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Hier, auf einmal fiel die Sohle ab …

Hier, auf einmal fiel die Sohle ab …

…so fangen immer wieder einige Gespräche bei uns am tapir-Servicetresen an. Oder wir dürfen einen Blick auf oft gut getragene Bergschuhe werfen und uns mit der Frage auseinandersetzen, ob man denn noch etwas machen könne. Der Schuh sieht noch gut aus, doch die Laufsohle ist platt oder löst sich an der einen oder anderen Stelle schon ab. Es genügt dann zunächst der Blick ins Schuhinnere: Gezwickt oder gestrobelt? Ist der Schuh nicht in traditioneller, zwiegenähter Machart hergestellt (da gibt es überhaupt keine Probleme), sondern eben gezwickt, kann er zum Hersteller geschickt werden und bekommt dort gegen ein Entgelt eine neue Laufsohle verpasst. Gestrobelte Modelle haben es da etwas schwerer: Sie sind in der Regel nicht wiederbesohlbar und werden daher nicht zu den Firmen geschickt. Und nun, da das Frühjahr mit aller Macht über uns gekommen ist, die ersten Touren anstehen oder in Planung sind, steigt auch bei uns im tapir die Nachfrage nach Neubesohlungen. Ein Grund, sich mal wieder etwas intensiver mit dem Schuhaufbau und dem Thema „Pflege und Lagerung“ zu beschäftigen, damit es mitten auf der Tour nicht zum unvermittelten Ab- oder Auflösen der Laufsohle kommt.

 

Wanderschuhe und Rucksäcke gehören für mich zu den Dingen, die auf Tour einfach passen müssen und bei denen ich keine Kompromisse eingehen würde, damit es nicht zu Scheuerstellen (reibende Rucksackgurte) und Blasenbildung (reibende Schuhe) kommt. Während es bei Rucksäcken nur wenige Verschleißteile gibt, die, wenn man an die Schnallen denkt, einfach zu ersetzen sind, verhält es sich bei Wanderschuhen und Bergstiefeln ähnlich wie mit Autoreifen. Irgendwann nutzt sich die Laufsohle ab: Je weicher und griffiger die Gummimischung, desto schneller geht das.

Eine abgelaufene Sohle ist aber gerade bei Bergstiefeln kein Grund, den Schuh zu entsorgen, wenn eine Neubesohlung auch nicht bei allen Schuhmodellen geht. Mit Ausnahme von Mammut und Scarpa, die laut Firmenaussage alle Schuhe neu besohlen, nehmen die Schuhmacher von Meindl und Lowa nur Schuhe in gezwickter oder zwiegenähter Machart an. Da lohnt sich besagter Blick ins Schuhinnere, bevor der Schuh auf die Reise nach Kirchanschöring (Meindl) oder nach Jetzendorf (Lowa) geht. Hanwag baut, abgesehen von einigen Kinderschuhen, gleich alle Modelle in gezwickter oder in traditioneller zwiegenähter Machart. Das heißt: Bis auf die Kinderschuhe sind alle Modelle wiederbesohlbar.

Hinter der Machart von Schuhen verbirgt sich der Teil des Produktionsprozesses, in der die Laufsohle (Außensohle) mit dem Schuhschaft verbunden wird.

Traditionell werden Bergstiefel zwie- oder trigenäht, eine Technik, die den Bergschuh sehr stabil und verwindungsfest macht. Die Nähte sind von außen sichtbar, die beiden zwischen Oberleder und Sohle parallell verlaufenden Nähte waren der offensichtliche Namensgeber für diese Art der Bergschuhee, während der trigenähte Wanderstiefel äußerlich durch seine Dreifachnaht erkennbar ist.

Mit dem Einzug von Maschinen hat sich das Schusterhandwerk weiterentwickelt. Gezwickte Schuhe werden in einem handwerklich immer noch anspruchsvollen Verfahren gefertigt, bei dem der Schuhmacher den Schaft über den Leisten zieht und den Schaft einem ersten Schritt mit der Brandsohle verbindet. Das kann entweder über sichtbare Nägel im Innenschuh oder auch geklebt (klebegezwickte Schuhe) erfolgen. Die Brandsohle ist quasi das Fundament des Schuhs und kann aus Leder oder Kunststoff bestehen. Nachdem der Schaft und die Brandsohle eine stabile Einheit gebildet haben, werden die Zwischensohle (Dämpfsohle) und die Profilsohle (Laufsohle) separat montiert. Gezwickte Schuhe weisen bei entsprechender Pflege eine hohe Formbeständigkeit und Langlebigkeit auf. Das freut nicht nur die Füße, die sich in gut eingelaufenen Schuhen blasenfrei auf Tour begeben, sondern freut auch den Geldbeutel und kommt der Umwelt zugute, wenn der Schuh neubesohlt wieder zurückgekommen ist.

