Radomirë als Basecamp
Das kleine, beschauliche Bergdorf Radomirë liegt am Fuße des Korab. Hier leben hauptsächlich Bauern und Hirten und es gibt nur eine Handvoll lokaler Unterkünfte. Wer Hotels nach deutschem Standard erwartet, ist hier falsch. Die Anreise nach Radomirë stellte sich als etwas mühsam heraus, da es nur sporadisch öffentlichen Busverkehr von der grenznahen Stadt Peshkopia in das Korabgebirge gibt. So mussten wir per Anhalter fahren, was erstaunlich gut funktionierte, da die Albaner meist sehr gern Mitfahrer vom Straßenrand aufpicken. Zwar sind auf der Bergstraße kaum Autos unterwegs, doch kommt eins vorbei, ist es sehr wahrscheinlich, dass man mitgenommen wird.
Die letzten Kilometer von der asphaltierten Straße nach Radomirë verlaufen über eine Schotterpiste, die wir zu Fuß gingen, um pünktlich zum Sonnenuntergang und zum Erklingen des Muezzin im Dorf anzukommen. Ein Junge aus dem Dorf half uns, eine Unterkunft zu finden und nur wenige Minuten später stießen wir mit einem eiskalten Tirana-Bier auf den kommenden Tag an.
Allein am Berg
Der Tag begann früh. Frühstück um 6, Start eine halbe Stunde später. Außer uns war nur ein Hirte auf seinem Esel unterwegs, der auf den richtigen Pfad deutete. Es gibt zwei Wege auf den Gipfel: einen kürzeren und steileren auf der Südwestseite und einen gemütlicheren, aber längeren auf der Nordwestseite. Wir entschieden uns, den steileren für den Aufstieg und den gemütlicheren für den Abstieg zu wählen, was sonnenmäßig die bessere Wahl war. Kurze Zeit später waren der Hirte und sein Esel verschwunden und wir waren weit und breit die einzigen sichtbaren Lebewesen. Lediglich der über den Häusern stehende Dampf aus Radomirë tiefer im Tal zeugte noch von menschlichem Leben. Ab und zu erklangen die Glocken einer Schafherde durch das Tal, nur sehen konnten wir sie noch nicht.
So wanderten wir schweigend und die Ruhe genießend für mehrere Stunden immer weiter hinauf, bis wir allmählich die Baum- und schließlich die Buschgrenze unter uns ließen. Der Weg war nun einfach, da er vom Dorf aus durch ein offensichtliches Tal bergauf führt. Hirtenpfade und gelb-rote Wegmarkierungen hießen uns den Weg auf größtenteils mäßig steilem bis flachem Gelände. Laut einer topografischen Karte, die wir in einem Touristenbüro in Peshkopia mitnahmen, hätten wir auch an einem Wasserfall vorbeikommen sollen. Entweder waren wir blind oder es gibt ihn nicht. Jedenfalls sorgte das Ausbleiben des Wasserfalls dafür, dass wir uns auf einer falschen Route wähnten, da auch die Wegmarkierungen nun ausblieben. Wir schlugen allerdings den einzig logischen Weg ein und liefern weiter das Tal hinauf, statt die Geröllhänge zu unserer Linken oder Rechten hinaufzukraxeln. Es wurde nun spürbar steiler, sodass das Tempo langsamer und die Trinkpausen häufiger wurden.
Der Weg ist nicht immer offensichtlich
Als wir uns dem oberen Talende näherten, wurden auch die Hirtenpfade weniger und endeten schließlich ganz. Und da wir den Grat, welcher zum Gipfel führen sollte, links über uns ausmachten, entschlossen wir uns nun doch, ein Geröllfeld hinaufzusteigen, das zwar nicht wie ein guter Weg aussah, aber uns nun als das einzig Logische erschien. Und so kämpften wir uns auf unsicheren Tritten und losem Gestein den Berg hinauf, bis wir schließlich den Grat erreichten und nun auch wieder einen Weg fanden, allerdings den aus Mazedonien kommenden. Der Gipfel war nun in Sichtweite und der Weg nicht mehr zu verfehlen. Nach etwas mehr als fünf Stunden standen wir auf dem höchsten Gipfel zweier Länder.
Hier trafen wir nun erstmals auf weitere Wanderer, die alle von der mazedonischen Seite aus gestartet waren. Auch sie waren begeistert von der Schönheit der Landschaft. In dieser Hinsicht geben sich die beiden Routen wohl nichts. Wir plauderten, tauschten uns aus und aßen unsere mitgebrachten Snacks, bevor uns der Wind dann doch ordentlich um die Ohren blies, sodass wir uns zum Abstieg aufmachten. Dieser führte zunächst über den mazedonischen Weg, bevor wir links in ein Tal wieder Richtung Albanien abbogen. Und schon waren wir wieder allein.
Kommentar schreiben