Wie komme ich zur Trollzunge?
-Von Bergen bis zum Ausgangspunkt Skjeggedal-
Mein Reiseweg führte zunächst über den Lufthavn Bergen auf den wunderbaren Campingplatz des kleinen Dorfes Lone, das zu Bergen gehört und knapp zwanzig Kilometer vom Zentrum entfernt liegt. Näher am Bergener Zentrum gibt es leider keinen Campingplatz. Die Anbindung ist aber ziemlich ok, man braucht je nach Verbindung ca. 45-60 Minuten bis ins Zentrum. Die Bushaltestelle heißt Lone und kann, wie alle anderen Haltestellen auch, unter skyss.no als Start- oder Zielpunkt eingegeben werden.
Skyss betreibt den öffentlichen Nahverkehr und stellt auch eine Handyapp zur Verfügung, mit der man in der Bergen-Zone Tickets kaufen kann und sollte, denn im Bus sind die doppelt so teuer.
Am nächsten Morgen sollte es dann vom Campingplatz aus Richtung Trolltunga gehen. Von Lone braucht man etwa dreieinhalb Stunden bis in das Dorf Tyssedal, etwas nördlich der Kleinstadt Odda. Wir verpassten natürlich unseren morgendlichen Bus, mein Reisegefährte und ich waren im Zeltabbau und ‚Uns-Sortieren‘ noch nicht routiniert. Daher kamen wir erst gegen halb vier in Tyssedal an, also fast zu spät, um noch mit dem etwa sechs Stunden dauernden Aufstieg zu beginnen. Denn die sechs Stunden zählen erst ab dem Parkplatz Skjeggedal, zu dem leider kein Linienbus fährt. Das heißt die ersten Kilometer und 400 Höhenmeter sind auf einer Asphaltstraße zu bewältigen und fressen ordentlich Zeit, wenn man nicht so viel Glück hat wie wir.
Nach einer halben Stunde immer mal den Daumen rausgestreckt hielt ein Auto an und nahm uns mit. Es war ein Trailrunner, der die Strecke zur Trollzunge am Vormittag in zweieinhalb Stunden gelaufen war und nun noch ein paar Freunde mit dem Auto vom Parkplatz abholen wollte. Ohne ihn hätten wir keine Chance mehr gehabt, noch an diesem Tag oben anzukommen. Wenn man nicht abends erst in Norwegen landet, oder die Trollzunge nicht ganz an den Anfang setzt, kann man auch zunächst nach Odda fahren und den dortigen Campingplatz als Basislager nutzen. Der ist allerdings sehr überlaufen und weit weniger gemütlich als der in Lone. Dafür fährt aber früh am Morgen von dort aus ein Busshuttle direkt zum Parkplatz Skjeggedal – eine planbare Alternative, wenn man nicht trampen oder den ganzen Weg von Tyssedal aus laufen möchte.
Die Wanderung zur Trollzunge
Wenn man erst einmal am Parkplatz angekommen ist, geht alles unproblematisch: Einfach dem Weg folgen und schwitzen. Und wir schwitzten bei über zwanzig Grad und purer Sonne. Unser Rucksack war mit sieben Tagen Essen vollgestopft, denn wir wollten die Strecke by fair means gehen, also ohne weitere Hilfe von außen. Wer Gewicht sparen möchte, kann bei den Hütten Essen nachkaufen. Das wir uns die anstrengendste Etappe gleich zu Beginn gesetzt hatten, war vorher klar. Jeder von uns hatte seine erste persönliche Krise bei diesem Aufstieg – man braucht neben einer guten Kondition auch gute Nerven bei sechs Stunden reiner Gehzeit steilen Bergaufs! Die Landschaft wird immer schöner, die Beine immer schwerer und dann stehen da Leute in der Gegend rum und man ist plötzlich da. Wir kamen gegen halb elf abends endlich an und wurden mit einem phänomenalen Sonnenuntergang belohnt. Sich in der Schlange für ein Foto anzustellen, kam für uns ausgelaugte und hungrige Wanderer jedoch nicht mehr in Frage. Wir mussten schleunigst einen Zeltplatz suchen und Essen kochen.
Wasser braucht man übrigens nur für die ersten ein, zwei Stunden mitnehmen, ab dem Parkplatz reicht etwa ein halber Liter pro Person. Oben und auch schon unterwegs hat man genügend Flüsse, die einem Wasser in hervorragender Qualität liefern. Die Zeltplatzsuche stellte sich als denkbar einfach heraus. Wir gingen den bisherigen Weg weiter (Richtung Süden) und entdeckten nach knapp zehn Minuten einen idealen Hügel in Flussnähe, der etwas abseits gelegen war, sodass wir unsere Ruhe hatten, aber nicht zu weit entfernt, als dass man nicht mal eben zur Trollzunge vorbeischauen könnte, um zu sehen, wie lang die Schlange gerade ist. Dort oben zu zelten ist, zumindest in der Wandersaison, die einzige Möglichkeit in Ruhe den Ort zu genießen. Abends ab spätestens sechs sind nur noch die Zelter da. Alle, die sich verschätzt haben und um die Uhrzeit noch sechs Stunden absteigen müssen, sind sicher nicht zu beneiden.
Wir kamen an einem Freitag an, da waren es vielleicht zwanzig Zelte in unmittelbarer Nähe zur Trollzunge, am Samstag waren es dann deutlich über dreißig. Und als wir Sonntagmittag auf unsere Tour durch die Hardangervidda aufbrachen, war die Schlange an der Trollzunge auf mehrere Hundert Personen gewachsen. Ein Einheimischer erzählte uns später, dass in der Woche zuvor der Besucherrekord geknackt worden sei: 1800 Menschen an einem Tag. Meine Empfehlung ist daher ganz klar: Sofern möglich, dort zelten (Auf- und Absteigen an einem Tag hat für mich mit 12 Stunden Gehzeit plus Pausen und der Zeit dort oben mit Urlaub nichts mehr zu tun) und das Wochenende meiden. Mit etwas Glück kann man dann auch zu moderater Uhrzeit eine kleine Weile alleine an der Trollzunge sein. Wir hatten am späten Samstagabend tatsächlich unsere drei Minuten. Und, eigentlich selbstverständlich bei dem Gebiet, man sollte ein stabiles Zelt mitnehmen. In der ersten Nacht hatten wir ganz ordentlich Wind. In meinem neuen Keron 3, das ich Anfang des Jahres bei tapir gekauft hatte, brauchten wir uns natürlich keine Sorgen machen. Gesehen haben wir sicherlich nicht alles, was in dieser Nacht zu Bruch ging, aber immerhin drei kaputte Zelte lagen mitten in der Landschaft rum, was, wie der ganze andere Müll, der sich dort oben ansammelt, ein leidiger Teil des Massentourismus ist. Wir waren froh, als wir nach zwei Nächten an der Trollzunge Richtung Osten in die Hardangervidda aufbrachen und Menschen, Müll und Mobilfunknetz hinter uns ließen.
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