracker, Erdnussbutter, Nüsse, Trockenfrüchte, Milchpulver und Parmesan. Nicht zu knapp planen! Aufgrund der körperlichen Leistung und großen Höhe ist der Kalorienverbrauch immens. Wir essen manchmal gar die zurückgelassenen Portionen der Jeeptouristen in den Herbergen auf, so groß ist der Hunger … Tipp: Da nach Chile keine frischen Lebensmittel und Nüsse eingeführt werden dürfen, geben die von Bolivien Richtung Chile reisenden Jeeptouristen ihre Vorräte kurz vor der Grenze bereitwillig ab.

Die Herbergen entlang der Route bieten oft ein Abendbrot, das allerdings meist bereits am Nachmittag bestellt werden muss, verkaufen Snacks und stellen eine Übernachtungsmöglichkeit. Wer gut plant, körperlich sehr fit ist und Wetterglück hat, kann theoretisch jeden Tag in einem Gebäude (Herberge, Grenzstation, Shop) geschützt vor der Kälte lagern, Wasser auftanken und ein wenig Nahrung ergattern. Darauf verlassen sollte man sich jedoch keinesfalls. Eine Etappe mussten wir im Sturm abbrechen und in der Siloli-Wüste auf knapp 4.700 m Höhe ungeschützt zelten. Dank ausreichend Wasser, Nahrung und guter Ausrüstung kein Problem – wer hier jedoch keine warmen Schlafsäcke dabei hat, muss mit einer qualvollen Nacht rechnen, wenn nicht mit Schlimmerem.

In San Pedro und Uyuni gibt es dann wieder zahlreiche westliche Hotel mit dem größten Luxus auch für ein kleines Budget: einer heißen Dusche.

Die Einheimischen entlang der Route erleben wir als extrem gastfreundlich und hilfsbereit, schenken sie uns doch Brot, ein warmes Mittag und Kekse für unterwegs – obwohl Radtouristen beileibe keine Seltenheit sind. Einmal mehr erweisen sich Spanischkenntnisse als extrem nützlich, denn nur so erfahren wir über das Leben und Überleben der Menschen im Altiplano, ihre Sorgen, Wünsche und Weltanschauungen.

Zudem überlassen uns die anderen Touristen bereitwillig ihre Portionen, denn wir könnten essen für zehn. Ein Schweizer Tourist schenkt uns gar inmitten eines Sandsturms 100 Dollar – wir sollten damit in Uyuni, zurück in der Zivilisation, fein essen gehen und auf ihn anstoßen. Die Fahrer der Tourjeeps geben gerne Auskunft über den Zustand der Piste, helfen wenn nötig mit Wasser und Snacks unterwegs und würden in der Not auch Radfahrer samt Räder mitnehmen oder Hilfe organisieren.

Im Laufe unserer zweijährigen Radreise wird die Lagunenroute in der Tat die größte Herausforderung sein, die körperlich anstrengendste Etappe – aber auch eine der landschaftlich reizvollsten. Die absolute Stille und Dunkelheit, die unermessliche Einsamkeit und surreale Schönheit der Landschaft sind unvergessliche Erfahrungen. Zudem erstaunt uns die Gastfreundschaft der Herbergsbesitzer, die uns trotz der hohen Besucherfrequenz noch immer beschenken oder gar umsonst übernachten lassen. Die Lagunenroute wird oft als extrem zäh und anstrengend beschrieben – wer jedoch wirklich körperlich und psychisch (!) fit ist, sich gründlich akklimatisiert und auf Rad und Ausrüstung verlassen kann, sollte es wagen – intensiver kann Radreisen kaum sein!

 

 

Reisezeit und Klima

Die sogenannte Lagunenroute führt durch den bolivianischen Teil des Altiplano, ein abflussloses Hochplateau (durchschnittliche Höhe etwa 3.700 m), das sich von Peru über Bolivien bis nach Nordchile und -argentinien erstreckt. Zahlreiche Vulkane bis über 6.000 m Höhe dominieren das Erscheinungsbild. Das Klima ist äußerst kalt, windig und trocken. Typisch für Wüsten schwanken die Temperaturen im Tagesverlauf deutlich stärker als im Jahresverlauf. Es lassen sich grob zwei Jahreszeiten definieren: Regenzeit (Gipfel Dezember bis März) und Trockenzeit (Gipfel Juni bis August). Niederschlag (200 mm pro Jahr) fällt meist als Schnee und schmilzt rasch im Tagesverlauf. Während der Regenzeit versinken viele Pisten in Schnee und Schlamm und werden selbst für Geländewagen unpassierbar.

