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tapir Interview: Die tapir-Odyssee – die Chefetage plaudert über die Geschichte eines Leipziger Unternehmens

tapir Interview: Die tapir-Odyssee – die Chefetage plaudert über die Geschichte eines Leipziger Unternehmens

Der tapir war ein gewissermaßen abgefahrenes Start-Up-Unternehmen, lange bevor das Wort in den allgemeinen Sprachgebrauch überging. Mit Stolz können wir sagen, dass dieser Laden eine bewegte und nicht gerade unspannende Geschichte hinter sich hat, bei der es so manches Riff zu umschiffen und so manche Unwegsamkeit zu passieren galt. Die tapir-Chefetage, Maren und Rando, berichtet im Folgenden von den verschiedenen Stationen des tapirs, vom Mauerfall, der Suche nach einem festen Ladenlokal und allem dazwischen und daneben. Eine Expedition in ein Stück Leipziger Vergangenheit.

 

Rabanus: Hallo Maren, hallo Rando. Ich möchte mit euch heute über die Hintergrundgeschichte des tapirs sprechen – von der Gründung über die verschiedenen Stationen bis hin zu dem Punkt, an dem der tapir heute steht. Ist ja durchaus ein langer Weg gewesen!

 

Maren: Ja, durchaus! Alles begann 1989. Ich habe damals nach Abschluß meines Ethnologie-Studiums als Lektorin beim Brockhaus-Verlag gearbeitet und kam gerade frisch von meiner allerersten Bergtour im Kaukasus zurück. Damals noch mit DDR-Ausrüstung: Vielleicht kennst du den Begriff ‘Jägermurmel’, das waren so alte, grüne Jägerrucksäcke. Und mit einem Schlafsack, der eigentlich mehr eine zusammenzippbare Steppdecke war, die man einrollen konnte. Mein Zelt war das klassische ‘polnische Bergzelt’ mit “Zieh mal den Eingang zu” und so – das war damals schon Hightech. Da war man schon gut, wenn man so ein polnisches Bergzelt hatte …

 

Rando: Ja, also wenn du das gehabt hast, galtst du schon als privilegiert!

 

Maren: *lacht* War auch nur geborgt. Die Reise in den Kaukasus war insofern spektakulär, als sowohl meine Reisepartnerin als auch ich überhaupt keine Ahnung von Bergtouren hatten – was man zum Beispiel daran sieht, dass wir den Kaukasus mit Esbit-Tabletten bezwingen wollten. Ohne Kocher, d. h. wir haben die Esbit-Tabletten auf die Erde gelegt und wollten damit unsere Haferflocken warm machen (wirklich nicht empfehlenswert). Aber die russischen Alpinisten haben uns durchgefüttert!

 

Rabanus: *grinst* Das mit den Esbit Tabletten hat sicher nicht so wahnsinnig gut funktioniert …

 

Maren: Nicht so richtig, aber als die russischen Alpinisten dann erfahren haben, dass wir nur zu zweit unterwegs waren, haben sie uns sofort adoptiert. So sind wir dann auch gut durch den Kaukasus gekommen. Da hatte ich Blut geleckt, was die Berge angeht und traf im Brockhaus-Verlag auf eine Gleichgesinnte, Marina, die dort auch als Lektorin arbeitete. In den vielen Kaffeepausen haben wir uns dann gegenseitig vorgeschwärmt, wie schön es im Kaukasus ist. Eine andere Kollegin, die in den Westen fahren durfte, brachte einen Katalog vom tapir in Marburg mit. Und den haben wir uns dann interessiert angeschaut …

 

Rabanus: Den tapir in Marburg gab es da also schon?

