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In eisigen Höhen – Die Besteigung des Stok Kangri (6.121 Meter) in Ladakh

In eisigen Höhen - Die Besteigung des Stok Kangri (6.121 Meter) in Ladakh

In eisigen Höhen - Die Besteigung des Stok Kangri (6121 Meter) in Ladakh

Einmal auf über 6000 Meter stehen…Die magische Zahl schwebte im Raum. Nachdem ich bereits über drei Wochen in Ladakh verbracht hatte und durch die Überschreitung des 5130 Meter hohen Kongmaru La auf dem Markha Valley Trek auch gut akklimatisiert war, wusste ich: Jetzt oder nie!

Warum der Stok Kangri

Ladakh ist geradezu prädestiniert für Trekking und Bergsteigen. Seine außergewöhnliche Lage zwischen Karakorum und der Himalaya-Hauptkette und zahlreicher andere Gebirgszüge wie etwa der Zanskar- oder Stok Range machen es zu einem beliebten Ziel für Naturverbundene. Wer einmal einen Sechstausender besteigen möchte, wird unweigerlich auf den Namen des Stok Kangri stoßen. Der höchste Berg der Stok Range zählt zu den am einfachsten zu besteigenden Bergen im (Trans)-Himalaya, die diese Höhe erreichen. Doch wie Albert Einstein schon richtig sagte: „Alles ist relativ!“. Dies trifft auch auf den Stok Kangri zu…

Anflug auf Ladakh und die Stok Range. Der Stok Kangri befindet sich rechts im Bild.Der Stok Kangri Anfang OktoberDer Stok Kangri Anfang September

Was Sie schon immer über diese TOUR wissen wollten…

Der Anfang vom Ende?
Bereits beim Anflug von Delhi nach Leh hatte ich Anfang September erste Blicke auf den höchsten Berg der Stok Range werfen können. Die Pyramide thront über dem Industal und ist von Leh nicht zu übersehen. Zu dieser Zeit war der Gipfel nur mit wenig Schnee bedeckt. Ende September folgte ein Kälteeinbruch, der in den niedrigeren Lagen etwas Regen, in Höhen über 5000 Meter aber viel Schnee mit sich brachte.

Eine ungewisse Entscheidung
Der Temperatursturz hatte zur Folge, dass es Ende September kaum noch einen Anbieter gab, der das Risiko einer Besteigung des Stok Kangri auf sich nehmen wollte. Ich hatte auch mit einzelnen Leuten gesprochen, die auf rund 5500 Meter aufgrund der eisigen Kälte, aber vor allem wegen des Neuschnees umgekehrt waren. Sollte es das also schon gewesen sein? War das Ende der Saison durch den eintreffenden Schneesturm bereits markiert? Leh glich bereits in den letzten Septembertagen einer Geisterstadt. Viele Restaurants, Trekkingläden und auch eine beachtliche Anzahl an Reisebüros begannen, ihre Geschäfte zu schließen.
Und Touristen? Ein Großteil hatte Ladakh ebenfalls bereits verlassen und sich in wärmere Gefilde begeben. Ich bekam widersprüchliche Aussagen über den Stok Kangri zu hören. In meiner verzweifelten Suche klapperte ich verschiedene Läden ab. Mancher Veranstalter wollte mir die Stok Kangri Besteigung für über 500 Dollar verkaufen, andere sagten rigoros ab. „Zu kalt, zu gefährlich“ lautete die lapidare Antwort. Ich hatte schon fast das Thema abgehakt, als mir ein Mitarbeiter von „Snow Leopard Trails“ riet, Sonam „Hero“ Wangyal aufzusuchen. Der 73jährige ist eine Bergsteigerlegende in Ladakh und erkletterte unter anderem den Mount Everest im Jahr 1965 als damals 23jähriges und jüngstes Mitglied der Expedition. Heute sitzt er im Büro der India Mountaineering Foundation, dass an sein Hotel „Mentokling“ in der Changspa Road anschließt. Nachdem ich ihm mein Anliegen geschildert hatte, tätigte er einige Anrufe in das Dorf Stok am Fuße des Berges und erklärte mir schließlich, dass es ein stabiles Wetterfenster für die nächsten drei Tage gäbe und man Material wie Steigeisen, Eispickel und anderes Equipment in Mankarmo ausleihen könne, einer Station vor dem Base Camp des Stok Kangri.
Das Basecamp selbst war zu dieser Zeit aber schon verlassen, da das Trinkwasser bereits permanent gefroren war und man somit rund 150 Meter unterhalb mit dem Aufstieg beginnen müsse. Er verkaufte mir ein Permit für 1572 Rupien (etwa 22€) und gab mir ein umfassendes Briefing für die Route zum Stok Kangri und auch für die Gipfelnacht. Am nächsten Morgen machte ich mich mit einem Minibus zunächst nach Chlogsamar auf und stieg dort um in den Minibus nach Stok (Fahrtkosten zusammen etwa 70 Rupien/1€). Von dort begann dann meine abenteuerliche Wanderung in Richtung Stok Kangri, in der ich noch keine Ahnung hatte, wie sie ausgehen würde…

