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Spanien: Pilgern auf dem Camino Primitivo

Spanien: Pilgern auf dem Camino Primitivo

Im Februar bis März 2017 pilgerte ich 12 Tage auf dem Camino Primitivo, insgesamt 321 km, von Oviedo nach Santiago de Compostela. Der Weg ist im Vergleich zu anderen Pfaden anspruchsvoller, belohnt dafür jedoch mit atemberaubender Landschaft und Einsamkeit.
Hierbei wanderte ich außerhalb der eigentlichen Reisezeit (Frühling bis Herbst) und hatte Sonne, Starkwind, Dauerregen, Schnee und Hagel als Wegbegleiter.  Für möglicherweise geschlossene Herbergen nahm ich mein Zelt mit.

„Mindestens ein Abendteuer pro Jahr“ – so läuft es jetzt schon seit gut 7 Jahren, meist sind es Backpackingausflüge auf anderen Kontinenten.
Dieses Jahr wollte ich jedoch am Ende in Lissabon ankommen und dort meine Freundin bei ihrem Auslandssemester besuchen.
Da bot sich natürlich ein europäisches Abendteuer unweit von Lissabon an. Die Idee zum Pilgern war geboren.

Pilgern ist populärer denn je … gut ausgebaute Pfade, jede Menge Reiseliteratur und Werbung sorgen für Zulauf.

Was gibt es für Caminos?
Der wohl bekannteste Pilgerweg, der Camino Frances mit seinen rund 800 km (ab St. Jean Pied de Port), beginnt an der französischen Grenze und verläuft an den Südausläufern der Pyrenäen entlang. Die gut 1000 Pilger pro Tagesetappe (in der Hochsaison) schreckten mich jedoch etwas ab (von 65 % der Pilger genutzt).

Der Camino del Norte ist weniger überlaufen und hat eine Strecke von ca. 850 km. Er führt nördlich der Pyrenäen an der Spanischen Nordküste entlang (auch Küstenweg genannt, von 6 % der Pilgerer genutzt).

Der Camino Portuges ist mit 240 km (von Porto aus) angenehm kurz (von 16 % der Pilger genutzt).

Der Camino de la Plata (Via de la Plata) hat gute 1000 km und ist der am geringsten besuchte Pilgerpfad. Er beginnt in der Südspanischen Stadt Sevilla (von 3,5 % der Pilger genutzt).

Der Camino Primitivo hat gut 320 km und ist ebenfalls nur sehr gering bewandert. Er beginnt in Oviedo und führt direkt durch die Pyrenäen (von 4,3% der Pilger genutzt).

Für welchen Weg habe ich mich entschieden?
Da ich mir für die Reise keinen ganzen Monat vornehmen wollte, suchte ich einen eher kurzen Pilgerpfad und entdeckte den Camino Primitivo mit seinen rund 320 km für mich. Bergige Landschaften und einsames Wandern durch kleine Bergdörfer klangen „romantisch“. Die Warnung: „Nur für trainierte Wanderer“ sowie eine „Begehbarkeit von Frühling bis Herbst“ ignorierte ich einfach, etwas Sportlichkeit und Allwetterkleidung sowie ein Zelt für Passagen mit geschlossenen Herbergen sollten als Ausgleich reichen.

Die zeitliche Planung?
Meine zeitliche Planung richtete sich nach den Semesterferien sowie dem Erasmusaufenthalt meiner Freundin in Portugal. Somit war mein zeitlicher Rahmen vorgegeben. Frühling bis Herbst wäre besser gewesen. (Ausnahme sind die von Süden kommenden Pfade – Via de la Plata und Camino Portuges -, welche das ganze Jahr über ohne Einschränkungen begehbar sind.)

Als Wegzeit nahm ich mir etwa 14 Tage vor, so wie es auch in mehreren Foren mit den Tagesetappen aufgeführt wird. Insgesamt hatte ich mir einen Monat frei genommen, wollte aber die Zeit nach dem Wandern in Portugal verbringen.
Die 14 Tagesetappen selbst sah ich eher als Richtwert und plante nicht jeden Tag mit seiner Strecke vor. Mein Zelt gab mir die gewisse Unabhängigkeit, sodass die Etappen nicht zwangsläufig an einer Herberge enden mussten.

