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Per Anhalter und zu Fuß durch Nordpatagonien

Per Anhalter und zu Fuß durch Nordpatagonien

Der Zauber Nordpatagoniens führte uns zuerst von Osorno trampend, dann wandernd durch das Puelo­ Tal rüber nach Argentinien. Dort trampten wir gen Süden und erkundeten den Parque Nacional los Alerces, bevor uns der Fluss Futaleufú mit seinen unglaublichen Stromschnellen wieder nach Chile und zum Gletscher Ventisquero Yelcho, auf den Vulkan Chaitén und zu den Wanderwegen in Douglas Tompkins Pumalín Park brachte. Von dort nahmen wir eine Fähre nach Castro auf die Insel Chiloé, deren Nordhälfte wir kennenlernen durften. Unerwartete Fügungen des Schicksals in Puerto Montt führten dazu, dass wir die Reise frühzeitig in Freire und mit einem Besuch bei den Ojos del Caburga bei Pucón beendeten. Insgesamt waren wir einen Monat unterwegs und kamen aus dem Staunen, Lernen, Lachen, Muskelkatern und Freuen gar nicht heraus!

Das Studium führte mich und eine Kommilitonin zur Abschlussarbeit nach Concepción, XIII.Region (Süd-­Zentralchile), wo wir insgesamt 9 Monate lebten. Trotz der „Ernsthaftigkeit“ unseres Aufenthaltes war uns eins klar: Wir mussten uns genug Zeit freischaufeln, um wenigstens ein bisschen was von diesem riesigen, diversen und umwerfenden Land kennenzulernen. Die Stadt und die Region fühlten sich schon sehr heimisch an, als wir beschlossen, dem Rat unserer chilenischen Freunde zu folgen und gen Süden aufzubrechen.
Viele waren im nördlichen Teil Patagoniens schon unterwegs gewesen und schwärmten uns von den Wäldern, Seen, Bergen, Gletschern, Flüssen, Tieren, dem guten Käse, Kuchen, Brot, …. vor. Da die Reise für uns mehr sein sollte als das Abklappern von Sehenswürdigkeiten und unser Budget nicht gerade groß ausfiel, entschieden wir uns gegen teure Busfahrten zu den „ganz großen Must­See­Parks“ wie den Torres del Paine, die zu allem Überfluss ja auch einiges an Eintritt kosten. Statt dessen brachen wir ohne große Pläne auf – und erlebten eine Reise, wie man sie sich schöner nicht erträumen kann!

Wandernd von Puelo (Chile) nach Lago Puelo (Argentinien)
Von Puelo trampen wir mit einem Mitarbeiter vom Landwirtschaftsministerium (SAG) über den Tagua-Tagua See (per Fähre) und weiter bis zum Dörfchen Llanada Grande. Seine Mission ist es, Fruchtfliegenfallen im Puelo-Tal zu überprüfen. Wir helfen ihm und lernen dabei nicht nur wunderschöne Höfe kennen, sondern auch, dass Chile bisher frei von der Obstbauernplage ist – Argentinien jedoch nicht. Angesichts der Bedeutung von Obstexporten für Chile ist es also ziemlich wichtig, frühzeitig Alarm schlagen zu können, weswegen potentielle Einwanderungsrouten kontrolliert werden.
In Llanada Grande melden wir uns bei der Polizeibehörde und geben bekannt, dass wir vorhaben, nach Argentinien zu wandern – ein Vorgehen, das wir aus den Anden-Wanderungen in der Nähe von Concepción kennen. Hier werden wir allerdings leicht belächelt, die erhofften Informationen zum Routenverlauf fallen auch eher mau aus, aber wir denken uns nicht viel dabei, sondern freuen uns über die gute Stimmung im Polizeirevier.
Wir wandern noch bis zum Lago Tortoral, wo wir an einem verlassenen Campingplatz (Saison ist erst ab Januar) neben ein paar Kühen unser Zelt aufschlagen – und stellen fest, dass wir die falsche Gaskartusche für unseren geliehenen Campingkocher gekauft haben. Also wird Feuer gemacht, gegessen und gestaunt, was das Zeug hält. Das Tal empfängt uns mit unglaublicher Schönheit, Einsamkeit, Stille – wir können unser Glück kaum fassen.

Am nächsten Morgen wandern wir frohen Mutes los und finden halb ratend, halb wissend unseren Weg zum Lago Azul. Dieser führt erst steil bergauf, dann steil bergab durch einen wunderschönen Olivillo-Mischwald und gibt erst recht spät den atemberaubenden Blick auf den blausten See, den die Welt je gesehen hat, frei.

Unten angekommen, suchen wir den auf unserer „Karte“ eingezeichneten Campingplatz, finden jedoch nur ein einsames Haus am Strand, dessen ziemlich unfreundlicher Bewohner uns eher ignoriert. Also schlagen wir unser Zelt am Zufluss des Sees auf und genießen den restlichen sonnigen Nachmittag am See und baden und planschen so viel wir können. Gegen Abend kommen noch zwei Menschen wandernd an. Bruder und Schwester aus Santiago wollen am nächsten Tag genauso wie wir bis zum Lago de las Rocas und wir verabreden uns kurzerhand zum gemeinsamen Start um 6:00 Uhr.