 

Maren: Ja genau. Der Katalog war so ein kleines Heftchen in DIN A5. Das Beeindruckendste war das Teambild vorn drin – alles so 68er-Typen mit langen Haaren und Bart. Im Herbst kam dann die Wende und kurz vor Weihnachten meinte Marina: “Lass uns die doch mal anschreiben, ob sie nicht mit uns einen Laden in Leipzig aufmachen wollen.” So haben wir also Marburg angeschrieben, denen gesagt, wer wir sind, dass wir Lust haben, in Leipzig einen Outdoorladen aufzumachen, und gefragt, ob sie nicht Lust hätten “rüberzukommen” in den Osten. Nach Weihnachten kam dann auch tatsächlich die Antwort: “Ja, finden wir nicht schlecht, kommt doch mal vorbei!” Dann sind Marina und ich nach Marburg gefahren und fanden die Leute dort auch sehr sympathisch. Sie fragten nach unserem Konzept, und da haben wir gesagt: “Naja, wir haben kein Geld und auch keine Ahnung, aber wir fänden das total cool und wir waren gerade auch erst in den Bergen und es geht im Osten ja jetzt auch alles richtig los!” Es hat sich dann auch einer der Marburger bereit erklärt, mit uns rüberzukommen und das Projekt im Osten hochzuziehen. Das war Pitt, der fand den Osten schon immer toll und war ganz begierig hierher zu kommen. Er kaufte einen alten, orangefarbenen, klapprigen Mercedes-Bus und packte probeweise Ware ein: Schlafsäcke, Rucksäcke, Zelte, Seile – erst mal das Klassische. Im Mai 1990 standen wir also das erste Mal mit einem Tapeziertisch voller begehrlicher Westwaren vor dem Bayerischen Bahnhof.

 

Rabanus: Ah! Ich dachte immer, ihr standet auf dem Augustusplatz.

 

Maren: Nein, die ersten Tage standen wir auf dem Bayerischen Platz, zusammen mit den fliegenden Händlern aus dem Westen. Zwischen all diesen Gemüsehobelverkäufern und Teppichhändlern standen dann wir und haben für DDR-Geld Schlafsäcke und Rucksäcke verkauft, um erst einmal zu schauen, ob das überhaupt funktioniert.

 

Rabanus: Und, hat’s funktioniert? Haben sich die Leute wirklich auf dem Markt einen neuen Rucksack geholt?

 

Maren: Joa, die Leute waren sogar ziemlich scharf drauf! So hat also quasi alles vor 30 Jahren angefangen. Vom Bayerischen Bahnhof sind wir kurz darauf in die Grimmaische Straße umgezogen.

 

Maren: Wir standen also weiterhin mit Tapezierbrett draußen, jetzt auf der Grimmaischen. Pitt war mittlerweile bei mir eingezogen. Wir haben seinen orangefarbenen Bus jeden Tag mit neuer Ware vorm Haus geparkt, die Sachen hochgetragen und am nächsten Tag wieder runter und auf dem Tapeziertisch ausgebreitet. Ja, und dann tauchten eines Tages zwei nette “kleine Jungs” auf, die bei uns mitmachen wollten: Matthi und Gero. Matthi ist ja heute noch dabei, also ein echter tapir der ersten Stunde.

 

Maren: Eines Tages sprach uns jemand an unserem Straßenstand an. Er hätte Räumlichkeiten und ob wir nicht zusammen einen Outdoorladen eröffnen wollten. Das war Jörg Fuchs vom späteren Sherpa-Laden. So kamen wir zu unserem ersten Domizil, einer LKW-Garage in der Friedrich-Bosse-Straße. Gero hat die Ladeneinrichtung gebaut, von den West-tapiren kamen einige nach Leipzig und nach einigen aufregenden Tagen und Nächten haben wir am 1. Juli 1990 den ersten tapir-Laden eröffnet.

 

Rabanus: Gab es damals in Leipzig eigentlich schon einen Outdoor-Laden?

 

Maren: Nee, wir waren tatsächlich die ersten. Wir waren aber nur von Juli bis August dort, also wirklich nicht lange und noch vor der Eröffnung kam es zu Komplikationen, die darin mündeten, dass wir direkt wieder raus mussten.