Eindeutig beste Reisezeit ist daher die Trockenzeit. Etwa zwischen Mai und November ist nur sehr selten mit Niederschlägen zu rechnen. Allerdings wird es dann noch kälter, Nachttemperaturen von -20°C sind keine Seltenheit. Zur Mittagszeit steigt das Thermometer auf etwa 5-10 °C (im Schatten), an windgeschützten Orten kann es sogar richtig heiß werden. Aufgrund des fast immer kräftig wehenden Windes liegt die gefühlte Temperatur jedoch oft unter Null. Der August gilt als „Monat des Windes“ mit besonders heftigen Winden. Mit Stürmen in Orkanstärke, die sich meist am Vormittag aufbauen, muss aber immer gerechnet werden.

Anreise

Internationale Flughäfen befinden sich im bolivianischen La Paz sowie im chilenischen Santiago de Chile. Die Weiterreise zu günstigen Ausgangsorten der Lagunenroute (Ollague, Calama/San Pedro de Atacama, Uyuni) gelingt einfach und kostengünstig mit dem Bus. Die Fahrradmitnahme ist meist möglich, unter Umständen wird eine Gebühr oder Trinkgeld verlangt. Am besten vorher am Schalter fragen und die Räder auf ein möglichst kleines Packmaß zerlegen.

Einreise

Visa on Arrival erhält man als deutscher Staatsbürger für Chile, Bolivien und Argentinien problemlos und kostenfrei für 90 Tage sowohl am Flughafen als auch an den lokalen Grenzübertritten. Die Lagunenroute führt durch das Reserva Nacional de Fauna Andina Eduardo Abaroa, hier wird eine Gebühr von ca. 20 € fällig, die bar gezahlt werden muss.

Geld

8 Bolivianos entsprechen derzeit einem Euro. Abhebung und auch Umtausch von Bargeld sind in Uyuni und San Pedro, den Ausgangs- bzw. Zielorten der Lagunenroute, auch mit Visa-Karte unproblematisch. In den wenigen Herbergen entlang der Lagunenroute ist einzig Barzahlung möglich – Geld wechseln nicht vergessen! Auch, um im Bedarfsfall eine längere Pause in einer Herberge oder einen privaten Fahrer finanzieren zu können.

Sprache

Spanisch. Die wenigen Bewohner entlang der Lagunenroute sprechen meist kein Englisch. Wer Spanisch spricht, erhält leichter Informationen über aktuelle Strecken- und Wetterbedingungen sowie deutlich mehr Einblicke in den Lebensalltag der Einheimischen.

Links

Karten

Es gibt keine detaillierte Landkarte zur Lagunenroute. Wir fahren mit der Chile-Landkarte von Reise KnowHow (Maßstab: 1:1.600.000, neueste Auflage von 2018), die jedoch nur als grobe Übersicht dienen kann.

Hilfreich sind Papierkopien von Jeeptour-Anbietern, die direkt in San Pedro und Uyuni um Touristen buhlen. Die Agenturen geben auch aktuelle Auskünfte zu Streckenbedingungen und Herbergen entlang der Lagunenroute.

Literatur

  • Sprachführer Spanisch, Lonely Planet, 2016: Sehr übersichtlich und mit guter Auswahl relevanter Sätze und Vokabeln, ideal für die Lenkertasche
  • Carla Perrotti, Die Wüstenfrau, National Geographic, 2000: Die Italienerin überquerte zu Fuß den größten Salzsee der Erde, den Salar de Uyuni. Ihr Erfahrungsbericht ist eine spannende wie hilfreiche Vorbereitung auf die Witterungsbedingungen und Herausforderungen des Klimas.
  • Andreas Altmann, Reise durch einen einsamen Kontinent. Unterwegs in Kolumbien, Ecuador, Bolivien, Peru und Chile, Dumont Verlag, 2007: Deutschlands bester Reisereporter stimmt unterhaltsam auf Südamerika ein und treibt die Neugier und Spannung ins Grenzenlose.

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