Der Morgen zeigt sich kompliziert. Wir folgen erst zwei mal irgendwelchen Holzeinschlagspfaden und enden in Sackgassen, bevor wir den Wanderpfad finden. Als wir jedoch endlich dem richtigen Weg folgen, kommt das Wandern ins Rollen, der Wald voller Coigües wird immer schöner, wir kreuzen Bäche und genießen die Sonnenstrahlen, die sich langsam durchs Blätterdach trauen. Der Pfad, dem wir folgen, wird immer schmaler und immer öfter gehen Gabelungen davon ab. Wir laufen eigentlich nur noch der Nase nach oder dem Versuch, den spärlichen Beschreibungen und der richtigen Himmelsrichtung zu folgen. Immer mehr Pferde und Kühe begleiten den sich lichtenden Wald und wir stellen gegen Mittag fest, dass wir keinen blassen Schimmer haben, welchem dieser Trampelpfade wir eigentlich folgen müssen. Das Aufteilen und Auskundschaften verschiedener Optionen führt zu keinem eindeutigen Ergebnis, die Hauptstädtler wollen zurück zum Lago Azul und schließlich geben auch wir uns dem Labyrinth geschlagen und kehren um. Der inzwischen freundlichere Hofbesitzer am Strand setzt uns mit dem Motorboot über den See, wodurch wir wieder in Llanada Grande ankommen.

Unsere Freude hält sich sehr in Grenzen. Wir haben kein Bargeld mehr und auch bald kein Essen, sehen uns also gezwungen, das Puelo-Tal wieder in die selbe Richtung zu verlassen, aus der wir gekommen waren. Welch Enttäuschung! Wir beschließen, den Polizisten unser Scheitern zu beichten, nur für den Fall, dass sie die Kollegen am Lago de las Rocas nach zwei jungen deutschen Wanderinnen fragen würden … eine unsinnige Suchaktion wollen wir nicht auslösen!

Wie erwartet, werden wir gehörig ausgelacht und zum Grillen eingeladen (irgendeiner der Polizisten hat Geburtstag). Wir wollen aber weiter, müssen ja immer noch aus unserer misslichen Lage irgendwie raus und Richtung Ort mit Geldautomat. Trotz schon beachtlich vorhandenem Pegel (oder gerade deswegen?) hat der Chef dann einen Geistesblitz: Ein Kollege muss zum Lago de las Rocas fahren, wo er einen verletzten Jungen vom entgegenkommenden Polizeiboot in Empfang nehmen und zum Arzt bringen muss. Der könnte uns eigentlich mitnehmen und per Funk wird auch dem Boot erklärt, dass die Rückfahrt durch zwei deutschen Studentinnen bereichert wird. Wir können diesen schnellen Wendungen des Schicksals kaum folgen, setzen uns brav ins Auto und verstehen dann doch langsam unser Glück: Mit dem Polizeiboot schaukeln wir gegen Mitternacht unter einem atemberaubenden Sternenzelt unserem Tagesziel doch noch entgegen!

Die letzte Etappe erscheint uns am nächsten Tag fast zu einfach: Wir lassen uns morgens die Ausreise aus Chile abstempeln, wandern über unwegsame, aber wunderschöne Pfade entlang des Lago Inferior. Der Weg ist immerhin eindeutig und irgendwann sogar markiert! Das beeindruckt uns so sehr, dass wir die unglaublich wackligen Baumstämmchen, die uns über rauschende Bäche mit beachtlichen Wassermengen leiten, kaum als gefährlich wahrnehmen.

Nach ca 12 km erreichen wir die argentinische Polizei, wo wir nicht nur einen Stempel kriegen, sondern auch kostenlos zelten dürfen und Eier geschenkt bekommen. Wir sind selig, machen Feuer und genießen das Gefühl „fast da zu sein“. Gegen Abend setzt ein starker Dauerregen ein, der die ganze Nacht anhält, weswegen wir am nächsten Morgen den letzten rund 10 km bis zum Ort Lago Puelo recht schlecht gelaunt entgegensehen. Wir hatten spät abends jedoch noch Gesellschaft auf dem Campingplatz bekommen: Vier Kumpels aus Mendoza wollten die entgegengesetzte Tour nach Chile wandern. Angesichts des Regens beschließen sie jedoch zurückzugehen, wodurch wir gemeinsam wandern und einen dann doch noch aufhellenden und wunderschönen Tag zu sechst verbringen. Im Dorf angekommen, beschließen die vier kurzerhand, uns mit zum Häuschen von Carlos Mutter zu nehmen, wo wir alle gemeinsam zelten und in einer großen, familiären, wunderbaren Runde zwei Tage später Silvester feiern. Die Wandertour durch das wunderschöne Puelo-Tal geht damit zu Ende und wir sind froh, stolz, dankbar und voller Glück, dass wir diesen Winkel der Erde auf diese Weise und (noch) ohne Staumauern erleben durften, neue Freunde gefunden haben, gelernt haben, dass man mit der Polizei trampen kann und unseren Orientierungssinn neu einschätzen gelernt haben.

