Übers Scheitern
Auf der Skala eine 5, also schon sehr bissig, wenn man so was nur ein Mal im Jahr macht. Aber das sollte uns nicht abhalten. Nachdem wir das Mundloch in den Felsen gefunden und unser Material erneut gecheckt hatten, ging es los. 10 Meter in einen Spalt hinein, vorher entscheiden, wie rum der Kopf gedreht sei, denn das lässt sich dann erst mal nicht mehr ändern und dann mit Atmen und Quetschen vorwärts schieben. Weiter hinten kommt ein dicker Block, auf den sich eine Person setzen kann und dort hängt ein Abseilring. Wer auch immer so verrückt ist und dort einen Abseilring installiert … „Die spinnen, die Sachsen“ (Peter Brunnert). Ab jetzt wurde es erst richtig spannend. Eine 30-Meter-Talfahrt, bei der man teilweise komplett langgestreckt abseilen musste, um durch den Spalt zu passen. Schon währenddessen fragten wir uns nach dem Warum, aber dafür war es nun zu spät.
Unten angekommen, ließen wir das Seil vor Ort hängen und hatten erstmal genug Platz, um uns zu sortieren, vor allem im Kopf.
Munter weiter ging es eine ca. 5-6 Meter hohe Zacke hinauf, die verwirrenderweise mit einem Fixseil versehen war, dem wir allerdings eher nur halb vertrauten, bis wir oben die Sicherung sahen und uns daher vor allem auf den Rückweg freuten, denn die Zacke wollte man nicht unbedingt ohne Sicherung hinabsteigen. Mit Schieben, Krauchen, Klettern und Ächzen und Stöhnen arbeiteten wir uns immer weiter in die Tiefe. Mal mit den Füßen voran, in der Hoffnung, einen Tritt zu finden, mal mit dem Kopf in den Abgrund blickend.
Nach einer ganzen Weile erreichten wir eine Stelle, an der nur noch ein kleines Loch vorzufinden war. Wir fragten uns, ob das jetzt ernsthaft dort weitergehen sollte und beschlossen, an dieser Stelle zu kapitulieren. Hier liegt ein Trostbuch für alle, die sich eingestehen, dass der letzte Teil nicht machbar ist.
Harte Arbeit
Laut Höhlenführer geht es an dieser Stelle in einem ca. 25 mal 30 cm schmalen Loch 5 m nach unten. Unten öffnet sich der Raum, doch in unserer Vorstellung wären wir beide auf dem Rückweg stecken geblieben. Unser Verstand meldete uns, dass es klüger wäre, die Kraft für den Aufstieg zu sparen, der ja auch noch einen 30 m engen Spalt in die Höhe in sich barg. Nach einer Weile sprachen wir uns ziemlich einig dafür aus, an dieser Stelle aufzugeben und Verantwortung, Angst und vieles mehr gegen das Abenteuer abzuwägen und umzukehren.
Angst?
Der Rückweg zog sich auch noch mal. Verschiedene, von uns installierte Sicherungssysteme mussten wieder abgebaut werden und der 30-m-Aufstieg forderte uns den letzten Rest an Energie ab. Wenn man vorher noch nie klaustrophobische Situationen kannte – hier kam man auf jeden Fall an seine Grenzen. Mühselig ein Stück hochklettern, verklemmen im Spalt, Abseilachter nachziehen, Prusik nachziehen, weiterklettern, das Ganze von vorn. Das zieht sich und nagt ungemein an der Motivation. Der gewaltige Unterschied zum normalen Klettern besteht darin, dass wir nicht die Möglichkeit hatten, einfach zu sagen, dass jetzt Schluss sei. Oder dass der andere einen bitte ablassen solle, oder nachziehen. Oder, oder. Nein: Hier MUSST du, denn so schnell kann dir hier niemand helfen. Auch wenn dein Partner da ist, der kann nichts machen, außer motivierend zusprechen. Also heißt es, aufkommende Panikattacken wegatmen, Ruhe bewahren, weiter klemmen, spreizen, klettern, schieben und mühselig Zentimeter für Zentimeter erarbeiten.
Was für ein Sieg!
Eine Stelle war besonders schön. Da bleibst du stecken und nur während des Ausatmens ist es möglich, sich weiterzuschieben. Einatmen gleich verklemmen, ausatmen gleich weiter. Oben angekommen wunderten wir uns wieder, welcher Mensch hier bitte einen Abseilring installiert und schoben uns dankbar nach draußen. Insgesamt 3,5 Stunden waren wir in dieser Höhle und für uns war es trotz eines scheinbaren Scheiterns ein enormer Sieg über den inneren Schweinehund, der gern Dinge aufschiebt oder mal liegen lässt. Und über unsere Grenzen. Und zwar auf eine andere Art als beim Felsklettern. Das hat mit der Enge und dem Drang nach Freiheit zu tun und macht sich hier anders bemerkbar. Unser Do-it-Your-Self-Programm, um ins neue Jahr zu starten.
Der Abend brachte dann Lagerfeuer, Bier, Kochen und eine Menge Erleichterung mit sich.
Was diese Tour ausmacht?
In der absoluten Dunkelheit dehnt sich die Zeit und selbst ein einziger Tag erscheint so unendlich lange und intensiv. Grenzen lassen sich auch mal zwischendurch verschieben und der Alltag, der oft seinen Tribut im Geist fordert, kann mit anderen Augen betrachtet werden.
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