Schneller und handwerklich einfacher lassen sich gestrobelte Schuhe herstellen. Diese Machart wurde nach den Spezial-Nähmaschinen der Firma Strobel benannt. Die Brandsohle wird vernäht, um den Schuh zu stabilisieren, bevor dann die Profilsohle angespritzt (oder aufgeklebt) wird. Wenn also Mammut oder Scarpa auch ihre gestrobelten Schuhe neu besohlen, heißt das, dass die Laufsohle komplett runtergeschliffen werden muss, bevor eine neue Sohle wieder angespritzt werden kann. Die Sohlenfestigkeit ist bei gestrobelten Schuhen generell etwas weniger ausgeprägt, dafür fühlen sich die Schuhe oft nicht so steif an und tragen sich gefühlt weicher. Deshalb werden heute viele Hiking- oder Leichtwanderschuhe in gestrobelter Machart produziert.

Am Rande erwähnt werden sollten auch die rahmengenähte, anvulkanisierte oder angespritzte Macharten, die im Outdoorbereich, wenn überhaupt, nur bei leichten Wanderschuhen oder Trailrunningschuhen zum Einsatz kommen. Bei keinem dieser Schuhe lässt sich die Sohle erneuern.

Wer nicht erst im tapir am Servicetresen gesagt bekommen möchte, ob sein Schuh wiederbesohlbar ist oder nicht, nimmt einfach nur die Einlegesohle heraus und wirft einen Blick auf die Brandsohle. Sieht er dort eine Naht, dann hat er einen gestrobelten Schuh. Sieht die Brandsohle an ihren Rändern clean aus, dann stehen die Chancen gut, dass er einen gezwickten Schuh vor sich hat, der, wenn der Gesamtzustand des Schuhs noch gut ist, ohne Probleme eine neue Sohle bekommen kann.

Ja, auch in der innigen Beziehung zu seinen Bergschuhen soll es das verflixte 7. Jahr geben … Dann kann es vor allem bei  den Wanderschuhen mit einem PU-Dämpfungskeil, die wenig genutzt werden, zu einer ‚Hydrolyse‘ kommen, zu einem chemischen Prozess, bei dem Wasser eine chemische Verbindung spaltet – im Falle unserer Zwischensohle betrifft es das Polyurethan. Was wiederum nichts anderes bedeutet, als dass sich die Weichmacher, die im Polyurethan enthalten sind, verflüchtigen. Es gehört leider zum normalen Alterungsprozess von Schuhen, wenn dann der Dämpfungskeil  zu bröseln beginnt und erste kleine Risse entstehen. Dem kann man ein Stück weit entgegenwirken, indem man die Schuhe trocken und kühl sowie dunkel lagert, sie von Hitze fernhält und vor allem die Schuhe regelmäßig nutzt (- das ist übrigens wieder genauso wie bei einer langen Lagerung von Autoreifen). Warum daher nicht auch im Herbst oder Winter die Schuhe beim Sonntagsausflug oder Ahnlichem tragen!?

Das Dumme an der Hydrolyse ist: Leider kann man ihre Anfänge von außen nicht erkennen! Deshalb kommt es immer wieder dazu, dass bei uns Schuhe abgegeben werden, die optisch noch fast unbenutzt wirken. Vor der Tour sollte man sich also die älteren Schuhe etwas genauer im Sohlenbereich ansehen, dann sollte es auch nicht zu unliebsamen Überraschungen kommen, auch wenn man leider von außen nicht alle Risse in der Sohle erkennen kann. Wir empfehlen, nach langen, oft jahrelangen Ruhezeiten die Schuhe vorher einzulaufen, quasi zu testen. Nach der Tour sollte man die Wanderschuhe, bevor sie zurück in den Karton oder Schrank wandern, reinigen und trocknen. Heißt: den Schuh mit lauwarmem Wasser und einem Tuch  (oder weichem Schwamm) von Schmutz und Salz, Jauche und Mist befreien und das Leder mit einem bienenwachshaltigen Pflegemittel versehen.

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