 

Maren: Wir haben uns also erneut auf die Suche gemacht – wissend, dass wir uns ein richtiges Ladenlokal gar nicht leisten können. So wurde es auch kein richtiger Laden, sondern eine alte Gummifabrik, in der früher Kegelbahnbeläge und andere Gummiprodukte hergestellt wurden. Das war damals in der Seitengasse 1a am Eutritzscher Markt. Der Besitzer musste seinen Betrieb nach der Wende schließen und war deswegen ziemlich niedergeschlagen. Wir haben ihn dann bei uns in der Fahrradabteilung eingestellt … wir hatten zu der Zeit auch begonnen, Mountainbikes zu verkaufen, da waren wir auch die ersten in Leipzig. Pitt meinte, das sei ganz was Neues, und das müsse man jetzt haben, und das gehe sicher gut! Ich hatte ein gelbes Muddy Fox mit Tatzen, das fand ich ziemlich toll.
Unten wurde also die Fahrradabteilung ausgebaut, oben der tapir-Laden. Das war alles noch ziemlich klein, also ca. 60 m².

 

Rando: So viel? Neee, so groß war das nicht! Das war viel kleiner. Aber legendär war die steile Hühnerleiter, die in den Laden führte. Da turnten schon mal die Mäuse in den Kletterseilen.

 

Rabanus: Warst du damals denn auch schon mit dabei, Rando?

 

Rando: Klar, als Kunde war ich da.

 

Maren: Schon von Anfang an in Wahren.

 

Rabanus: Und wie kam es, dass du dann beim tapir eingestiegen bist?

 

Rando: Meine Frau hatte früher mit Maren und Marina im Brockhaus-Verlag gearbeitet und daher kannten wir uns. Und ich war dann auch schon als Kunde bekannt, da ich regelmäßig im tapir war. So kam eins zum anderen.

 

Maren: Ich hatte damals überlegt, nach Marbug zu gehen. Daher hatten wir unsere Fühler nach Rando ausgestreckt, um einen Nachfolger für mich zu finden. Marina war dann aber irgendwie schneller als ich und hat sich von unserem Steuerberater in den Westen entführen lassen. Ich blieb doch in Leipzig und Rando hat nach reiflicher Überlegung den Job als Pfleger auf der Intensivstation aufgegeben.

 

Maren: Der tapir in der Rosa-Luxemburg-Straße war ursprünglich auch kein Ladenlokal, sondern ein altes Lagerhaus.

 

Rando: Das gehörte damals noch der Bahn und lag auf dem Bahngelände …

 

Maren: … mit vergitterten Fenster, die wir liebevoll rot angemalt haben. Also auch eine alte Butze, die wir wieder schön selber ausgebaut haben.

 

Rabanus: Das heißt, da war schon eine ganze Menge Bewegung drin in den Anfängen des tapirs: Zwei Monate in Wahren, dann zwei Jahre am Eutritzscher Markt, dann die Rosa-Luxemburg-Straße.

 

Maren: Ja, die Rosa-Luxemburg-Straße war auch der erste Ort, an dem wir länger geblieben sind, bis 1999.

 

Rando: In der Rosa wurde auch die Idee der tapir-Flohmärkte geboren – sehr idyllisch im Hinterhof …

 

Maren: Die Fahrradabteilung haben wir 2001 an einige unserer Mitarbeiter verkauft und daraus ist dann das BDO (Bike Department Ost, heute auf der Karli) geworden. Das BDO ist irgendwann auf dem Grundstück in eigene Räumlichkeiten umgezogen.

 

Rando: Und das Faszinierende war, dass, als die Jungs vom BDO dann raus sind und die Hälfte der Fläche frei wurde, wir uns ohne Schwierigkeiten auf dieser Fläche ausbreiten konnten, ohne dass es leer aussah. Es kamen ständig neue Produkte dazu.

 

Maren: Wir haben fast alles selber gemacht und ausgestaltet. Freunde von Matthi, die Tischler waren, haben uns eine Blockhütte in den Laden gezimmert, so als Sitzecke. Der Tresen war aus Holz und auch die Regale – aber nicht so im Berghütten-Design wie man es von anderen Outdoor-Läden kennt.

 

Maren: 1999 sind wir auf die Karli gezogen in unser erstes richtiges Ladenlokal und ein paar Jahre später kam das BDO nach – wir fanden es ziemlich cool, dass wir dann fast Nachbarn waren. Wir hatten zwischenzeitlich die Idee, da hinzuziehen, wo heute der Biomare ist und so eine Art Outdoor-Meile aufzubauen.

