Unsere vorerst letzte Türkeitour hat ihren Ausgang am iranischen Grenzübergang Bazargan, führt durch 500 Kilometer Winterlandschaft bis zur Schwarzmeerküste im Frühling, einem Krankenhausaufenthalt und zurück nach Europa via Griechenland.
Im Gebirge liegt im März auch in Kleinasien Schnee, klar! Aber so viel? Etwas überrascht sind wir schon. Bereits auf iranischer Seite hatte es Neuschnee und Frost gegeben. Auf türkischer Seite türmt sich das gefrorene Nass aber bereits auf und bildet für mehrere hundert Kilometer eine geschlossene Decke. In den wenigen klaren Momenten ist der 5137 Meter hohe Ararat zu sehen. Trotz des Schneetreibens auf den Fernstraßen hält der Winterdienst diese aber befahrbar. Das 1950 Meter hohe Erzurum ist zu recht als Wintersportgebiet bekannt. Die Berge der Umgebung ragen bis 3000 Meter in den verhangenen Himmel. Obwohl die Szenerie wunderschön ist, kommt auf Dauer mit Kindern im Wohnmobil dabei eher Stress auf als Genuss. Daher lassen wir das alles recht zügig hinter uns, durchqueren das armenische Hochland und fahren durchs Pontische Gebirge zum Schwarzen Meer. Diese Küste ist, im Vergleich zur Mittelmeerküste, eher für kühleres und feuchteres Wetter bekannt. Zudem empfanden wir sie als recht verbaut. Hier und da finden sich trotzdem Fleckchen zum Bleiben.
Außerdem ist die Gegend (zum Beispiel bei Giresun) ein Zentrum des Haselnussanbaus. Die Berghänge sind überzogen von den Plantagen. An den Durchgangstraßen gibt es die Nüsse dann Sackweise zu kaufen, ebenso wie etwa verschiedenste Aufstriche oder Teigwaren damit. Neben gutem und günstigem Olivenöl bringen wir so auch liebend gern Haselnussaufstriche aus der Türkei mit. Beides kommt meist super als Mitbringsel an.
Abgesehen vom Wintersport bieten sich die über 2000 Meter hohen Berge (im Osten über 3000 Meter) des Pontischen Gebirges auch ausgezeichnet zum Wandern an. Es mutet an wie eine Tour in den Alpen, nur dass in den Tälern Moscheen stehen. Es ist mal wieder ein wunderbarer Großraum, um sich treiben zu lassen. Hier ein Hamam-Besuch, da ein schöner Flecken Natur und ab und an noch eine liebe Einladung der Einheimischen, sodass die Reisezeit verrinnt wie Sand zwischen den Fingern.
Nun könnten wir als Kleinod weiter westlich noch die hübsche Kleinstadt Safranbolu mit ihren Fachwerkhäusern nennen, aber unsere Restzeit im Land ist unplanmäßig, aber vollständig dem Gesundheitssystem gewidmet. Susi stürzt von der Leiter am Fahrzeug, landet auf einer Metallflasche, bricht sich mehrere Dorn-/Querfortsätze der unteren Wirbelsäule und ist vorerst zu keiner selbstständigen Laufbewegung mehr fähig. Abgesehen davon, dass das ein riesiger Mist war, blieb sich die Türkei aber treu darin, dass alles weitere gut ablief. Obwohl wir wieder mal mitten im Nirgendwo campen, hilft ein zufällig anwesender Angler beim Notruf und innerhalb von weniger als 15 Minuten ist ein Rettungswagen am Ort. Die Notaufnahme des Yenikent Devlet Hastanesi in Karaman scheint recht voll, es ist schließlich gerade Pandemie, aber dennoch geht es zügig voran. Am Abend ist Susi behandelt und geröntgt. Wir sind zwar weder die Belegungsdichte in den Zimmern der Notaufnahme gewohnt, noch dass die Verpflegung für Patientinnen und Patienten durch Angehörige gebracht werden muss, aber fachlich und menschlich ist dieses Krankenhaus kein Grund, um sich den Rücken nicht zu brechen. Eine Nacht im Krankenhaus inklusive Rettungswagen, Röntgen, MRT, Bluttest, Medikamenten und medizinischen Hilfsmitteln kostete rund 500 €. Wir zahlen das zunächst selbst gegen Quittung und erhalten einen Großteil des Geldes recht unaufwendig von der Langzeit-Auslandskrankenversicherung in Deutschland zurück. Lediglich 50 € für Medikamente und das Rückenstützkorsett möchte die Hanse Merkus nicht übernehmen, da wir dafür keine Quittungen hatten. Jetzt verstehe ich das aus Perspektive der Versicherung zwar gut, in der Realität war es aber doch sehr unwahrscheinlich, einen Beleg vom betreffenden Sanitätshaustechniker zu erhalten. Der wurde nämlich, ohne Bereitschaft zu haben, nach Mitternacht an seiner Privatadresse aus dem Bett geklingelt. Er gehörte nicht zum Krankenhaus, das das nötige Stützkorsett nicht vorrätig hatte und wir waren froh, dass es mit den übermüdeten Kindern im Schlepptau überhaupt noch eine Lösung in dieser Nacht gab. Aber gut, irgendwie gehört das zum Reisen dazu. Auf jeden Fall haben die Menschen vor Ort ihr Möglichstes getan. Es hat sich nicht einmal irgendwer daran gestört, dass wir mit dem riesigen Allradlaster schräg über vier Parkplätze vorübergehend auf dem Krankenhausgelände gewohnt haben, bis Susi wieder entlassen war.
Ebenso entspannt lief es, als wir unseren mobilen Wohnsitz für die nächste Zeit 800 Meter weiter ins Stadtzentrum an einen Spielplatz verlegen. Während Susi das Wohnmobilbett nicht verlassen kann, ist es so für die Kinder, also auch uns, deutlich schöner. Statt also das große europäische Wohnmobil vom Spielplatzparkplatz zu verbannen, darauf zu verweisen, dass dies kein Campingplatz sei oder zumindest irgendeine ausgedachte Gebühr zu erheben, bekommen wir täglich eine große Familienmahlzeit an den LKW geliefert. Bezahlen dürfen wir diese lieben Menschen nicht dafür. Zudem erhalten wir noch Unterstützung bei der Sachverhaltsklärung mit der Polizei. Diese erhob aufgrund der Rückenverletzung nämlich zwischenzeitlich noch den Verdacht der häuslichen Gewalt.
Noch nie waren wir für Unterstützung so dankbar wie in dieser stressigen Zeit. Aber auch in besseren Momenten und an anderen Orten (abgesehen von manchen Tourismus-Hotspots) haben wir die Menschen der Türkei meist als sehr hilfsbereit und anteilnehmend kennengelernt. Wir werden ganz sicher hierher zurückkommen. Vielen Dank!
Abgesehen vom alles überschattenden Rückenproblem ist der restliche Weg bis Griechenland unspektakulär. Der Fahrweg besteht für uns diesmal fast ausschließlich aus Autobahnen, genauso wie die staufreie Bosporusüberquerung, auf der nördlich von Istanbul gelegenen Yavuz Sultan Selim Brücke.
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