Zur Reise selbst
Für mich war es die erste große Wanderung mit derartigem Gepäck; meinen Körper kannte ich bereits auf Kurzwanderungen bis zu 5 Tagen, jedoch mit der Hälfte an Gepäck und weniger Wegstrecke! Aber etwas Naivität, Übermut und Optimismus machen die ganze Sache erst spannend 😉
Es ist der 25. Februar 2017
Am Tag 1 startete ich gegen 8 Uhr in Oviedo, lief erst zum Tourismus-Center, wo es dutzende Infoblätter, meinen Pilgerpass und den ersten Stempel gab. Anschließend ging es zur Kirche, wo der Weg offiziell startet. Die war natürlich noch geschlossen, also wartete ich eine gute Stunde. In der Nacht hatte es geregnet, mittlerweile war wolkenfreier Himmel, die Temperatur stieg auf über 20 Grad an. Das bekräftigte meine Idee vom immerwährenden Sommer in Spanien. Am Wegrand 2 Äste aufgehoben, schon blieb der erste Spanier stehen und schnitzte mir kommentarlos Wanderstöcke. Abschließend wurde eine gute Reise gewünscht. Es folgten noch viele solcher positiven Begegnungen. Jung und Alt lächelten mich an und wünscht „un buen camino“. Die Tagesetappe sollte bis Grado, der nächsten größeren Stadt, gehen. Ich erreichte die Stadt gegen 17 Uhr, füllte meine Lebensmittelvorräte auf und lief noch einige Kilometer weiter. Dort baute ich auf einer Weide am Wegrand mein Zelt auf und kochte über kleinem Feuer (mit Erlaubnis des Eigentümers). Am Ende war ich in 7 Stunden etwa 26 km gelaufen. Meine Fußsohlen schmerzten.
Am Tag 2 gab es aufgekochten Haferbrei mit Marmelade, dazu Bananen. Anschließend startete ich gegen 8 Uhr mit der Wanderung. Kurz nach der Herberge San Juan de Villapanada traf ich meinen ersten ¨Mitpilger¨, einen leicht verrückten Katalanen Mitte 50. „Alvaro“ lebt förmlich auf den Jakobswegen. Er läuft mehrmals im Jahr nach Santiago, ist jeden Camino schon mehrfach gelaufen, ich traf ihn bereits auf seinem 2. Weg in diesem Jahr. Dazu hat er seinen eigenen YoutubeChannel, „Alvaro Lazaga Busto“. Während ich neben ihm schniefte, rannte er freudestrahlend vor mir, filmte alles und jeden und grüßte seine „Follower“. Wir machten eine Pause in Salas, wo ich zum Essen eingeladen wurde. Anschließend lief ich bis nach La Espina weiter und zeltete außerhalb des Ortes neben dem Weg. Es dämmerte bereits, als ich das Zelt aufschlug. Ich hatte fast 34 km geschafft, von Muskelkater keine Spur, auch die Schmerzen in den Fußsohlen ließen nach. Erschöpft schlief ich nach dem Kochen ein.
An Tag 3 hatte sich das Wetter geändert, in der Nacht hatte ich schon Angst, der Wind würde mein Zelt abbauen, am Tag wehte er unverändert stark. Ich kämpfte mich gut eingepackt über Tineo bis nach Campiello und zog dort in eine Herberge, da mein Zelt nicht für solches Wetter geschaffen war. Alvaro wartete bereits auf mich und kochte lecker traditionell Spanisch. Ich beendete den Tag nach 25 km, meine Knie schmerzten vom Rucksackgewicht und der ungewohnt langen Dauerbelastung.