Was sollte man allgemein zum Pilgern wissen?
Pilgere ich aus Überzeugung bzw. des Pilgerns wegen?
Dann benötige ich einen „Pilgerpass“, sozusagen ein Sammelheft für Stempel, die ich an Kirchen, Herbergen und Gaststätten bekomme. Weiterhin ermöglicht mir dieser Pass Preisvorteile/ Zutritt in den öffentlichen Herbergen sowie anderweitige Rabatte beim Essen. Um letztendlich die Pilgerurkunde zu erhalten, müssen im Pass NUR die letzten 100 km (bei Radfahrern 200 km) bis Santiago de Compostela nachweislich dokumentiert werden. Ich muss also z. B. nicht den gesamten Camino Frances für die Urkunde laufen! Viele Pilger starten daher meist an einem Ort nur etwa 100 km vor Santiago, beliebt hierfür ist die Stadt Lugo, und pilgern dann 5 Tage.

Pilgert man aus reiner Wanderlust, so wie ich, ist weder der Pass notwendig, noch muss man zwingend bis nach Santiago reisen. Man nutzt einfach die gegebene Infrastruktur für eine Wanderung. Ich holte mir trotzdem den Pass und lief den Weg komplett.

Als Kennzeichen des Pilgers dient die Jakobsmuschel, eine weiße Muschel mit rotem Kreuz, die man sich gut sichtbar umhängt. Sie lässt euch leichter für die spanische Bevölkerung und Mitpilger erkennen, ist jedoch nicht zwingend notwendig.

Zur Reise selbst
Für mich war es die erste große Wanderung mit derartigem Gepäck; meinen Körper kannte ich bereits auf Kurzwanderungen bis zu 5 Tagen, jedoch mit der Hälfte an Gepäck und weniger Wegstrecke! Aber etwas Naivität, Übermut und Optimismus machen die ganze Sache erst spannend 😉

Es ist der 25. Februar 2017
Am Tag 1 startete ich gegen 8 Uhr in Oviedo, lief erst zum Tourismus-Center, wo es dutzende Infoblätter, meinen Pilgerpass und den ersten Stempel gab. Anschließend ging es zur Kirche, wo der Weg offiziell startet. Die war natürlich noch geschlossen, also wartete ich eine gute Stunde. In der Nacht hatte es geregnet, mittlerweile war wolkenfreier Himmel, die Temperatur stieg auf über 20 Grad an. Das bekräftigte meine Idee vom immerwährenden Sommer in Spanien. Am Wegrand 2 Äste aufgehoben, schon blieb der erste Spanier stehen und schnitzte mir kommentarlos Wanderstöcke. Abschließend wurde eine gute Reise gewünscht. Es folgten noch viele solcher positiven Begegnungen. Jung und Alt lächelten mich an und wünscht „un buen camino“. Die Tagesetappe sollte bis Grado, der nächsten größeren Stadt, gehen. Ich erreichte die Stadt gegen 17 Uhr, füllte meine Lebensmittelvorräte auf und lief noch einige Kilometer weiter. Dort baute ich auf einer Weide am Wegrand mein Zelt auf und kochte über kleinem Feuer (mit Erlaubnis des Eigentümers). Am Ende war ich in 7 Stunden etwa 26 km gelaufen. Meine Fußsohlen schmerzten.

Am Tag 2 gab es aufgekochten Haferbrei mit Marmelade, dazu Bananen. Anschließend startete ich gegen 8 Uhr mit der Wanderung. Kurz nach der Herberge San Juan de Villapanada traf ich meinen ersten ¨Mitpilger¨, einen leicht verrückten Katalanen Mitte 50. „Alvaro“ lebt förmlich auf den Jakobswegen. Er läuft mehrmals im Jahr nach Santiago, ist jeden Camino schon mehrfach gelaufen, ich traf ihn bereits auf seinem 2. Weg in diesem Jahr. Dazu hat er seinen eigenen YoutubeChannel, „Alvaro Lazaga Busto“. Während ich neben ihm schniefte, rannte er freudestrahlend vor mir, filmte alles und jeden und grüßte seine „Follower“. Wir machten eine Pause in Salas, wo ich zum Essen eingeladen wurde. Anschließend lief ich bis nach La Espina weiter und zeltete außerhalb des Ortes neben dem Weg. Es dämmerte bereits, als ich das Zelt aufschlug. Ich hatte fast 34 km geschafft, von Muskelkater keine Spur, auch die Schmerzen in den Fußsohlen ließen nach. Erschöpft schlief ich nach dem Kochen ein.