Blick auf das Dorf Stok nach dem ersten KilometerDer Abzweig Chang Ma nach Mankarmo bietet tolle BlickeBlue Sheep bekannte Beute des SchneeleopardenAuf der Suche nach dem sagenumwobenen SchneeleopardenAm Gipfel angekommen mit Blick auf den relativ exponierten GipfelgratMit meinem Guide Sunny auf 6121 Meter über Normalnull. Die Ladakhis sind wahre Helden am Berg.Die vier anderen GipfelstürmerGipfelfoto mit Nun und KunOben angekommenBlick vom Gipfel gen Westen Richtung Zanskar und den Bergen Nun und KunBlick auf das Industal und das Dorf YurutseBlick ins Industal vom Gipfel mit der aufgehenden SonneDer Beweis: Endlich auf über 6000 Meter über dem MeerDer kleine Gletscher, den man beim Aufstieg nachts überqueren muss.Der Stok Kangri in seiner ganzen PrachtBlick auf unsere einsamen Zelte. Das eigentliche Stok Kangri Basecamp befindet sich oben rechts.Die beiden Guides beim AbstiegEine erfolgreiche und gesunde Besteigung - Buddha sei dank!

Von Stok nach Mankarmo
Vom letzten Haus von Stok führt die Strecke zunächst über mehrere Stunden entlang eines gletschergespeisten Flusses. Es gibt noch eine relativ ausgeprägte Vegetation. Nach rund drei Stunden und 6 Kilometern teilt sich dann der Weg in Chang Ma auf. Wer geradeaus läuft, gelangt über den Stok La, einen fast 5000 Meter hohen Pass nach Rumbak. Um zum Stok Kangri zu gelangen, biegt man an einer beschilderten Weggabelung einfach in nordwestliche Richtung ab. Dieses Gebiet gehört zum Habitat des berühmten Schneeleoparden. Dementsprechend sieht man ab und zu mal größere Scharen von Profi-Fotographen, die dort auf der Suche nach der Nadel im Heuhaufen sind. Von Chang Ma sind es noch einmal 3,5 Kilometer nach Mankarmo, einer abgelegenen Hochalm, wo sich nur ein Parachute-Zelt befindet, in dem Essen und Getränke verkauft werden. Hier steht bei Bedarf die komplette Ausrüstung zur Ausleihe bereit. Auch ein Guide kann an diesem Ort engagiert werden. Vorher sollte sich aber am besten nochmal bei Hero Wangyal in Leh informieren.

Von Mankarmo zum (Ersatz)- Basecamp des Stok Kangri
Von Mankarmo geht es dann in rund zwei Stunden zum unteren Stok Kangri Basecamp. Zu dieser Jahreszeit ein wirklich einsamer Ort. Als ich am 2. Oktober ankam, gab es noch drei Zelte von anderen Expeditionen. Diese hatten aber bereits ihren Gipfelversuch hinter sich und verschwanden im Laufe des Nachmittags. Außer mir war nur noch der wortkarge Engländer David im Camp, der ein ganzes Team mitgebracht hatte. Mit eigenem Koch inklusive Guide und Packpferden war er bestens ausgerüstet für die Mini-Expedition. Nach der Ankunft baute ich in Windeseile mein Zelt auf und begann Wasser zu kochen. Im Laufe des Nachmittags und Abends stopfe ich alles in mich rein, was ich essen und trinken kann. Die Anspannung liegt in der Luft. Werde ich das schaffen?