 

Rando: Abgesehen von der Superlage in der Südvorstadt und das an DER Geschäftsstraße Leipzigs gefiel uns hier besonders der große Garten hinterm Haus, den wir für unsere Zeltausstellung und die Flohmärkte nutzen konnten – das war jetzt wirklich idyllisch.

 

Rabanus: Und wie seid ihr dann am Ende am Georgiring gelandet?

 

Rando: 2009 lief unser Mietvertrag aus und die Konditionen für die Verlängerung waren nicht zumutbar. Die Idee mit der Outdoor-Meile in den Räumen neben dem BDO, von der Maren gerade gesprochen hat, ließ sich leider auch nicht verwirklichen – wir konnten uns die wirklich schöne, aber auch sehr große Fläche einfach nicht leisten. Das Gebäude auf der Karli gehört der LWB und die haben uns dann das am Georgiring als Alternative vorgeschlagen. Zuerst fanden wir diesen Vorschlag ziemlich absurd: Ein Leben jenseits der Karli erschien uns zwar möglich, aber sinnlos. Im Herbst 2008 hat die LWB dann die Räume zur Zwischennutzung den Designers Open überlassen. Das war super-clever, denn damit wurde dieser Ort, der von den meisten Leipzigern vollkommen vergessen war, wieder in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zurückgeholt. Es waren Hunderte Besucher in der Ausstellung und ich bin auch hingegangen. Und DAS war dann der Moment: Die Mädels und Jungs von den Designers Open hatten nämlich das Potential der Räume erkannt und die riesigen Fenster vollkommen unverstellt gelassen. Diese Blickbeziehungen nach draußen – ins Grün am Ring, zur Oper – das war der Knaller. Ich kam da rein und wußte: Das ist es! Wirklich genauso, wie man wirtschaftliche Entscheidungen eigentlich nicht trifft; eine Bauchentscheidung – sowas darf man eigentlich bei so einer Investition nicht machen. Aber damals ging das halt noch …

 

Rabanus: Das geht heute doch auch noch …

 

Rando: Ja, klar, das geht heute auch noch. Aber ob das dann immer so gut geht, das ist die Frage. Im Nachhinein muss ich wirklich sagen, das ist ganz schön schräg gelaufen.

 

Rabanus. Und die Location hier am Georgiring ist ja auch wirklich eher am Innenstadtrand, also nicht direkt im Zentrum. Das war ja schon ein Risiko.

 

Rando: Die Location ist heute viel besser als zu dem Zeitpunkt, als wir hierhin gezogen sind. Das war hier Wüste – unter dem Gesichtspunkt der Stadtentwicklung betrachtet.

 

Maren: Auch das Viertel dahinter bestand im Wesentlichen aus Ruinen. Das war gerade so am Anfang, dass sich das grafische Viertel entwickelte. Das war noch nicht so hip wie heute.

 

Rando: Damals waren ja noch nicht mal die Drogendealer hier! Das war die Zeit, als wirklich ALLE in die Südvorstadt wollten und wir sind da weggegangen in eine vergessene Ecke. Wir haben hier echte Pionierarbeit geleistet und aus heutiger Sicht sind wir da schon auch ein wenig stolz drauf. Aber bei allen schwer kalkulierbaren Risiken – für die Entwicklung des tapir war der Umzug von Anfang an ein Erfolg: Auf der größeren und helleren Verkaufsfläche konnten wir unser Sortiment nicht nur deutlich erweitern und viel schöner präsentieren, wir hatten hier erstmals auch ausreichend Büro- und Lagerfläche, um mit zusätzlichen Leuten ins Online-Geschäft zu starten. Und, ehrlich gesagt, ist das räumliche Potential ja noch immer nicht ausgereizt. Aber jetzt stehen, nach neun erfolgreichen Jahren am Georgiring, erst mal wieder Mietvertragsverhandlungen an. Ich denke, dass unsere Kunden nach einer Vertragsverlängerung ab 2019 von uns schon noch Weiterentwicklungen an diesem Standort erwarten dürfen. Die Ideen dazu sind jedenfalls da!

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