An Tag 3 hatte sich das Wetter geändert, in der Nacht hatte ich schon Angst, der Wind würde mein Zelt abbauen, am Tag wehte er unverändert stark. Ich kämpfte mich gut eingepackt über Tineo bis nach Campiello und zog dort in eine Herberge, da mein Zelt nicht für solches Wetter geschaffen war. Alvaro wartete bereits auf mich und kochte lecker traditionell Spanisch. Ich beendete den Tag nach 25 km, meine Knie schmerzten vom Rucksackgewicht und der ungewohnt langen Dauerbelastung.

An Tag 4 regnete es, die Temperaturen waren deutlich gefallen. Meine naive Vorstellung vom Dauersommer in Spanien löste sich ins Nichts auf … Ich bin zur Winterzeit in den Spanischen Pyrenäen. Für Regen hatte ich meine Hardshelljacke und die gewachsten Fjällraven-Hosen. Für den Rucksack gab’s einen Regenschutz. Allerdings klappte mein Setup nicht so gut: Die Jacke hielt dicht, jedoch lief das Wasser über den Rücken zum Rucksack und weichte diesen völlig durch. Für die Folgetage verpackte ich alles im Rucksack in zusätzliche Mülltüten. Auch die Hose enttäuschte mich bitter. Die versprochene Wasserresistenz stellte sich als totaler Flop heraus, im Gegenteil: Die Hose trocknete nun schwerer!! Mein Poncho half auch nicht dagegen, die Hose saugte alles Spritzwasser wie ein Schwamm auf und transportierte es bis zur Unterwäsche. Meine Schuhe waren zwar außen mit Gore-Tex, über die Socken füllten sie sich dennoch rasch mit Wasser, was durch die Gore-Tex-Membran nach außen drang.

Welch bitterböses Erwachen am 4. Tag. Die Temperatur fiel in den einstelligen Bereich. Meine Knie protestierten vor Schmerz. So fühlt sich Pilgern an? Nach 17,5 km kehrte ich in die Herberge „Peñaseita“ ein. Ich war völlig allein dort, der Herbergenverwalter kam lediglich zum Aufschließen und Stempeln vorbei. Ich machte es mir gemütlich und trocknete meine Kleidung über der kleinen Elektroheizung. Dazu gab es heißen Tee aus der Kochecke.

An Tag 5 hatte sich das Wetter etwas gebessert, der Regen hatte aufgehört. Es ging 600 m steil bergauf, kurz vor dem Dörflein Montefurado passierte ich die Wetterscheide auf 1200 m. Je höher ich kam, desto mehr nahm der Wind zu. Ich lief auf dem Bergkamm weiter über Lago La Mesa bis nach Buspol, wo 700 m Abstieg bis zum Stausee „Embalse Grandas de Salime“ warteten. Die Kniescherzen waren die Hölle, ich fühlte mich 80 Jahre alt. Ich lief den Berg einfach rückwärts runter. Am Stausee vorbei ging es schließlich nach Grandas de Salime. Gern hätte ich schon vorher mein Zelt aufgeschlagen, jedoch waren sämtliche der eingezeichneten Dörfer nur kleine Hausansammlungen ohne jegliche Einkaufsmöglichkeit und meine Vorräte waren restlos alle. So beendete ich den Tag nach 37 km bergauf und -ab völlig erschöpft in Grandas de Salime. In der Herberge warteten Alvaro und ein weiterer Pilger, „Eric“ aus Grado, auf mich.

