Ein Blick auf den Gezeiten-Kalender
In Wyk auf Föhr starten wir unsere einwöchige Reise entlang der Inseln, Halligen und Priele – immer im Einklang mit den Gezeiten. Schon bei der Abfahrt merken wir, dass neben der normalen Uhrzeit ab sofort noch eine weitere Uhr mit läuft. Ebbe und Flut sind unsere ständigen Begleiter, sie entscheiden darüber, wann wir aufstehen müssen, wann wir ein- oder auslaufen. An diesem ersten Nachmittag kommt die Ebbe erst am frühen Abend und so verlassen wir noch bei Hochwasser den Hafen von Föhr. Der Wind weht kräftig und wir machen sofort Strecke. Kurz vor Sonnenuntergang werfen wir Anker zwischen Amrum und Langeneß und vertauen die beiden Segler miteinander. Bald darauf lassen wir uns trockenfallen (wenn das Boot tidenbedingt auf den Meeresboden sinkt) und sind überrascht, wie schnell das Wasser bei Ebbe abläuft. Das Abendlicht ist ein Naturschauspiel, das seines Gleichen sucht. Die Wolken ziehen langsam davon, uns steht eine sternenklare Nacht bevor.
Da wir uns mitten im Wattenmeer befinden, müssen Zweierteams in Schichten Nachtwachen halten. Zwar ist es kalt, doch beim Blick nach oben ist jedes Kältegefühl schnell vergessen. Sternschnuppen, Sternbilder und die Milchstraße zeichnen sich am Himmel ab. Der Rest der Nacht ist holprig, denn kurze Zeit nach Ende meiner Wachschicht läuft das Wasser wieder an – die Flut kommt. Die Schiffe werden vom Wattboden angehoben und drehen sich nun um die eigene Ankerachse. Am Morgen, als die Flut den Zenit erreicht hat, lassen wir die Leinen los und segeln bei lauem Wind Richtung Pellworm.
Kölsche Klänge auf Pellworm
Nach einem Ausflug auf die Hallig Hooge legen wir auf Pellworm an. Eine kleine urige Bar steht dort mit einem Schild über der Tür: „Helgas Hafenbüdchen“. Büdchen sind bekanntlich Kölner Kioske, bei denen man sich das abendliche Wegpils besorgt. Aber dieses Büdchen wird doch wohl kaum etwas mit obergärigem Bier zu tun haben…oder doch?! Tatsache! Helga ist Kölnerin und schenkt hier auf Pellworm auch Kölsch aus. Abends laufen die Karnevals-Hits der letzten 20 Jahre über Helgas Musikanlage und alle stonn zoom Effzeh Kölle. Wer hätte das gedacht!
Auf Süderoog lernen wir tags darauf die Bewohner der kleinsten bewohnten Hallig der Nordsee kennen. Nele und Holger leben seit 2013 hier und haben einiges aus dieser Zeit zu berichten. Sie zeigen uns Gegenstände, die über die Jahre angespült wurden und teilweise tausende Kilometer weit gereist sind, und lassen uns für einen Tag an ihrem Leben in der vollkommenen Abgeschiedenheit teilhaben. Sie nehmen uns sogar mit zum Krabbenfischen. Dabei ziehen wir große, schwere Netze durchs Wasser über den Wattboden. Der Beifang wird aussortiert und lebend zurück ins Wasser geworfen, die ausgewachsenen Krabben landen im Kochtopf zurück an Bord.
Kommentar schreiben