Im Tal der Tiere
Ich hatte meine Kräfte etwas (massiv) überschätzt, beziehungsweise unsauber recherchiert. Ich dachte vom Trailhead trennen mich ein 600 m Anstieg und 60 km – wenn ich früh aufstünde, kein Problem. Als ich dann mit Rucksack um halb 7 auf der Piste war, wurde mir recht schnell klar: Das wird unbequem. Mein Hintern schlief immer wieder ein durch die ungewohnte Last.
Und außerdem wurde mir klar, dass ich nicht einen Pass zu überwinden hatte und dann ins Tal rolle, sondern erst der Pass und dann sehr hoch gelegene Hügel meinen Weg ziemlich anstrengend gestalteten.
Auch die Höhenlage hatte ich unterschätzt. Sie machte mich doch relativ kurzatmig. Später fand ich dann heraus, dass auf 2300 m Wasser tatsächlich schon bei 93 Grad kocht… das war mir vorher nicht bewusst.
Die Radtour war geschafft, nun die Wanderung
Insgesamt waren es dann 65 km, und 1000 m aufwärts bis zum Trailhead. Um 15 Uhr (nach der Mittagspause) lagen noch 20 km Wanderung vor mir, um meinen reservierten Lagerplatz zu erreichen. Aber hey! Mein Rucksack war ungewohnt leicht (neu angeschaffter Sawyer Wasserfilter)! Und es war der erste Tag, an dem ich Bisons sah. Live und in nah. Das sind Biester! Da sie sich zur Zeit in der Brunft befanden, erzeugten sie sehr eindrucksvolle Geräusche, ähnlich wie ein Donnergrummeln. Das klang schon von weiter weg her sehr bedrohlich.
Zudem rammten immer mal wieder zwei von ihnen ihre wahnsinnig massigen Köpfe aneinander, oder wälzen sich im Dreck, was riesige Staubwolken aufwirbelt in der trockenen Landschaft, um ihrem Kampf die richtige Atmosphäre zu geben… oder so. Jedenfalls lebte ich ein bisschen in meiner Winnetoutraumwelt, und was mir an Ausdauer und Kraft fehlte wurde durch Begeisterung ersetzt.
Gemütlich einrichten
Ich kam im letzten Tageslicht am Lagerplatz an, baute zuerst das Lager auf, kochte dann und fiel recht schnell in den Schlafsack. Ich war superfroh, zwei Nächte am gleichen Ort zu zelten, denn dadurch konnte ich ganz entspannt am nächsten Tag die Gegend erkunden (Bären suchen) und mein Lager perfektionieren. Ich sammelte Feuerholz und baute einen Reflektor, denn die Nächte in den Bergen sind auch schon Ende Juli frisch. Der Abend kam und war schön, sternenklar, und ich hatte meine Angst überwunden bezüglich der Bären. Kochend und lesend und verträumt den eindrucksvollen Himmel bewundernd verstrich die Zeit, und da ich wirklich viel Holz hatte und der Reflektor auch seinen Zweck erfüllte war mir mollig warm.
Als ich dann zum Zelt zog (nach Vorschrift mehr als 100 Meter weit Weg von Feuer und Kochstelle), lag schon Eis darauf. Verkroch mich mit meiner Wärmflasche (Metalltrinkflasche mit einem Liter kochendem Wasser in ein Merinoshirt geknotet, wirkt Wunder) in meinen Schlafsack. Den Wasserfilter nahm ich sicherheitshalber mit ins Zelt, denn einfrieren wäre sein Tod. Aber nicht mit in den Schlafsack, und das war sein Tod. Denn der klare Himmel und die Höhe ließen die Temperatur ins Bodenlose fallen. Etwa 1,5 Stunden vor Sonnenaufgang (wenn die Nacht am tiefsten…) hatte ich -9,2 Grad im Zelt. Morgens Eis überall. An den Zeltwänden, auch im Innenzelt, auf dem Schlafsack…
In der Nacht hörte ich Wölfe. Das hatte ich zwar in Schweden schonmal, dennoch war es auch dieses Mal etwas Besonderes. Und ein riesiger Unterschied bestand: Ich genoss in vollen ruhigen Zügen, kein rasender Puls, sondern purer Genuss. Die Melodie der Wildnis. Schaurig schön.
Nun wird es ruhiger
Wo es Grizzlies gibt, werden Wölfe plötzlich sehr viel weniger bedrohlich.Die Wanderung zurück war viel entspannter, da mir die Marschregeln des Militärs einfielen (pro Stunde 10 Minuten Pause), und mein Rucksack viel leichter war (ich esse inzwischen wahre Berge). Doch die Tour zurück zu meinem Gastgeber… immer noch kein Zuckerschlecken.
Die restliche Zeit im Yellowstone ging ich es dann entspannter an, machte noch 2 Wanderungen, aber viel leichtere und kürzere Distanzen und ohne eine solche Anfahrt.
Rainbow Country
Ich hatte das Glück ein Permit zu ergattern, das mich für zwei Tage entlang der Oberkante des Grand Canyon vom Yellowstone führte. 300 Meter tief und bunt. Wirklich bunt. Fast der gesamte Regenbogen wurde durch aufsteigende Dämpfe und Feuchtigkeit aus dem Gestein gekitzelt. Rot, gelb, orange, rosa, pink, weiß und schwarz, darauf an feuchten Stellen grünes Moos und Bäume, abgerundet durch das klare Blau des Yellowstone River, verfeinert mit dem Weiß rauschender Bilderbuchwasserfälle.
Und die Thermal-Gebiete! Die bekannteren sind natürlich recht frequentiert, aber es gibt auch abgelegenere, wo man auch mal aufsaugen kann was man da eigentlich gerade sieht. Apokalyptische Landschaft, fauchend und blubbernd und heißes Wasser speiend, riesige Flecken verödetes Land, Salzkruste über Jahrhunderte gewachsen. Unnatürlich, nein, sehr ungewohnt gefärbtes Wasser und über allem ein Schwefelgeruch. Gelegentlich wird man von einer schwefligen Dampfwolke eingehüllt, Brillengläser beschlagen und das Atmen wird schwer. Toll!
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