An Tag 6 ging es ausgeschlafen und weniger erschöpft als gedacht weiter Richtung A Fonsagrado. Das Wetter schien deutlich besser. Zwar hatte sich Alvaro Schnee gewünscht, ich hoffte aber, dass das Wetter sich halten würde. An dem Tag passierte ich die Grenze von Asturien zu Galizien. Der Weg verlief deutlich mehr auf und entlang von Asphaltstraßen. Auch die Kennzeichnung des Weges änderte sich. In Asturien zeigte die Muschel noch mit der geschlossenen Seite in Wanderrichtung, nun war es plötzlich andersrum. Ein Straßenhund begleitete mich rund 10 km. Vor A Fonsagrado teilte sich der Pfad ohne weitere Beschreibung. Ich hatte mich natürlich für die Richtung entschieden, welche an der Stadt vorbeiführte. Auf halber Höhe verließ ich den Weg und lief einfach Richtung Stadtzentrum. Eine Dame erzählte mir, dass im Dorf Padrón gleich hinter der Stadt die staatliche Herberge sei. So füllte ich in A Fonsagrado nur die Vorräte auf und lief ein paar Kilometer weiter bis nach Padrón. Dort beendete ich die Etappe mit 28 km. Die Herberge war verschlossen, bei Bedarf solle man eine Handynummer anrufen.

Ich hatte jedoch kein Netz, also klopfte ich an der Tür des nächsten Hauses. Dort rief man an und verköstigte mich bis zum Eintreffen des Sheriffs mit Milchreis, Tee und kandiertem Ingwer.

An Tag 7 hatte sich der Himmel zugezogen, leichter Nieselregen erwartete mich. Später begann es zu schneien. Meine Regenkleidung hatte ich größtenteils mit Müllsäcken ergänzt. Zwar erregte ich allerlei Aufmerksamkeit mit meinen bunten Säcken, jedoch blieb ich trocken und warm. Zum Mittag kehrte ich in einer kleinen Dorfkneipe ein. Alvaro genoss beim Bier die dazu gereichten Tapas. Er erklärte mir: „Zum 1. Bier wird die Vorspeise gereicht, zum 2. das Hauptgericht, zum 3. der Nachtisch.“ Ich bestellte gleich das Pilgermenü, dazu gab es deftige Tapas. Es ging weiter bis nach Cadavo, wo Alvaro in der nächsten Kneipe auf ein Bier pausierte. Allmählich verstand ich seinen Pilgerrhythmus. Ich zog weiter bis nach Castro Verde, wo ich nach 32 km Tagesmarsch die staatliche Herberge aufsuchte. Eric war bereits vor mir eingekehrt, Alvaro kam etwas später. Wir kochten gemeinsam.
Dann bekam Alvaro einen Anruf. Er erklärte uns, dass Freunde von ihm in 4 Tagen auf Pilgertour gehen, er wolle mitziehen und werde daher seine Tagesetappen auf 50 bis 70 km straffen, um diese Tour schnell zu beenden (Abbrechen? – Auf keinen Fall!) und verabschiedete sich schon mal von uns. Eric und ich waren einfach nur baff. Wir fieberten dem Ende entgegen, während Alvaro es kaum erwarten konnte, den nächsten Camino zu wandern.

An Tag 8 war es unverändert verregnet. Mit Müllsäcken eingepackt zog ich weiter. Die Wege führten wieder mehr durch die Natur, abseits vom Asphalt. Schließlich stoppte der Regen und die Wolkendecke brach auf. Nach nur 22 km erreichte ich Lugo, eine große Stadt mit alter Stadtmauer, die Herberge lag direkt in der Innenstadt. Mir fehlte allerdings die Kraft für einen Rundgang – nach dem Einkaufen fiel ich ins Bett. Es lagen die letzten 100 km vor mir.

Tag 9 lief ich größtenteils mit Eric. Er wollte ursprünglich nur bis San Roman, dort war jedoch die Wasserleitung defekt und der Tag noch jung, also begleitete er mich weiter. Das Wetter blieb bis kurz vor Ende bewölkt, erst in As Seixas begann es zu regnen, aber da waren wir schon so gut wie in der Herberge. Das Dorf selbst ist eher eine Ansammlung von Hütten ohne Einkaufsmöglichkeit, dafür mit viel Natur und mit der schönsten Herberge überhaupt. Wir legten im gemütlichen Trott 33 km zurück. Endlich stellte sich mein Körper auf die Belastung des täglichen Wanderns ein und die Gelenke schmerzten weniger. Es dauerte NUR 9 Tage und 260 km …