Beste Reisezeit:
Der Patagonische Sommer eignet sich hervorragend für Touren, die trampend, wandernd und im Zelt stattfinden sollen. Vor allem im Februar füllt sich die Gegend etwas mehr, vor allem mit  chilenischen Studierenden, die auf eben diese Weise unterwegs sind – das kann eine ziemliche Aufwertung und sehr lustig sein; wer jedoch die patagonische Einsamkeit sucht, weicht vielleicht lieber auf den Januar aus. Trotz der sommerlichen Jahreszeit muss aber mit viel Niederschlag und auch teilweise mal niedrigeren Temperaturen gerechnet werden! Der Herbst soll auch spektakulär sein, da die diversen Nothofagus-Mischwälder sich mit vielen bunte Farben schmücken.

Anreise:
Von Santiago kann man im Grunde sofort lostrampen, das ist in Chile ein bisschen wie Straßenbahn fahren: entweder nach Norden oder nach Süden. Wer abkürzen will, kann auf die zahlreichen Busunternehmen zurückgreifen, die z. B. Osorno, unseren Startpunkt, oder Puerto Montt, den klassischeren Startpunkt für den Aufbruch gen Süden, anfahren.

Trampen:
Zum Trampen in Chile: Viele Chilen*innen bewegen sich auf diese Weise durchs Land, vor allem junge Leute und auch meine Erfahrungen waren nur positiv! Nichtsdestotrotz gibt es natürlich auch viele Menschen in Chile, die einem davon abraten würden und potentielle Gefahren an jeder Straßenecke sehen. Im Grunde also wie in Deutschland – jede*r entscheide für sich!

Einreise:
Wer maximal drei Monate in Chile bleiben möchte, bekommt sein Touri-Visum bei Einreise eingestempelt!

Sprache:
Spanisch! Und das sollte man auch können. Es sprechen nicht alle Menschen Englisch, vor allem die ältere Generation sehr wenig. Wer Lust auf intenstiven Austausch hat, sollte sich außerdem dem chilenischen Akzent und den chilenischen modismos öffnen, die erstmal wenig mit „Schul-Castellano“ zu tun haben.

Geld:
Die Landeswährung sind chilenische Pesos, der Wechselkurs ist ungefähr 750 pesos = 1 Euro. Das Leben in Chile ist recht teuer, vor allem, wenn man als Tourist*in mangelnde Ortskenntnis mitbringt und eher da einkauft, wo man grade steht. Patagonien generell – vor allem die abgelegenen Gebiete – sind nicht gerade übersäht mit ATMs oder Supermärkten, es gilt sich von allem genügend Vorrat anzuhäufen, wenn es sich ergibt.

Vorab-Infos kann ich leider nicht bieten, da es eine „Wir planen so wenig wie möglich“-Reise war.
Für den Pumalín Park kann es jedoch sinnvoll sein, sich vorher zu informieren, da der ganze Park eher für Menschen mit Auto ausgelegt ist und alle Campingplätze gebührenpflichtig sind.

Die Conaf (Forst- und Nationalparkverwaltung Chiles) gibt ihre Tipps für das Unterwegssein in den Nationalparks.

Bezüglich der Gefahr durch Hanta-infizierte Mäuse ist es sinnvoll, sich über das Virus zu informieren.
In Südchile kommt es alle paar Jahre zur Blüte der Quila, einer heimischen Bambusart (Chusquea quila), die dazu führt, dass die Mäusepopulation schnell wächst und damit auch das Hanta-Übertragungsrisiko steigt. Gerade in den Nationalparks kann man dazu alle Mitarbeiter*innen der Conaf befragen, die wissen in der Regel Bescheid, wie die Situation gerade ist.
Im Parque Nacional Los Alerces (Arg) haben wir uns ziemlich über das Hanta geärgert, da viele Wandertouren gesperrt waren, was uns in der Touri-Info, wo wir den Eintritt für den Park bezahlten, leider niemand gesagt hatte. Es ist also sinnvoll, aktiv danach zu fragen!

  • Das Übliche … Regenschutz und warme Klamotten für alle Eventualitäten
  • Sommerliches und Badesachen für die traumhaften patagonischen Gewässer
  • Sonnencreme ist für helle Hautfarben ebenfalls zu empfehlen!
  • Ausrüstung, um ein paar Tage autark unterwegs sein zu können, ist auf jeden Fall von Vorteil, um sich abgelegene Schönheiten der patagonischen Landschaft nicht entgehen zu lassen!

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