An Tag 4 regnete es, die Temperaturen waren deutlich gefallen. Meine naive Vorstellung vom Dauersommer in Spanien löste sich ins Nichts auf … Ich bin zur Winterzeit in den Spanischen Pyrenäen. Für Regen hatte ich meine Hardshelljacke und die gewachsten Fjällraven-Hosen. Für den Rucksack gab’s einen Regenschutz. Allerdings klappte mein Setup nicht so gut: Die Jacke hielt dicht, jedoch lief das Wasser über den Rücken zum Rucksack und weichte diesen völlig durch. Für die Folgetage verpackte ich alles im Rucksack in zusätzliche Mülltüten. Auch die Hose enttäuschte mich bitter. Die versprochene Wasserresistenz stellte sich als totaler Flop heraus, im Gegenteil: Die Hose trocknete nun schwerer!! Mein Poncho half auch nicht dagegen, die Hose saugte alles Spritzwasser wie ein Schwamm auf und transportierte es bis zur Unterwäsche. Meine Schuhe waren zwar außen mit Gore-Tex, über die Socken füllten sie sich dennoch rasch mit Wasser, was durch die Gore-Tex-Membran nach außen drang.
Welch bitterböses Erwachen am 4. Tag. Die Temperatur fiel in den einstelligen Bereich. Meine Knie protestierten vor Schmerz. So fühlt sich Pilgern an? Nach 17,5 km kehrte ich in die Herberge „Peñaseita“ ein. Ich war völlig allein dort, der Herbergenverwalter kam lediglich zum Aufschließen und Stempeln vorbei. Ich machte es mir gemütlich und trocknete meine Kleidung über der kleinen Elektroheizung. Dazu gab es heißen Tee aus der Kochecke.
An Tag 5 hatte sich das Wetter etwas gebessert, der Regen hatte aufgehört. Es ging 600 m steil bergauf, kurz vor dem Dörflein Montefurado passierte ich die Wetterscheide auf 1200 m. Je höher ich kam, desto mehr nahm der Wind zu. Ich lief auf dem Bergkamm weiter über Lago La Mesa bis nach Buspol, wo 700 m Abstieg bis zum Stausee „Embalse Grandas de Salime“ warteten. Die Kniescherzen waren die Hölle, ich fühlte mich 80 Jahre alt. Ich lief den Berg einfach rückwärts runter. Am Stausee vorbei ging es schließlich nach Grandas de Salime. Gern hätte ich schon vorher mein Zelt aufgeschlagen, jedoch waren sämtliche der eingezeichneten Dörfer nur kleine Hausansammlungen ohne jegliche Einkaufsmöglichkeit und meine Vorräte waren restlos alle. So beendete ich den Tag nach 37 km bergauf und -ab völlig erschöpft in Grandas de Salime. In der Herberge warteten Alvaro und ein weiterer Pilger, „Eric“ aus Grado, auf mich.
An Tag 6 ging es ausgeschlafen und weniger erschöpft als gedacht weiter Richtung A Fonsagrado. Das Wetter schien deutlich besser. Zwar hatte sich Alvaro Schnee gewünscht, ich hoffte aber, dass das Wetter sich halten würde. An dem Tag passierte ich die Grenze von Asturien zu Galizien. Der Weg verlief deutlich mehr auf und entlang von Asphaltstraßen. Auch die Kennzeichnung des Weges änderte sich. In Asturien zeigte die Muschel noch mit der geschlossenen Seite in Wanderrichtung, nun war es plötzlich andersrum. Ein Straßenhund begleitete mich rund 10 km. Vor A Fonsagrado teilte sich der Pfad ohne weitere Beschreibung. Ich hatte mich natürlich für die Richtung entschieden, welche an der Stadt vorbeiführte. Auf halber Höhe verließ ich den Weg und lief einfach Richtung Stadtzentrum. Eine Dame erzählte mir, dass im Dorf Padrón gleich hinter der Stadt die staatliche Herberge sei. So füllte ich in A Fonsagrado nur die Vorräte auf und lief ein paar Kilometer weiter bis nach Padrón. Dort beendete ich die Etappe mit 28 km. Die Herberge war verschlossen, bei Bedarf solle man eine Handynummer anrufen.
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