An Tag 10 klarte es endlich auf, der Frühling kehrte ein. Der Weg führte über die letzten einsamen Berge, bis es allmählich flacher wurde. In einem kleinen Dorf machte ich an einem Wasserspender Pause, als eine ältere Dame mich fragte, ob ich etwas Zeit und Neugier übrig hätte. Kaum hatte ich ihre Frage bejaht, fand ich mich im hauseigenen Wassermühlenmuseum wieder. Die Dame erklärte mir euphorisch die verschiedenen Wasserräder und Mahltechniken ihrer Mühle. Im Anschluss bedankte sie sich 1000 Mal für meinen Besuch. Welch herzliches Erlebnis!
Kurz darauf traf der Camino Primitivo auf den Camino Frances und ich begegnete in der 1 Stunde 10 mal mehr Pilgern als auf dem gesamten Primitivo.
Eric beendete den Tag in der staatlichen Herberge von Rivadiso, einem wunderschönem Dorf an einem kleinen Flusslauf gelegen. Ich zog weiter nach Arzua, füllte meine Vorräte auf und zeltete ein letztes Mal auf dieser Reise im Dorf Pregontono. Ich hatte 31 km hinter mir gelassen, 37 km lagen noch vor mir …

An Tag 11 zeigte sich der Frühling in seiner spanischen Pracht. Teils über Feldwege, meist jedoch auf festen Straßen ging es bis kurz vor Santiago. Die Route wurde zunehmend urbaner. Immer wieder traf ich auf Pilger und wir tauschten uns über die zurückliegende Reise aus. Der Tag verging wie im Flug und nach 32 km fand ich mich in Monte do Gozo wieder, der letzten staatlichen Herberge 5 km vor Santiago. Diese machte eher den Anschein eines Lagers mit 3000 Betten (700 für Pilger vorbehalten, der Rest auch für Touristen zugänglich).

An Tag 12 startete ich ausgeschlafen und gut gesättigt zum letzten Spaziergang. Es war leicht bewölkt, aber trocken. Der Weg führte ausschließlich durch urbanes Gebiet hinein ins Zentrum von Santiago de Compostela. Abgesehen von den anderen Rucksackwanderern erinnerte nicht viel an den „Jakobsweg“, Scharen von Touristen zogen durch die Innenstadt. Irgendwann hörten die Wegweiser einfach auf. Nach einiger Zeit fand ich die Kathedrale mit den Gebeinen des Heiligen Jakob, das große Ziel des Pilgers. Der schien dort jedoch weniger willkommen. Vor der Kirche prangte ein Schild „Zutritt nur ohne Rucksack“, doch wohin mit dem Gepäck? Gegen eine unverschämt hohe „Parkgebühr“ boten die Souvenirshops im Umkreis einen „Rucksackstellplatz“ an. Seitens der Kirche bestand wenig Interesse zu helfen. Schließlich soll der Tourist sein Geld in der Stadt lassen.

Ein Zertifikat fürs Pilgern gibt es abseits gelegen im „Officina de Acollida ao Peregrino“ in der Rua das Carretas, das erst vor kurzem dorthin gezogen ist und daher auf sämtlichen Stadtplänen und Wegweisern noch anders ausgewiesen wird. Für etwas Geld wird dort der Pilgerpass geprüft und mit etwas Papier ergänzt.

Im Smalltalk mit älteren spanischen Pilgern erwähnte ich, in den Pyrenäen gezeltet zu haben. Die hielten mich für verrückt und erklärten mir, dass es dort Wölfe und Bären gäbe. Im Internet fanden sich auch einige Artikel dazu. Ich staunte nicht schlecht.

Etwas enttäuscht von Santiago, jedoch begeistert von der Reise selbst („Der Weg ist das Ziel“) nehme ich den 12-Uhr-Bus nach Lissabon. In den 9,5 h Busfahrt genieße ich es mehr denn je zu sitzen und einfach nur die Beine baumeln zu lassen. Dabei bin ich mit dem Kopf noch immer auf den Wanderpfaden, bei den beeindruckenden Berglandschaften und der offenherzigen Landbevölkerung, den „Qualen“ des Wanderns und der Glückseligkeit über ein warmes Bett am Ende des Tages.
Noch auf den letzten Metern des Camino schwor ich mir, nie wieder zu wandern, jetzt überlege ich bereits, wo es als nächstes hingehen könnte. Dann würde ich natürlich vieles anders machen: weniger Gepäck, einen Regenschirm und vor allem Trekkingstöcke und vielleicht auch etwas Lauftraining vorab 🙂

In Lissabon dauerte es ca. eine Woche, bis sich mein Körper vollständig erholt hatte.