Die Gipfelnacht
Ich nicke ein paar Stunden ein, wache wieder auf, schlafe wieder ein…Die Anspannung ist fühlbar. Irgendwann ist der Moment gekommen. David lädt mich in sein luxuriöses Essenszelt ein. Irgendwie unwirklich, um 1:30 Uhr warmes Porridge serviert zu bekommen. Die Ladakhis sind halt wirklich die wahren Helden am Berg! Gegen 1:45 verlassen wir gemeinsam das Camp. Der Vollmond, der in den vergangenen Tagen noch schien, ist Geschichte. Es ist ziemlich dunkel. Mein Guide Sunny, den ich in Mankarmo engagiert habe, wird zum Anführer gewählt. Er scheint die meiste Erfahrung am Berg zu haben. Irgendwie verständlich, denn für ihn ist es bereits das 26 Mal in dieser Saison. Mit jedem Schritt, den wir machen, wird es eine Spur kälter. Die Ladakhis geben zunächst das Tempo vor, doch schon nach einer halben Stunde wird klar, dass wir Flachlandtiroler da nicht in der gleichen Liga mitspielen. Auf einem kleinen Pass machen wir eine kurze Trinkpause. Wie gut, bei – 13 Grad eine Thermos-Edelstahl-Thermoskanne dabei zu haben!
Wir sind erst etwa einhundert Meter aufgestiegen, als die Schneegrenze beginnt. Erstmals kommt der Stok Kangri in Sichtweite. Aber bis zum Gipfel ist es noch ein langer Weg… Zunächst traversieren wir über schmale Hänge bis hin zum Hang des Gletschers. Dann weist uns Sunny den Weg über den Gletscher, wo wir mitten in der Nacht über Gletscherspalten hüpfen. Nach einer gefühlten halben Ewigkeit steigen wir nun im Zickzack die Südostwand des Stok Kangri empor. Es wird teilweise recht steil, aber Sunny will mich noch nicht anseilen. Erst, also wir irgendwann gegen 5:30 die „Schulter“ erreichen, einen langgezogenen Grat, der zum Gipfel führt, führt er umgehend Sicherungsmaßnahmen ein. Wir seilen uns alle an und blicken auf der linken Seite ins Markha-Tal und rechts auf den Gletscher, von dem wir aufgestiegen sind. Noch ein paar Schritte mehr.
Irgendwann geht die Sonne auf und taucht die Szenerie in ein fast unnatürliches Licht. Träume ich? Aufwachen! Rechts und links geht es steil nach unten. Ein Israeli ist an dieser Stelle im Sommer abgestürzt und hat sich das Rückgrat gebrochen. Die Gefährlichkeit des Moments wird einem erst beim späteren Abstieg bewusst. Es ist eiskalt. Bereits beim Aufbruch vom Basecamp lagen die Temperaturen bei -13 Grad und es sollte sich mit jedem Höhenmeter verschlimmern. Ein paar Schritte noch. Die Steigeisen werden in den Boden gerammt. Mit dem Eispickel stütze ich mich ab. Die wärmenden Strahlen der Sonne lösen Enthusiasmus bei mir aus. Am Ende geht alles ganz schnell.
Die letzten Meter zum Gipfel sind eine geballte Ladung Adrenalin. Eigentlich fast das schönste Gefühl. Es ist mit Sicherheit die Aussicht, die die ganze Welt vergessen macht: Von oben reicht der Blick vom indischen Himalayabogen, über Tibet bis in die Karakorum Range, wo nur noch die Saser Kangri-Gruppe den Blick auf den K2 versperrt. Im Westen sieht man das beeindruckende Zweigestirn des Nun und Kun, der höchsten Berge Zanskars. Und ganz weit unten dann das Industal mit Choglamsar und Leh. Auch das Dorf Yurutse, bestehend aus einem Haus, vor dem Ganda La befindet sich wie die Nadel im Heuhaufen in einer Senke.

Der Abstieg
Nach fünf Minuten Genuss und kurzem Sonnenbad ist Schluss. Der lange und zermürbende Abstieg wartet auf uns. Wie in Trance laufen wir den Grat hinunter. Beim Hinuntergehen vergesse ich leider, die Kamera zu zücken. Zu spektakulär sind die Eindrücke! Es wird erstaunlich schnell heiß und alle Motivation ist verschwunden. Nach dem Gipfelerfolg überkommt mich eine Leere, die sich erst wieder legt, also wir den Gletscher überquert und damit die gefährlichsten Passagen des Abstiegs bewältigt haben.
Vom Rand des Gletschers ergibt sich ein toller Blick auf den Stok Kangri. Davids trockener Kommentar ist nur: „It’s pure.“ Recht hat er! Auf dem Pass, wo wir unsere erste Pause hatten, ist es dann soweit: Wir legen Steigeisen und Eispickel ab. Als dann noch die Zelte in Sichtweite geraten, ist die Erleichterung groß. Gegen 11 Uhr mittags erreichen wir das Basecamp und ich darf nochmal in Davids Esszelt speisen.
Eine reichliche Stunde später packe ich meine Siebensachen zusammen, verabschiede mich von David und sauge die immer dicker werdende Luft kräftig ein, bis ich sichtlich ermüdet in Changma noch einmal mein Zelt aufbaue und die Erlebnisse dieses für mich einzigartigen Erlebnisses reflektiere. Am Ende des Tages wußte ich: Es war nicht die Höhe, die mich bei dieser kleinen Expedition so beeindruckte. Es war der Ausblick!

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