Sprache:
Da der Camino Primitivo überwiegend durch ländliche Gebiete und Dörfer führt, ist meine Verständigung auf Spanisch gelaufen. In Restaurants, Herbergen und größeren Orten hilft einem auch Englisch weiter. Zur Not kann sich auch mit Händen und Füßen verständigt werden. Sobald man sich als Pilger zu erkennen gibt, wird einem der Weg gezeigt. Oft reicht schon das Verweilen am Wegrand und die lokale Bevölkerung kommt auf einen zu.

Reiseplan:
Ich flog mit einem 35€-Ticket (+ 15 € für Gepäck) nach Madrid.
Von dort wollte ich nach Oviedo trampen. Nach 2,5 Stunden vergeblicher Suche fuhr mich die Polizei zum nächsten Busbahnhof, von dort aus ging es für 20€ zum Ziel, wo der Camino Primitivo offiziell startet.
Von Santiago de Compostela nahm ich einen Bus nach Lissabon (ca. 50€), wo ich meine restlichen 3 Urlaubswochen verbrachte. Rückflug nach Deutschland (70€ + 15€ Gepäck).

Finanzen:
Da ich mir keine neue Ausrüstung für die Wanderung holte, zähle ich nur die Fixkosten auf:
– Flüge und Bus: ca. 200 €
– Übernachtung Oviedo: 20 € (Herberge ist kostenlos – leider erfuhr ich das erst am Folgetag)
– Pilgerherbergen: 48 € (8 Nächte á 6 €/ 3 Nächte im Zelt)
– Verpflegung: ca. 60 € ( einmal 10 € Restaurant, sonst Obst und Selbstgekochtes)

Es gibt unzählige Bücher, von ReiseKnowHow bis Lonely Planet, die meisten informieren jedoch über Wege, sodass überflüssiges Papier mitgenommen werden müsste.
Ich informierte mich daher überwiegen im Internet und druckte verschiedene Etappenpläne aus.
caminodesantiago
jakobsweg-pilgern-spanien
camino-primitivo-bericht
wandern-individuell/camino-primitivo
from-oviedo-to-san-juan-de-villapanada

Es gibt unzählige Webseiten, die euch detaillierte Ausrüstungslisten liefern, daher erspare ich euch den allgemeinen Teil und zähle kurz meine Ausrüstung auf.
Ich hatte
– einen 40-l-Rucksack (Boreas Buttermilks)
– Dryback/ Rucksack 20 l (Sea to Summit ultra light)
– eine Umhänge-/ Schultertasche (no-Name)

– Wanderschuhe (Salomon x Ultra GTX)
– Poncho (no-Name)
– Regenjacke (Hardshell von Mammut)
– Softshell-/ Windjacke (Gore Bike Wear)
– 2 Wanderhosen (Fjällraven Karl + Karl Zip-off)
– warme Kleidung
– Funktionsshirt (Under Armour)
– Sonnenbrille
– Cappy
– Wollmütze
– Buff

– Zelt (Flying Creek UL 2 – 1 kg)
– eine Luftmatratze (Exped SynMat Ul 5)
– eine Isomatte (no-Name)
– einen Synthetikschlafsack (12 Grad Komfort / -6 Grad Extrem)

– Kochtopf (no-Name Blechtopf vom Asiaten)
– Schweizer Taschenmesser
– Machete für Feuerholz/ Wölfe?

– Trinkblase 3 Liter
– Löffel (Keith Titanium Faltlöffel)
– Magnesium-Brausetabletten (zur Vorbeugung von Muskelkater)
– Wasserdesinfektionstabletten (Micropur)

– Erste Hilfe Set
– Nadel und Faden
– Seil/ Schnur

– Handy, meinen Pilgerpfad als GoogleMaps-Offlinekarte
– Powerbank
– EC und Visa Karte
– Ausdruck einer Etappenliste, auf der Dörfer und Städte sowie Herbergen mit Entfernungen aufgelistet waren

Ich kam insgesamt auf etwa 12 kg Ausrüstung, mit Wasser und Verpflegung waren schnell 20 kg zusammen.

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